Der Auftrag

  • Ueberreuter
  • Erschienen: September 2022
  • 1
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Thomas Gisbertz
68°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2022

Solider Start der Helena-Steen-Reihe

Im Frankfurter Wahlkreisbüro der jungen aufstrebenden Politikerin Lorna Hoogstraat explodiert eine Paketbombe, die einer Mitarbeiterin das Leben kostet. Seit geraumer Zeit hat sich die Anzahl der Drohungen gegen Hoogstraat deutlich erhöht. Plötzlich scheint sie immer mehr Feinde zu haben, ohne dass es einen erkennbaren Grund gebe. Ihr Wahlkampfteam ist mehr als beunruhigt. Sollte der Anschlag eine letzte Warnung für die Nachwuchspolitikerin sein? Die Bedrohung wird jedoch auf den Wunsch Hoogstraats hin geheimgehalten. Doch wie soll man sie schützen, wenn die junge Politikerin weiter Wahlkampf betreibt?

Erin Weisz, Direktorin der Dienstelle Personenschutz Inland (PSI), kontaktiert für diesen Auftrag die junge, ehrgeizige Helena Steen. Sie gehört zu den Besten ihres Ausbildungsjahrgangs als Personenschützerin bei der Bundespolizei. Weisz schätzt deren besondere Gabe: ihren Instinkt. Sie besitzt die Fähigkeit, in bestimmten Situationen die richtigen Schlüsse zu ziehen, ohne ihren Verstand oder auch nur ihr Bewusstsein nutzen zu müssen. Dies schafft ihr einen entscheidenden (zeitlichen) Vorteil. Und diese Gabe ist dringend nötig, als Hoogstraat bei einer Wahlkampfrede nur knapp einem Anschlag entgeht.

Start der neuen Roth-Reihe

Silvia Roth schreibt seit vielen Jahren mit großem Erfolg Kriminalromane und Thriller, Drehbuchvorlagen, Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Die Autorin studierte ursprünglich Literaturwissenschaft, Anglistik und Philosophie und arbeitete einige Jahre in unterschiedlichen Berufen, bevor sie mit dem Schreiben begann.

Große Bekanntheit erwarb Roth mit den Romanen rund um die Wiesbadener Kommissarin Winnie Heller und ihren Kollegen Hendrik Verhoeven. Der dritte Band der Reihe, „Schattenriss“, wurde 2009 für den Glauser-Preis nominiert. Mit dem sechsten Band „Schneetreiben“ (2013) endete die überdurchschnittlich gute Krimireihe jedoch. Gleichzeitig verfilmte das ZDF seit 2014 zehn Fälle des ungleichen Wiesbadener Ermittlerteams. Mit der letzten Folge „Panik“ wurde die Serie eingestellt.

2011 erschien Roths Psychothriller „Blut von deinem Blute“. Seitdem war es ruhig um die  Krimiautorin. Mit „Der Auftrag“ veröffentlicht der österreichische Carl Uberreuter Verlag nun den Start von Silvia Roths aktueller Krimireihe - ein Neustart der Autorin, der nur bedingt gelingt.

Spannende Idee - schwächere Umsetzung

„Der Auftrag“ hat eigentlich alles, was einen guten Kriminalroman ausmacht: eine junge, taffe Polizistin, die als Personenschützerin nicht unbedingt eine alltägliche Ermittlerin darstellt, einen ungewöhnlichen Freund und mit Erin Weisz vom PSI eine unterkühlte, dominante und ehrgeizige Chefin, die aber viel von Helena Steen hält. Dass die junge Personenschützerin gleich bei ihrem ersten Fall einer aufstrebenden Politikerin zur Seite gestellt wird, ist ebenfalls stimmig.

Leider ist die Handlung im Allgemeinen und die Suche nach dem Attentäter im Speziellen zu verschachtelt bzw. ausufernd. Zwei weitere Handlungsstränge (einer rückblickend, einer zeitgleich) lassen einige spannende Twists erwarten. Bei der Auflösung fragt man sicher aber eher, ob man nicht alles viel einfacher hätte haben können. Hier wirkt die Handlung leider etwas überkonstruiert.

Ungewöhnliches Team

Die große Stärke der Autorin ist - wie schon bei der Winnie-Heller-Reihe - die Figurendarstellung, wobei Helena Steen im Vergleich zu den anderen Protagonisten des aktuellen Romans noch recht blass erscheint. Dies mag daran liegen, dass man von ihrer besonderen „Gabe“ lange Zeit recht wenig sieht. Der jungen Personenschützerin fehlt trotz ihrer Fähigkeit das Besondere, auch wenn sie in ihrer Freizeit als Krankenhaus-Clown krebskranken Kindern ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Trotzdem wären einige Ecken und Kanten bei ihr wichtig. Gleichzeitig verrät das Ende des Romans, dass noch längst nicht alle Geheimnisse rund um die junge Frau und ihre Familie aufgedeckt wurden.

Ganz anders sieht das bei ihrem Mitbewohner Leo aus, einem Asperger-Autisten, der sich mit Helena ein kleines Zweizimmer-Apartment teilt. Leo verfügt über eine Inselbegabung in Bezug auf Formen und Symmetrien. Er zeichnet mit geradezu zwanghafter Akribie Gebäude, Skylines oder Brücken, die er irgendwann irgendwo einmal gesehen hat. Mit dieser speziellen Begabung und seinen analytischen, computergestützten Fähigkeiten ist er Helena bei ihrer Arbeit und der Suche nach dem Täter eine große Hilfe.

Gute Ermittlungsarbeit

Während die beiden weiteren Handlungsstränge nicht richtig funktionieren wollen, nimmt der Roman immer dann an Spannung zu, wenn sich die Autorin der Ermittlungsarbeit in Frankfurt vor Ort widmet. Hier zeigt Silvia Roth ihrer Stärke als Krimi-Autorin, wenn sie den Schwerpunkt auf die Dialoge legt und das Team einfach ihre Ermittlungsarbeit machen lässt. Deutlich zeigt sich dann, dass die Reihe über jede Menge Potential verfügt, das aber noch zu wenig genutzt wird.

Fazit

Die Schatten der Winnie-Heller-Reihe sind lang. Auch wenn es nicht ganz fair erscheint, misst man Silvia Roths neue Krimiserie unweigerlich mit der charismatischen Ermittlerin aus Wiesbaden. Dass auch Helena Steen und ihr Mitbewohner Leo das Zeug zum Kultermittlerteam haben, deuten sie hier bereits an. Damit dies gelingt, muss die Handlung aber noch stringenter werden.

Der Auftrag

Silvia Roth, Ueberreuter

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