Die Rache der Väter

  • Ars vivendi
  • Erschienen: Mai 2022
  • 1

- Hardcover
- 344 Seiten

Die Rache der Väter
Die Rache der Väter
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Sabine Bongenberg
81°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2022

Feste Ansichten

Im Bundesstaat Virginia ist das Leben noch in Ordnung. Zwar konnten sich in den letzten Jahren die Demokraten durchsetzen – aber es war knapp. Verdammt knapp. Der weiße Amerikaner hat feste Ansichten gegenüber dem „White Trash“, der wiederum hat feste Ansichten gegenüber den Schwarzen und alle zusammen haben sie überaus feste Ansichten gegenüber Schwulen und Lesben.

Ike, der schwarze Inhaber eines gut gehenden Gartenbau-Unternehmens und Buddy-Lee, weiß, arbeitslos, alkoholabhängig in einer Trailer-Siedlung lebend, kommen aus unterschiedlichen Welten. Aber es gibt eines, das sie verbindet und das sind ihre beiden schwulen Söhne, die miteinander verheiratet sind. Selbstredend haben sich beide Väter von ihnen losgesagt. Aber jetzt sind beide Jungs tot. Ermordet, in den Kopf geschossen und die Polizei scheint keine Anstalten zu machen, die Mörder zu suchen. Wenn es also keiner tut, dann müssen sich wohl die alten Herren an die Arbeit machen. Die beiden alten Herren, von denen einer eine gutgehende Firma hat und der andere ein unfitter Alkoholiker ist, der eine bürgerlich – der andere abgerockt. Viele nehmen sie nicht ernst, die beiden alten Herren – kurz vor der Rente oder schon mit einem Fuß im Grab. Aber die beiden alten Herren haben Knasterfahrungen. Sie haben da einiges gelernt und sie waren nicht da, weil sie ein paar Blümchen geklaut haben. Vielleicht sollten ihrer Gegner das besser bedenken…

„Ein Mann in Geralds Position kann es sich nicht erlauben, dass man sieht, wie er einen Stiefsohn umhätschelt, der sich perversen Handlungen hingibt.“

Nach seinem großen Überraschungserfolg „Blacktop Wasteland“ widmet sich der schwarze US-Amerikaner S.A. Cosby einem neuen Feld. Im Vorgängerroman erzählte er von dem schwarzen Familienvater Bug, der sich gezwungen sah, wieder auf das schnelle Geld zu setzen und ließ ihn gegen ein vorurteilsbeladenes, rassistisches Umfeld antreten. In seinem neuesten Buch legt der Autor noch eine Schaufel nach. Auch wenn sich Schwarz und Weiß häufig misstrauisch und ablehnend gegenüberstehen, so gibt es doch noch Teile der Bevölkerung, bei deren Abneigung sich beide Parteien die Hand reichen können: Die Mitglieder der schwulen und lesbischen Gemeinschaft. Der Leser erfährt hier einiges über einen unversöhnlich wirkenden Hass – über Eltern, die sich von ihren Kindern lossagen oder auch über den Priester, der selbst am Grab der beiden ermordeten Söhne der Protagonisten über deren „widerwärtige Sünden“ wettern muss. Glaubhaft und zielsicher konstruiert Cosby den Krimi über die beiden Väter, die in erster Linie wegen ihrer Schuldgefühle beginnen, den Tod ihrer Söhne zu untersuchen und – da die Polizei laut ihrer Einschätzung zu wenig leistet – sich auf Mördersuche zu begeben.

Natürlich schafft das für beide neue Situationen. Beide versuchen – für ihre Begriffe – behutsam mit dem Gegenüber umzugehen, beide schlagen sich ihre gegenseitigen Vorurteile so um die Ohren, dass sicher kein Leser einen Pfifferling auf einen langen Fortbestand dieser Koalition setzen würde und doch können sie eine fragile Partnerschaft halten.

Ganz anders sieht es dagegen mit den Kontakten zu der schwul-lesbischen-Community aus. Cosby lässt den Leser daran teilhaben, wie ungläubig beide Männer deren Lebensstil gegenüberstehen und wie aggressiv sie reagieren, sobald jemand auch nur glauben könnte, einer von ihnen sei etwas anderes als heterosexuell. Seine beiden Helden sollen ein Abbild der durchschnittlichen amerikanischen Familienväter sein, aber dennoch unterscheiden sie sich in einem wichtigen Punkt von diesen: Die Lebensläufe beider weisen lange Zeiten auf, die sie hinter Gittern verbrachten und schnell wird dem Leser auch klar, dass offensichtlich der jetzt bürgerliche Ike seinem Gangnamen „Riot“ alle Ehre machte.

„Wenn man seine erste Leiche zerstückelt, ist das einfach nur widerwärtig. Bei der zweiten ist es schon eher lästig.“

Cosbys Roman fasst das ernste Thema der Diskriminierung von Schwulen und Lesben an. Er gewinnt seine besondere Spannung – und sicher auch einen Teil seines Witzes – durch seine beiden Senioren, die nach Gerechtigkeit suchen und damit einen Krieg lostreten. Jeder könnte denken, der darüber berichtende Roman wäre ein schmales Bändchen, dennoch sollte man nicht den Fehler der Bösewichte des Buches begehen: Die beiden zu unterschätzen. Hier driftet der Roman aber für meinen Geschmack schon recht weit in das Actionfeld ab und manchmal hatte ich das Gefühl, dass der Autor hier schon überlegt, mit welchem Star die Verfilmung besetzt werden könnte. Auch die Botschaft der sexuellen und körperlichen Selbstbestimmung holte für meinen Geschmack manchmal weit aus, um ihre verschiedenen Spielarten unterzubringen - und die bis dahin gut aufgebaute Geschichte machte zum Ende hin eigenartige Kurven zugunsten der Spannung und des angestrebten Showdowns. Einiges wurde zwar im Vorfeld auch schon ein wenig überspitzt dargestellt, wirkte aber gegen Ende doch konstruiert und wirklichkeitsfremd. Auch die Auflösung des Krimis fand ich ein bisschen banal für das bisher so wichtige Thema.

Fazit

Der weiße, alkoholabhängige Trailerbewohner und der schwarze Unternehmer – beide kennen sie die Vorurteile, die ihnen entgegengebracht werden. Selbst haben sie aber selbstverständlich auch noch eine eigene Menge davon – gegen Latinos, gegen Schwule, gegen Lesben. S.A. Cosby erzählt spannend und empathisch, wie seine Helden auf ihrer Suche nach Gerechtigkeit lernen, auch das, was sie nicht verstehen und was nicht ihrer eigenen Welt entspricht, zu akzeptieren.

Die Rache der Väter

S. A. Cosby, Ars vivendi

Die Rache der Väter

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