Die Krimi-Ladys von Dedley End
- Goldmann
- Erschienen: Oktober 2022
- 1
Viel Cozy, kaum Krimi
Victoria Walters ist in Deutschland bisher kaum bekannt, ist doch „Die Krimi-Ladys von Dedley End“ ihr Debüt auf Deutsch. Doch in Großbritannien hat sie sich unter der entsprechenden Leserschaft mit ihrer „Feel Good Romatic“-Serie rund um Glendale Hall einen Namen gemacht. Jetzt entführt sie uns in die weihnachtlichen Cotswolds und verbindet erstmals einen Kriminalfall und eine reiche Familie in hochherrschaftlichem Anwesen mit einer Liebesromanze in ganz viel kuscheliger Atmosphäre.
Die Zutaten stimmen
Obwohl das Geschehen in der Gegenwart stattfindet, fühlt man sich in die Zeit der Agatha-Christie-Romane versetzt. Wie die großartige Vorgängerin mischt auch Victoria Walters die üblichen Zutaten für Cozy-Crime-Romane zu einem heimeligen Ganzen: ein Herrenhaus mit dazugehöriger reicher Familie; ein Mord ebendort; eine kleine Buchhandlung mit entsprechendem Flair und dazugehörigem Hund; zwischenmenschlichen Problemen und natürlich jede Menge Tee, Kaminfeuer und winterlich frostig-verschneiter Witterung. Doch es zeigt sich, dass die besten Zutaten nicht fruchten, wenn das Rezept nicht stimmt.
Weniger wäre mehr gewesen
Auch wenn Walters kein Neuling in Sachen Schreiben ist, begeht sie den typischen Anfängerfehler das Motto „show don‘t tell“ nicht zu beherzigen. In unendlich langen Erklärungen und einem nie endenden Infodump beschreibt sie, was anhand eines Erlebens durch die Figuren wesentlich kürzer und vor allem spannender gewesen wäre. So aber muss man sich ellenlange Beschreibungen antun, die dazu in Abwandlung wiederholt werden und das, ohne die Handlung im Mindesten voranzutreiben. So wird die Zubereitung jeder Tasse Tee beschrieben, jede Mahlzeit zelebriert und das simple Aussuchen eines Kleides zur Mammutaufgabe. Selbst der Schreibstil macht in seiner Einfachheit hier eifrig mit, was vielleicht auch an der etwas holprigen Übersetzung liegen mag. Jedenfalls scheint die Sprachkompetenz ziemlich auf der Strecke geblieben zu sein, denn von Gewandtheit im Sprachgebrauch kann wahrlich keine Rede sein – muss es in einem Cozy-Krimi auch nicht unbedingt, doch ich kann jedenfalls „Wirbelwindromanze“ und „Beagle Charlie“ (warum ist eigentlich eine Katze auf dem Cover?) nicht mehr hören! Wenn dann eine der Protagonistinnen auch noch als „Oma“ deklariert im Geschehen mitmischt, obwohl sie Jane heißt und manchmal auch als diese agiert, ist bei mir der Lesespaß fast schon vorbei.
Atmosphäre toppt Spannung
Schon durch die Langatmigkeit wird die Spannung fast komplett verhindert. Das hätte lediglich durch einen ausgeklügelten und wechslungsreichen Plot noch aufgefangen werden können. Doch auch hier – Fehlanzeige. Eine Liebesromanze, die völlig unnötig ist, windet sich durch ein Geschehen, das konstruiert wirkt und zum Schluss auch ziemlich unglaubwürdig wird. Lediglich die Atmosphäre bringt dem Krimi ein paar Pluspunkte ein, wobei auch hier ordentlich in den Klischeetopf gegriffen wurde. Doch Herrenhaus mit skurriler Familie, eine allzu pittoreske Buchhandlung und überhaupt die ganze Wohligkeit der Cotswolds, ja selbst das Dinner im Ritz in London, verzeiht man zugunsten der Atmosphäre der Autorin. Wenn es dann pünktlich zum Weihnachtsfest auch noch schneit, ist die Romantik perfekt und man kann sich so wunderbar in eine Idylle weit ab der Wirklichkeit träumen – selbst, wenn es einen Mord aufzuklären gilt.
Figuren sind wenig überzeugend
In den Figurenzeichnungen belässt es Walters bei Klischeehaftem. Von der liebenden Großmutter über den bemühten Lokaljournalisten bis hin zur tatkräftigen Hobbydetektivin Nancy halten die Charaktere keine Überraschung parat. Als Lichtblick kann hier allerdings gesehen werden, dass Nancy nie als arrogante Besserwisserin der Polizei zeigt, wo es wie weiter gehen soll. Das Konglomerat der Personen passt allerdings in die Mischung eines Cozy-Krimis, der auf komplizierte Charaktere verzichten kann und lieber die liebenswürdigen und skurrilen zeigt.
Fazit
Ein Cozy-Krimi, der zwar viel Atmosphäre bietet, dessen Plot und Charaktere allerdings wahrscheinlich nur absolute Fans dieses Genres überzeugen können. Vielleicht schafft Victoria Walters es, sich im zweiten Teil der Serie, der sich im Schluss schon ankündigt, mehr auf Spannung und Abwechslung im Geschehen zu konzentrieren. Dann dürfte Deadly End mit seinen Bewohnern auch für eine weniger eingefleischte Cozy-Krimi-Leserschaft interessant werden.
Victoria Walters, Goldmann
Deine Meinung zu »Die Krimi-Ladys von Dedley End«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!