Schatten der Vergangenheit
- Tropen
- Erschienen: Juli 2022
- 3
- Ein Fall für Commissario Casabona
- Übersetzung: Ingrid Ickler
- Originaltitel: "La stagione del fango"
- Taschenbuch
- 240 Seiten
Überzeugender Kriminalroman mit einem starken Ermittler
Es könnte gerade kaum schlechter für Commissario Casabona, dem Chef der Squarda Mobile von Valdenza, laufen: Seine Frau hat ihn vor einiger Zeit für einen Neuen verlassen, er schläft kaum noch und findet keine Ruhe. Um seine Gedanken zu betäuben, trinkt der Kommissar. Und dann stehen auch noch eines Morgens die Kollegen mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Tür. Casabona wird dringend verdächtigt, den Liebhaber seiner Frau getötet haben. Der Kommissar entzieht sich aber seiner Festnahme. Er weiß, dass er nur als freier Mann seine Unschuld beweisen kann. Eine Frage kreist nun ständig durch seinen Kopf: Wer will ihm einen Mord anhängen?
Kampf gegen Mafia
Während die Anti-Mafia-Abteilung der Florentiner Polizei Jagd auf den tatverdächtigen Kommissar macht, erhält dieser unerwartet und im Geheimen Unterstützung durch sein Team aus Valdenza. Casabona erfährt, dass ein ehemaliges Mitglied der Mafia, das im Gefängnis einsitzt, ihn belasten soll. Und tatsächlich: Einer der großen Bosse der neapolitanischen Camorra bestätigt diesen Verdacht. Der Commissario soll in ein Komplott verwickelt werden. Aber warum? Casabona muss erkennen, dass die Schatten der Vergangenheit bis in die Gegenwart reichen.
Forensiker als Krimi-Autor
Antonio Fusco, geboren 1964 in Neapel, ist Forensiker bei der italienischen Staatspolizei. Nach seinem Abschluss in Rechts- und Verwaltungswissenschaften beschäftigt er sich seit 2000 mit kriminalpolizeilichen Fällen in der Toscana. 2014 erschien mit „Ogni giorno ha il suo male“ der erste Band der Tommaso-Casabona-Reihe, die in Italien sowohl bei Kritikern als auch beim Publikum ein großer Erfolg ist. Mittlerweile sind sechs Romane um den toskanischen Ermittler erschienen. Mit „Schatten der Vergangenheit“ veröffentlicht Tropen als Imprint des Stuttgarter Klett-Cotta-Verlags erstmalig einen Band in deutscher Übersetzung, allerdings den sechsten Teil der Reihe. In Italien erscheint seit 2021 bereits eine zweite Krimi-Reihe des Autors um Inspektor Massimo Valeri.
Liebe zur Heimat
Commissario Tommaso Casabona ist so etwas wie das Alter Ego des Forensikers Antonio Fusco. Der Autor lässt dabei nicht nur seine Erfahrungen als Polizist in seine Romane einfließen. Im Mittelpunkt steht ebenso sein Wohnort Pistoia, der im Roman Valdenza genannt wird, der seit 15 Jahren auch sein Arbeitsplatz ist. Die toskanische Stadt, rund dreißig Kilometer von Florenz entfernt, war 2017 Kulturhauptstadt Italiens. So nimmt Fusco seine Leser in den einzelnen Bänden auch immer mit auf eine Tour durch seine Stadt, deren verborgene Ecken und Schönheiten er ebenso kennt wie sein Commissario, auch wenn dieser gesteht, dass Neapel - Fuscos Geburtsort und jahrelange Heimat - der einzige Ort ist, an dem er sich wirklich zuhause fühlt.
An der Grenze
Tommaso Casabona ist ein interessanter Ermittlertyp. Auch wenn er durch und durch Polizist ist und sich der Wahrheit und dem Recht verpflichtet fühlt, wandelt er schon einmal an der Grenze zum Verbotenen, wenn er sich zum Beispiel mit dem Kopf eines Camorra-Clans trifft, weil er dessen Hilfe benötigt. Casabona hat Glück, auf der richtigen Seite des Gesetzes zu stehen, dies wird ihm stets bewusst, wenn er in seine Heimatstadt Neapel zurückkehrt:
„Hier war ich ein Nichts gewesen, so wie viele andere auch. Und dann hatte uns das Leben geteilt, in Wächter und Diebe, in Täter und Opfer. In Dreckskerle und Gentlemen. Jedes Mal, wenn ich hierher zurückkomme, versuche ich zu verstehen, warum ich zu den einen und nicht zu den anderen gehöre, und ich finde nie eine überzeugende Antwort.“
Seine Vergangenheit hat Casabona geprägt. Dies mag auch der Grund sein, warum der Commissario stets respektvoll mit allen umgeht, selbst mit seinen Feinden. Im Bewusstsein, dass alle gleich sind, nur eben das Resultat unterschiedlicher Möglichkeiten.
True-Crime-Elemente
Der sechste Band der Commissario-Casabona-Reihe nimmt inhaltlich indirekt Bezug auf einen der größten Skandale der italienischen Justiz. Der damals bekannte Fernsehmoderator Enzo Tortora wurde 1983 verhaftet. Ihm wurde Drogenhandel vorgeworfen und unterstellt, Teil der Camorra zu sein, nachdem mehrere „Pentiti“ (ehemalige Kriminelle, die mit der Regierung zusammenarbeiten) der „Nuova Camorra Organizzata“ ihm gegenüber falsche Anschuldigungen vorgebracht hatten.
Ebenso wie Tortora wird Commissario Casabona im Roman zum Justizopfer. Auch wenn die Beweislage mehr als dünn ist, versucht die Anti-Mafia-Einheit alles, ihn als Täter dastehen zu lassen. Das Problem: Bereits bevor der im Gefängnis sitzende „Pentiti“ Casabona des Mordes bezichtigt, gab er wertvolle Informationen an die Regierung weiter und nahm sogar Morde auf sich. Ein großer Erfolg für die Polizei. Wären seine Aussagen bezogen auf die Täterschaft Casabonas nun aber unglaubwürdig, müsste man auch alle anderen Aussagen anzweifeln. Und dies soll mit allen Mitteln verhindert werden.
Fazit
Im Roman passt nahezu alles: Ein authentischer Ermittler, eine packende Story und mit Antonio Fusco ein Autor, der als Kommissar weiß, wovon er schreibt. Darüber hinaus überzeugt er mit einem prägnanten, schnörkellosen Schreibstil und einer nahezu greifbaren Atmosphäre. Es bleibt zu hoffen, dass der Verlag bald auch die ersten Bände der italienischen Reihe veröffentlicht.
Antonio Fusco, Tropen
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