Aichner einmal anders - Klassischer Whodunit in den Tiroler Bergen
Der Winter hat Tirol fest in seinem Griff. Hier in der verschneiten Bergwelt gönnt sich der Berliner Pressefotograf David Bronski eine berufliche Auszeit. Die Zeit in einer Berghütte will er nutzen, um nachzudenken - über sich und seine Beziehung zur Polizeireporterin Svenja. Doch Bronski scheint das Unheil regelrecht anzuziehen. Auf einer Schneeschuhwanderung findet er eine Frauenleiche. Der Pressefotograf erkennt, dass das Opfer ermordet wurde. Als wäre es das Natürlichste auf der Welt, nimmt Bronski seine Kamera und fotografiert die Tote. Weil er nicht anders kann, weil es ihn fasziniert. Bevor er jedoch Hilfe holen kann, verschwindet die Leiche spurlos. Aber es kommt noch schlimmer für ihn: Als er morgens in seiner Hütte erwacht, brennt diese lichterloh. Bronski verliert alles: seine Kamera, sein Labor, seine Fotos. Ist der Mörder der jungen Frau nun hinter ihm her und will einen unliebsamen Zeugen beseitigen?
Weil es ununterbrochen schneit, ist derzeit nicht an Hilfe zu denken. Daher macht sich Bronski auf den beschwerlichen Weg zu einem abgelegenen Luxus-Chalet, in dem fünf Social-Media-Stars ihr Wochenende verbringen. Während er sich mit letzter Kraft hierher retten kann, keimt im Pressefotografen ein Verdacht: Der Täter muss ebenfalls in der Berghütte sein - und es gibt kein Entkommen. Auch nicht für Bronski.
Vierter Band der Bronski-Reihe
Besser könnte es für das Multitalent Bernhard Aichner derzeit kaum laufen. Der gebürtige Tiroler ist nicht nur mit seiner aktuellen Reihe um den Berliner Pressefotografen David Bronski äußert erfolgreich, sondern seine „Totenfrau“-Trilogie wurde für Netflix/ORF verfilmt und stürmt derzeit weltweit die Charts. Im ZDF war zuletzt die TV-Adaption von Aichners Kriminalroman „Für immer tot“ um den Totengräber Max Broll und seinen besten Freund Johann Baroni zu sehen. Ob Roman oder Verfilmung, eins ist immer gewiss: Aichner liefert Spannung auf hohem Niveau.
Mit dem vierten „Bildrauschen“ endet die Reihe um David Bronski und seine Freundin Svenja vorerst. Aber Fans müssen sich keine Sorgen machen: Bernhard Aichner arbeitet bereits an einem neuen Thriller, der Mitte 2024 erscheinen wird. Man darf also gespannt sein, was die Zukunft bringt.
Bekanntes Muster
Die Idee des aktuellen Aichner-Romans ist nicht neu - aber daraus macht der Autor auch keinen Hehl. Was sich neudeutsch ein Escape-Room-Thriller nennt, folgt in bester englischer Tradition dem klassischen Agatha-Christie-Plot: Auch bei Aichner gibt es eine überschaubare Anzahl von Verdächtigen, die abwechselnd in den Fokus der „Ermittlungen“ geraten und die alle kein wirklich reines Gewissen haben. Auch der Handlungsraum ist begrenzt, spielt sich doch alles in einem eingeschneiten Luxus-Chalet Mitten in den Tiroler Bergen ab. Die Rolle des Ermittlers übernimmt dabei Bronski selber, der mit allen Influencern in der Berghütte Interviews führt und sie somit verhört. Jeder von ihnen soll auf diese Art porträtiert werden. Bronski will herausfinden, wie es soweit kommen konnte, dass eine oder einer von ihnen zum potentiellen Gewalttäter wurde. Aber nicht nur die Zeitung soll darüber berichten: Die Mörderjagd ist live im Netz über die Social-Media-Kanäle zu verfolgen.
Höhen und kleinere Tiefen
Der Roman beginnt auch gleich mit einem hohen Tempo und viel Dramatik. Aichners Erzählstil ist klar, wunderbar lakonisch. Eine starke, kraftvolle Sprache, die einem nicht aus dem Kopf geht. Wie gewohnt wechseln sich in den Kapiteln Dialogstil und Ich-Erzähler aus der Sicht Bronskis ab. Die Romane Aichners ziehen gerade hieraus ihre Stärke. Diesmal scheint dieser Stil für den gewählten Plot aber nicht vollkommen aufzugehen, weil selbstredend keiner der Verdächtigen sich in den Interviews verrät. Informationen zu den einzelnen Influencern muss Bronski selber erst einmal googeln. Die Biografie der Figuren ist durchaus interessant, aber nicht frei von Klischees, wobei unklar bleibt, inwieweit dies gewollt ist. Denn gleichzeitig wird auch deutlich, dass hinter jedem Influencer ein individueller Charakter steckt. Insgesamt bleibt deren Darstellung aber etwas zu vage und unscharf. Dabei ist die Figurenentwicklung eigentlich Aichners große Stärke.
Bronski, der immer noch unter Panikattacken leidet, muss gleichzeitig auch gegen seine inneren Dämonen kämpfen. Auch die schwelende Krise in der Beziehung zu Svenja wird immer wieder thematisiert. Bronski kämpft direkt an drei Fronten, was dem Roman - auch aufgrund der Kürze - etwas überfrachtet. Gewohnt spannend ist die Geschichte aber auf jeden Fall.
Große Bandbreite
Bernhard Aichner hat die Messlatte mit seinen bisherigen Teilen über den Berliner Pressefotograf selber extrem hoch gelegt. Unweigerlich vergleicht man die Romane miteinander. Der vierte Band der Bronski-Reihe steht dabei im klaren Kontrast zum Vorgänger „Brennweite“, ein Roman auf Speed, extrem rasant und packend. Im aktuellen Roman lässt es der Innsbrucker Aichner etwas langsamer angehen. Aber auch das kann er: neben Hardrock sind besonders die leisen Töne seine Stärke. Diesmal lassen Bronskis Erinnerungen an die letzte Begegnung mit seiner verstorbenen Mutter den Leser innehalten. Unweigerlich hält man die Luft an, sitzt mit am Tisch, wenn Bronski die sterbende Mutter in den Arm nimmt. Hier zeigt Aichner seine wahre Stärke; eine Karte, die er diesmal zu wenig ausspielt.
Fazit
Wer Bernhard Aichner mag, der wird auch hier bestens bedient - denn Schreiben, das kann der Österreicher wie kaum ein anderer. Im Vergleich zu den anderen Teilen der Reihe fehlt es „Bildrauschen“ aber etwas an Dynamik. Die Figuren bleiben - auch in ihren Motiven - zum Teil zu vage und schemenhaft. Aber vielleicht müssen sie dies als Influencer auch sein. Ein Roman wie die Tiroler Berge - mit vielen Höhen, aber auch kleineren Tiefen.
Bernhard Aichner, btb
Deine Meinung zu »BILDRAUSCHEN«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!