Die besten Stories aus dem weltberühmten „Black Mask Magazine“

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 1977
  • 2
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Michael Drewniok
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2022

Als der Krimi schmutzig wurde

Zurück in die Gosse

Am Anfang war der Krimi eher ein Spiel. Zwar lag in der Regel ein Pechvogel ermordet auf dem Boden, doch der Tod blieb in der Beschreibung diskret; hässliche Details wurden ausgeblendet. Wichtig war das (Hirn-) Duell zwischen Täter und Ermittler. Zwar mochte dies in einem dramatischen Finale gipfeln, doch im Mittelpunkt stand das elegante Ringen um die Wahrheit. Die Leser konnten sich einklinken, und womöglich lagen sie richtig, wenn der Fall seine hoffentlich überraschende Auflösung fand.

Mit der Realität hatte diese Sicht des Verbrechens nichts zu tun. Darüber ärgerten sich spätestens in den 1920er Jahren jene Autoren, die den Krimi dorthin verlagerten, wo er sich realiter abspielte. Liebe, Hass, Geldgier: Dies waren die Primärursachen für Taten, die eben keine blutleeren Leichen als Objekt gelinden Schreckens zurückließen. Morde waren schmutzig, schmerzhaft und sicher nicht raffiniert.

Der Erste Weltkrieg setzte altmodischen Wertvorstellungen ein Ende. Auf den Schlachtfeldern hatten sich Menschen in Millionenzahl abgeschlachtet. Gleichzeitig begann sich das Verbrechen zu organisieren. Diese Banden verteidigten ihre Pfründen mit offener Gewalt. Der Gentleman-Ermittler verschwand zwar nicht von der kulturellen Bildfläche, aber er musste sie sich mit dem hartgesottenen „sleuth“ teilen, der kein Problem damit hatte, im Dienst der Sache ebenso falsch und schmutzig zu spielen wie seine kriminellen Gegner.

Billige, schmuddelige, herrliche Welten

Wie immer reagierte die Populärkultur umgehend. Veränderter Publikumsgeschmack bedeutete neue Käufer für ein Produkt, das umgehend präsentiert wurde. Auf billiges Papier gedruckte „Pulp“-Magazine gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg, doch in den 1920er Jahren explodierte der Markt. Sämtliche Genres wurden von den Pulps bedient - und zwischen 1920 und 1951 mischte das „Black Mask Magazine“ mit.

Herbert Ruhm (1926-1995) fasst die Geschichte der Krimi-Pulps in einem fabelhaften Vorwort zusammen. Als er 1977 diese Sammlung zusammenstellte, wurden die Pulps gerade wiederentdeckt. Nachdem man sie viele Jahre als Sammelstelle für „Schund“ abgetan hatte, wurde endlich erkannt, was diese Magazine über Jahrzehnte für das Genre geleistet hatten. Gerade „Black Mask“ hatte Autoren veröffentlicht, die später zu den gefeierten Klassikern zählten. Dashiell Hammett (1894-1961) und Raymond Chandler (1888-1959) - beide hier vertreten - genossen sogar die Gunst der ‚echten‘ Literaturkritik, doch außerhalb intellektuelloider Bauchpinselei gab es viele weitere Schriftsteller, die ähnlich qualitätvoll schrieben.

Im Zentrum dieser Storys steht nicht das geschliffene Wort. Die Sprache ist betont einfach, das Tempo hoch. Gefühle gelten als Schwäche und werden deshalb als Instrument missbraucht oder sorgfältig gehütet, um dem Gegner keinen Trumpf in die Hände zu spielen. Der Ermittler ist ehrlich und allein sich selbst treu; ein einsamer Wolf, der nur darin seine Belohnung findet, wenn er der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft, aber pleite, verletzt und einsam zurückbleibt, wie George Harmon Coxe (1901-1984) es bittersüß verdeutlicht. Pläne laufen schief, begangene Fehler werden mit der Waffe ‚geregelt‘. Selten geht es ohne Opfer ab, wobei Unschuldige als ‚Kollateralschaden‘ die Drastik der Ereignisse unterstreichen.

Der Gute, die Bösen, die Frau

Schon Carroll John Daly (1889-1958) brachte es 1922 auf den Punkt: Sein ‚Held‘ ist noch kein Privatdetektiv im notorisch verstaubten Büro, sondern ein „Glücksritter“, aber schon auf den Auftrag konzentriert und unbestechlich, auch wenn er sich dafür Prügel, polizeiliches Misstrauen und Todesgefahr einhandelt. Norbert Davis (1909-1949) gelingt das Kunststück, diese durchaus ritterliche Haltung zu betonen, obwohl sein Detektiv tief im Dreck der gar nicht edlen „Traumfabrik“ Hollywood wühlt, wenn das Honorar stimmt. Frederick Nebel (1903-1967) stellt uns einen Mann vor, der buchstäblich am Boden liegt, aber auch gehetzt und betrunken der bessere Ermittler ist, weil für ihn die Jagd nach der Wahrheit über dem Ruf, der Karriere oder einem gesicherten Einkommen steht.

Lester Dent (1904-1959) ist heute vor allem als Schöpfer des Quasi-Supermanns Doc Savage bekannt, den er durch eine endlose Serie herrlich grotesker Abenteuer scheuchte. Dass Dent mehr konnte, wenn man ihn ließ, demonstriert er mit einer Story, die nicht nur spannend ist, sondern vor dem Hintergrund eines hereinbrechenden Tropensturms zusätzlich an Schwung gewinnt. Der Reiz einer gefährlichen, verachteten und schlecht bezahlten Tätigkeit liegt für den Detektiv in der Freiheit einer selbstbestimmten Tätigkeit - und im weiterhin wichtigen Wettstreit mit dem Gegner, obwohl von ‚fair play‘ wie gesagt keine Rede mehr sein kann, wie auch Erle Stanley Gardner (1889-1970) in einer Story abseits seiner Romane um den Rechtsanwalt Perry Mason hervorhebt.

Erst recht düster geht es zu, wenn kein Detektiv aktiv wird. Paul W. Fairman (1916-1977) beschreibt betont nüchtern, wie ein Gauner-Novize seine Lektion lernt: Mord ist ein Geschäft, in dem nur Dummköpfe nach einem Ruhm fischen, der sie umbringen wird. „Curt Hamlin“ (ein Pseudonym, unter dem mehrere Autoren schrieben, die nur zum Teil identifiziert werden konnten) und Bruno Fischer (1908-1992) erzählen vom kriminellen Irrsinn, der über brave Bürger kommt und (nicht nur) deren Leben zerstört. William Brandon (1914-2002) kann dem eine humorvolle Seite abgewinnen, bleibt aber dem Genre treu, da der ‚Triumph‘ des Helden auf kriminellem Handeln basiert.

Das Frauenbild der Pulp-Ära treibt jenseits der aktuellen Wokeness-Toleranzgrenzen sehr spezielle Blüten. Die „Jungfrau in Not“ verblasst gegenüber der „Femme fatale“, die schön, klug und eiskalt wie eine Spinne willensschwache, geile Männer umgarnt und ins Verderben lockt, weshalb es durchaus konsequent ist, dass so manche schwarze Lady ein ‚gerechter‘ Gewalttod ereilt.

Anmerkung: Diese Sammlung leidet wieder einmal unter dem Würgegriff der lange typischen Seitennormierung: Da deutsche Krimi-Leser nach Ansicht von Verlags-‚Experten‘ nur für eine höchstens 320 Seiten zählende Storysammlung Geld ausgeben würden, ließ man die in der Originalausgabe enthaltenen Erzählungen „The Road Home“ (von Peter Collinson = Dashiell Hammett) und „The Turkey Buzzard Blues” (von Merle Constiner) einfach unter den Tisch fallen.

Fazit

Die im kundigen Vorwort angekündigte Qualität dieser steinalten Krimi-Storys teilt sich auch im 21. Jahrhundert problemlos mit: Ohne Zuckerguss verliert sich Bosheit offenbar nicht, sondern altert kraftvoll und niederträchtig.

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Herbert Ruhm, Goldmann

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