Die Aosawa-Morde
- Atrium
- Erschienen: März 2022
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Für meinen Geschmack zu viel Kunst und zu wenig Krimi
An einem stürmischen Tag trifft sich die Familie Aosawa zu einer besonderen Feier: Drei Familienmitglieder haben an diesem Tag Geburtstag und so versammelt sich der ganze Clan mit einigen Nachbarn, um ein fröhliches Fest zu begehen. Alle freuen sich noch einmal mehr, als ein besonderer Glückwunsch eintrifft – eine Getränkelieferung, die einen edlen Saké und tolle Softdrinks für die Kinder enthält. Begeistert stößt die ganze Familie auf einen unvergesslichen Feiertag an. Kurz darauf winden sich alle schreiend und stöhnend auf dem Boden. Alle Getränke waren mit Zyanid vergiftet und für fast alle Gäste kommt jede Hilfe zu spät. Die einzige Überlebende ist die 12jährige Hisako und natürlich hofft die Polizei, dass das Kind ihnen bei ihren Ermittlungen weiter helfen kann. Aber Hisako ist blind und in der Welt der Sehenden kann sie nicht viel zur Lösung des Falls beitragen. Immerhin – nach dem Selbstmord des Getränkelieferanten und seinem Abschiedsbrief, in dem er sich der Tat bezichtigt, kommen die Ermittlungen zu einem – unbefriedigenden – Abschluss. Nicht alle aber glauben, dass der junge Mann tatsächlich der Täter war und so nehmen die späteren Untersuchungen einer Romanautorin zu dem Fall eine neue Brisanz auf.
Interviewsammlung als Roman
Die japanische Autorin Riku Onda hat ihren Roman ungewöhnlich aufgebaut: Sie lässt die Autorin Makiko Saiga, die zehn Jahre nach den Aosawa-Morden an einem Buch arbeitet, Gespräche mit verschiedenen Personen führen und diese Interviews als Transkript veröffentlichen. Für den Leser tut sich hier schon die erste Herausforderung auf, denn auch wenn jedes Interview einen eigenen Titel erhält, ist es doch seine Sache herauszufinden, dass überhaupt unterschiedliche Menschen zu Wort kommen, wer sie sind und wie sie mit den Morden in Verbindung standen. Unklar ist auch abschnittsweise, wer die Gespräche überhaupt moderiert und die gestellten Fragen werden nicht aufgeführt. Dazu kommt auch, dass nicht jeder unverzüglich zur Sache kommt, sondern auch gerne weitschweifig über das Wetter, die Landschaft oder die Stadt erzählt. Wer – so wie ich – nicht zu den allergeduldigsten Zeitgenossen gehört, der wünscht sich hier sicher manchmal ein größeres Tempo.
Zugegeben – ich tat mich ein wenig schwer…
Onda ist es abschnittsweise dennoch gelungen, eine dichte Atmosphäre und eine geschickt konstruierte Spannungskurve aufzubauen. Besonders empfand ich das im Interview des seinerzeit ermittelnden Polizisten. Er verfolgt gerne gemeinsam mit seiner Frau die Fälle des amerikanischen Inspektors Columbo und genau wie dieser „seine“ Mörder nach den ersten Sätzen ausmacht, so war er auch sicher herausgefunden zu haben, wer den siebzehnfachen Mord begangen hatte, konnte das aber anders - als sein berühmtes Vorbild - nicht beweisen. In seinem Interview berührte mich, wie die Autorin den Mordschauplatz aus einem einfachen Standort eines Verbrechens löst und selbst den erfahrenen Polizisten ein „erstickendes, jenseitiges Böses“ empfinden lässt.
Leider sind diese absoluten Spannungsmomente aber recht dünn gesät und der Roman gibt seine Geheimnisse nur zögerlich preis. Ehrlich gesagt, war mir bei der Lektüre auch nicht vollkommen klar, aus welchem Grund das Buch als „Kriminalroman“ bezeichnet wird. In verschiedenen Kapiteln weisen einige Indizien in eine bestimmte Richtung, letztendlich bleibt die eigentliche Auflösung aber aus. Für meinen Geschmack handelt es sich eher um einen Roman oder um ein japanisches Sittengemälde, in das auch ein Gewaltverbrechen eingebunden ist und weniger um einen Krimi im eigentlichen Sinne. Ich verstand auch einige Bilder nicht und als wieder und wieder die „Kräuselmyrte“ ins Feld geführt wurde, führte das bei mir eher dazu, zum Boykott sämtlicher „Kräuselmyrtenbäume“ – egal ob rot oder weiß – aufzurufen.
Fazit
Riku Onda hat ein kunstvolles Konstrukt über einen siebzehnfachen Mord geschaffen. Ob ein Mord mit dieser Opferzahl tatsächlich mit dem Begriff der „Kunst“ verbunden werden sollte, das ist die eine Frage, die andere Frage ist, ob hier nicht sehr viel Kunst für einen Kriminalroman verwendet wurde. Für mich gesehen muss ich diese Frage bejahen – es wird aber viele Leser geben, die das vollkommen anders sehen….
Riku Onda, Atrium
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