Poppy

  • Ullstein
  • Erschienen: Juni 2022
  • 10
Poppy
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Thomas Gisbertz
78°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2022

Hochaktueller, beängstigender Thriller

Eigentlich läuft das Leben der populären Mama-Bloggerin Lotte Wiig perfekt. Sie ist glücklich mit ihrem Mann Jens verheiratet und hat mit der zweijährigen Poppy eine bezaubernde Tochter. Über ihr Glück als Mama informiert die berühmte Influencerin mehrfach täglich ihre 440.000 Follower über Instagram und Co. Jens versteht es als Manager meisterhaft, die Popularität seiner Tochter und seiner Frau gewinnbringend zu vermarkten. Doch dann erhalten sie plötzlich den Drohbrief eines Stalkers. Die Sorge bei Lotte ist groß - und das nicht zu Unrecht: Kurz nachdem sie ein Bild ihrer Tochter Poppy vor dem Haus der Großeltern gepostet hat und alleine mit ihrem Mann ein Wellness-Wochenende verbringen möchte, verschwindet das Kind. Die Entführung erschüttert ganz Norwegen, denn Millionen von Menschen folgen dem Leben des bezaubernden Mädchens Tag für Tag.

Erst vor kurzem wurde ein anderes Kind entführt, das zwölf Stunden später wieder auftauchte. Handelt es sich um den gleichen Täter?

Kommissarin Emer Murphy darf wegen einer psychischen Erkrankung zwar im Moment eigentlich nicht arbeiten, macht sich aber dennoch mit ihrem Kollegen Mons Tidemand auf die Suche nach dem kleinen Mädchen.

Norwegische Bloggerin als Autorin

Die 29-jährige Norwegerin Kristine Getz studierte zunächst Architektur und Ernährungswissenschaften und arbeitet heute als freie Autorin. Sie lebt mit einem norwegischen Ehemann in den USA. Nun veröffentlicht sie mit „Poppy“ ihren ersten Thriller und damit gleichzeitig den Auftakt der Emer-Murphy-Reihe, die hierzulande bei Ullstein erscheint.

Kristine Getz war eine der ersten bekannten Bloggerinnen Norwegens, hat sich aber inzwischen dafür entschieden, ihre Präsenz auf allen digitalen Plattformen zu löschen. Ihr aktueller Roman ist eine Reaktion auf die unzensierte Darstellung der „süßen Kleinen“ durch Eltern in den sozialen Medien.

„Die Bilder können schön sein und der Text scheinbar unschuldig, aber auf öffentlichen Profilen haben sie keine Kontrolle darüber, wer folgt und was seine Motive sind ... Sie können so stolz sein, wie sie wollen; kleine Leute haben auch das Recht, ohne Publikum in einem Pool zu planschen oder dem Weihnachtsmann etwas zuzuflüstern“, sagt Kristine Getz zu den Hintergründen des Romans.

Wenn andere zugucken

Der Thriller behandelt ein hochaktuelles Thema. Es geht um die Gefahren des unbedarften Umgangs mit Sozialen Medien wie Instagram, Facebook, TicToc und Co. Dabei werden nicht nur die Reaktionen der Follower auf die im Internet geposteten Fotos und Texte glaubhaft und äußerst realistisch im Roman dargestellt, sondern auch die Zielsetzung der Eltern kritisch hinterfragt. Mag es anfänglich noch Naivität seitens der Mutter gewesen sein, so ist es später vor allem die Gier des Vaters, die die Negativspirale auslöst. Poppy wird mehr und mehr zur Geldmaschine. Lukrative, gutbezahlte Werbeverträge werden geschlossen. Stocken die Followerzahlen, lässt sich Vater Jens, gleichzeitig Manager von Lotteslooks, schon etwas einfallen, um die Öffentlichkeit wieder für sich zu gewinnen. Zu spät müssen die Eltern erkennen, wie viel sie über sich und ihr Kind verraten haben und dass es Menschen gibt, die sich dieses Wissen zu Nutze machen. Ein Albtraum für Lotte, Jens und Poppy beginnt, an dem die Eltern aber nicht unschuldig sind.

Übernatürliche Ermittlerin

Kristine Getz gelingt besonders zum Ende hin eine absolut packende Story mit unvorhersehbaren Twists. Allerdings hat der Thriller auch seine Schwächen. Dass die Eltern als typische Influencer recht klischeehaft dargestellt werden, entspricht leider oft der Realität und erhöht daher die Glaubwürdigkeit. Allerdings bleiben auch die anderen Figuren, vor allem das Ermittlerteam, recht blass. Bei Emer Murphy mag dies daran liegen, dass die Autorin versucht, aus ihr eine ganz besondere Ermittlerin mit ungewöhnlichen Fähigkeiten zu machen. Bereits zu Beginn des Romans erfährt man, dass Murphy an einer Psychose leidet und deswegen in Behandlung ist. Unerwartet erlitt sie bei der Arbeit einen rätselhaften Anfall, über den man im Verlauf mehr erfährt. Laut ihrer Tante Marceline, einem Medium, besitzt Emer eine besondere Gabe, „Nachrichten“ zu empfangen. Allerdings habe sie noch nicht die Kontrolle darüber. Der Versuch, der Ermittlerin übernatürliche Fähigkeiten zu verleihen, ist unnötig, auch weil dies für den Fall keine Relevanz besitzt. Zumindest wird Emers mühevoller Weg, die erlittene „Episode“ zu verarbeiten und zurück in die Normalität zu finden, sehr differenziert dargestellt.

Überladene Handlung

Auch sprachlich weiß Getz' Debütroman nur bedingt zu überzeugen. Die Dialoge wirken doch recht hölzern. Zusammen mit der schwächeren Charakterdarstellung der Figuren zieht sich der Roman daher teilweise etwas. Insgesamt wirkt die Handlung auch überladen, da die Autorin noch auf weitere Gefahren des Internets - wie zum Beispiel den „Camgirls“ - eingeht. Hinzu kommen familiäre Konflikte und die angesprochenen privaten und letztendlich auch beruflichen Probleme Murphys. Eine klarere Fokussierung auf das Wesentliche würde den weiteren Bänden sicherlich gut tun.

Fazit:

„Poppy“ ist ein thematisch packender und spannender Roman, der mit einem überraschenden Ende zu überzeugen weiß. Dafür sind vor allem der Erzählstil und die Figurendarstellung noch nicht stimmig. Ein Thriller, der sich kritisch mit Influencern und den Folgen der öffentlichen Zurschaustellung auseinandersetzt. Das macht den Roman insgesamt dennoch lesenswert.

Poppy

Kristine Getz, Ullstein

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