Bullet Train
- Hoffmann und Campe
- Erschienen: April 2022
- 9
Originell, rasant und wahnsinnig komisch
Fünf Killer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sitzen zusammen mit dem Opfer einer Entführung und einem Koffer voller Geld im japanischen Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen auf dem Weg nach Morioka. Dort erwartet sie Minegeshi Senior, einer der gefährlichsten Unterweltbosse Tokios. Und wie könnte es anders sein: Zuerst kommt der Koffer abhanden, dann verstirbt auch noch das Entführungsopfer auf mysteriöse Weise. Die Reise wird zu einer mit aberwitzigen Dialogen gespickten Bahnfahrt, an deren Ende nur einer den Zug verlassen wird. Während ihrer gemeinsamen Fahrt kommen sich die Ganoven selbstverständlich gegenseitig in die Quere, denn jeder hat seinen ganz speziellen Auftrag.
Hochexplosive Mischung
Kurz zuvor hat das ungleiche Killerpaar Tangerine und Lemon den Sohn des Unterweltbosses, Minegeshi Junior, von seinen Entführern befreit. Zusammen mit dem Lösegeld sollen sie ihn nun zu seinem Vater bringen. Gleichzeitig erhält Nanao, der selbsternannte „unglücklichste Attentäter der Welt“, telefonisch den Auftrag, den beiden Killern den Koffer mit dem Lösegeld abzunehmen und an der nächsten Station damit auszusteigen. Was nach einem einfachen Job klingt, endet im Chaos, denn Nanao ist der größte Pechvogel, den man sich vorstellen kann. Doch damit nicht genug. Der ehemalige Auftragskiller Yuichi Kimura ist ebenfalls im Zug, um seinen Sohn Wataru zu rächen. Dieser liegt seit Monaten im Koma, da er von einem Kaufhausdach gestoßen wurde. Verantwortlich hierfür ist der erst vierzehnjährige Schüler Satoshi Oji, der sich ebenfalls im Shinkansen befindet. Oji ist weitaus weniger harmlos, als man denken mag. Er versteht es nämlich exzellent, mit Hilfe seiner Cleverness, aber auch Kaltblütigkeit andere Menschen zu manipulieren. Bei dieser großen Anzahl an Gangstern, Ganoven und Psychopathen ist es fast logisch, dass es Tote geben muss. Aber wer wird am Ende das Spiel gewinnen?
Preisgekrönter Autor
Der vielfach ausgezeichnete Autor Kotaro Isaka gilt als einer der international erfolgreichsten japanischen Krimi-Autoren der Gegenwart. Nach seinem Abschluss an der juristischen Fakultät der Universität Tohoku arbeitete er zunächst als Systemingenieur. Nachdem Isaka im Jahr 2000 für seinen Debütroman den Shincho Mystery Club Prize gewann, widmet sich der Japaner ganz dem Schreiben.
Hierzulande ist Kotaro Isaka sicherlich nur Kennern der asiatischen Krimiszene bekannt, da bislang keine deutschen Übersetzungen seiner Romane vorliegen. Der nun bei Hoffmann & Campe erschienene Thriller „Bullet Train“ wurde in Japan bereits 2010 veröffentlicht. Dass der Roman gerade jetzt in Deutschland erscheint, ist sicherlich kein Zufall, da für 21.Juli 2022 bereits der Start des gleichnamigen Kinofilms mit Brad Pitt und Sandra Bullock angekündigt ist.
Von Mördern und Gejagten
Wenn man sich auf den skurrilen, aberwitzigen, zwischen Slapstick und Brutalität wechselnden Schreibstil des Autors einlässt, muss man von diesem genialen Roman restlos begeistert sein. Er erinnert in seiner Art der Inszenierung an bekannte Filme wie „Pulp Fiction“, „Kill Bill“ oder „Snatch“. Es ist dem famosen Erzählstil Isakas zu verdanken, dass der Roman nicht nur sehr clever konstruiert ist, sondern wie ein Film vor dem inneren Auge abläuft. Neben jeder Menge Action bietet „Bullet Train“ aber vor allem pointierte, vollkommen durchgeknallte Dialoge und eine Geschichte, die bis zum Schluss für Überraschungen gut ist. In der angespannten Atmosphäre der Zugwaggons versuchen die ambitionierten Killer nicht nur ihre Gegner zu identifizieren, sondern sie unschädlich zu machen und zu entsorgen - was in einem Zug schon reichlich Fantasie und eine gehörige Portion Kaltblütigkeit verlangt.
Dabei besitzen die Killer ihre ganz besonderen Eigenheiten. Während Tangerine als literaturaffiner Schöngeist auftritt, der äußerst planvoll agiert, wirkt sein Partner Lemon eher wie ein Kleinkind gefangen im Körper eines brutalen Killers. Ständig zitiert er aus seiner Lieblingszeichentrickserie „Thomas, die kleine Lokomotive und seine Freunde“. Was zunächst wie eine kindlich-naive Spielerei erscheint, ist letztendlich aber seine Art, Situationen und Menschen mit Hilfe der Serienfiguren und deren Verhalten einzuschätzen.
Auch die beiden Rivalen Kimura und Oji könnte unterschiedlicher kaum sein. Während sich der ehemalige Killer Yuichi für den Übergriff auf seinen Sohn rächen will, fehlt dem Psychopathen Oji jeglicher Grund für seine Brutalität. Gewalt und Mord faszinieren ihn einfach und lassen ihn dadurch zu einem verrückten Mörder werden.
Der glücklose Nanao, ein noch relativ unerfahrener Killer, scheint tatsächlich so etwas wie ein Gewissen zu haben. Sein charakteristischstes Merkmal ist aber das unfassbare Pech, das ihn im Laufe der Handlung begleitet. Auf recht unterhaltsame Weise wird man Zeuge der zahlreichen dramatischen und amüsanten Rückschläge, mit denen Nanao während der Fahrt zu kämpfen hat und die er mit Traurigkeit und einer gewissen Portion Fatalismus registriert.
Nicht zu vergessen sind die übrigen Fahrgäste, die ebenso Einfluss auf das Geschehen nehmen, sowie Nebenfiguren, die zwar nicht im Zug sitzen, aber ihren Teil zur Geschichte beitragen. Denn eines ist sicher: Niemand kann dem anderen trauen.
Fazit
Ein Hochgeschwindigkeitsroman voller Witz, Action und durchgeknallten Killern. Genau das Richtige für eine lange Zugfahrt, denn Sie werden das Buch nicht aus der Hand legen können. Eine verrückt-absurde Geschichte, die ebenso brutal wie unterhaltsam ist. Kurz gesagt: ein genialer Roman und ein unfassbar guter Autor.
Kataro Isaka, Hoffmann und Campe
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