Der Teufel von Dundee
- Goldmann
- Erschienen: Dezember 2022
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- Ein Fall für Frey und McGray 7
- Originaltitel: "The Sign of the Devil"
- Taschenbuch
- 550 Seiten
Endspurt auf der Spur des Bösen
Im Vorfrühling des Jahres 1890 arbeitet Ian Frey nicht mehr für die Polizei von Edinburgh. Bei seinem letzten Einsatz wurde er schwer verletzt und hat sich in seinen Landsitz außerhalb Schottlands zurückgezogen. Doch er muss zurückkehren, denn in Edinburgh steht Adolphus McGray mit dem Rücken zur Wand: Lady Anne Ardglass, seine erbitterte Feindin, will den endgültigen Untergang der verhassten McGrays.
Die boshafte, gut vernetzte Intrigantin weiß genau, wo sie ansetzen muss: „Pansy“, McGrays geisteskranke Schwester, müsste ihr vergleichsweise behagliches ‚Heim‘ gegen eine düstere, schmutzige Irrenanstalt tauschen, könnte man ihr vor dem Gesetz gefährliche Mordlust unterstellen.
Gerade jetzt kommt es in der Anstalt zu einem grausamen Mord. Pansy steht unter Verdacht, der von Lady Annes korruptem Anwalt Pratt planmäßig geschürt wird. An eine Wand wurde ein Graffiti geschmiert, das eine Teufelsfratze zeigt - eine Steilvorlage für die Presse, die den Druck auf die Polizei zusätzlich steigert. Auch sonst kommt es zu Indiz-Manipulationen, die auf Pansys Schuld hinweisen sollen.
Im Wettlauf mit der Zeit versuchen McGray und Frey das Spinnennetz zu zerreißen. Dabei stoßen sie auf ein ausgeklügeltes System organisierten Grabraubes, über das sich die medizinische Fakultät mit Sezier-‚Objekten‘ versorgt. Da auch hier - dieses Mal als Hautmal im Gesicht einer geraubten Leiche - das erwähnte Teufelsmal auftaucht, gehen sie von einer Verbindung zum Mord in der Anstalt aus. Ihre Ermittlungen sorgen für Unruhe, bis eine finale Konfrontation ansteht, die nicht nur für spektakuläre Überraschungen sorgen, sondern auch zahlreiche Opfer fordern wird …
Am Ende einer langen Jagd
Über sieben seitenstarke Bände verläuft der zentrale Handlungsbogen, den Oscar de Muriel nun zu seinem Ende führt. Schon einleitend sei anerkannt, dass ihm dies gelingt. Ungeachtet mancher Abschweifung hat er das Ziel nicht aus den Augen verloren - eine echte Leistung (für die er sich in einem Nachwort selbst ein wenig auf die Schulter klopft), zumal einem auf Anhieb viel zu viele Autor/inn/en einfallen, denen dies nicht einmal innerhalb eines einzigen Buches gelingt …
Immer wieder hat de Muriel Hinweise darauf eingestreut, dass sich hinter dem tragischen Mord an Adolphus McGrays Eltern, begangen von der jüngeren Schwester, eine ganz andere Geschichte verbirgt. Stück für Stück wurde sie enthüllt - scheinbar, denn wie jeder gute Schriftsteller stellt de Muriel zur Disposition, was sich seine Leser zusammengereimt haben, indem er die Vorzeichen nun gänzlich anders deutet. Man stellt fest, dass ihm auch dies glückt: Der finale Höhepunkt ist eine wilde Jagd, in deren Verlauf sämtliche Mysterien gelüftet werden. Das geschieht nicht in gemütlicher Runde und in Anwesenheit sämtlicher Hauptfiguren, sondern wird in eine rasante, buchstäblich explosive Handlung eingebettet, die noch einmal unterstreicht, dass diese Serie keine Krimi-Gemütlichkeit im historischen Ambiente bietet, sondern Elemente des Action-Genres sowie des Horrors unbedingt einschließt.
Edinburgh stellt sich unter de Muriels Feder als unwirtlicher Ort dar. Wiederum ist das Wetter kalt, nass und auch sonst fürchterlich. Immer wieder verschlägt es unsere Protagonisten auf Friedhöfe, in Leichenhallen und Seziersäle, Irrenanstalten und Ruinen. Selbst Wohnungen und Hotelzimmer wirken ungemütlich. Die Menschlichkeit erreicht ebenfalls kaum Plusgrade. Ende des 19. Jahrhunderts ist England keine Heimat. Elend und Not einer vernachlässigten, rechtlosen Unterschicht werden politisch und gesellschaftlich höchstens dann registriert, wenn sich Widerstand ‚von unten‘ rührt. Darauf reagiert man mit obrigkeitlicher Gewalt, weshalb vor allem Ian Frey sich als offensichtliches Mitglied der verhassten Oberschicht nur vorsichtig in bestimmte Stadtteile wagen kann.
Geld und Macht ohne Maske
Die brutale Gier der oberen Stände projiziert de Muriel abermals ungefiltert auf Lady Anne Ardglass, die sich als Frau ihre Nische erkämpft hat, indem sie jegliche Rücksicht fahren ließ. Nun ist sie eine verbitterte, alte, trunksüchtige Frau, die mit weiterem, längst nutzlosem Raffen sowie als Intrigantin ihre Tage verbringt. Zusätzlich angefacht wird ihr Zorn durch die Beschädigung der Familienehre. Der Ruf ist in dieser Gesellschaft noch wichtiger als das Geld. Wird er beschädigt, stürzt er nicht nur die Betroffenen, sondern auch ihre Angehörigen in ein Verderben, das Generationen überdauert und besagte Familie isoliert. So ist es den McGrays ergangen, die dabei die Ardglasses mitzuziehen drohten. Die vertuschte Wahrheit ist so brisant, dass Lady Anne seither alles daran setzt, Zeugen und Unterlagen vom Erdboden zu tilgen - ein Motiv, das sich mehr und mehr als Treibriemen des Gesamtgeschehens entpuppt.
In den Hintergrund gerät jener Subplot, der sich um die Existenz moderner „Hexen“ rankt, die im Hintergrund die Geschicke des Landes mitbestimmen und sogar Queen Victoria auf ihre Seite gezogen haben. In diesem letzten Band geht rückt die Fehde zwischen den Ardglasses und den McGrays in den Fokus.
Ian Frey ist als Gentle- = Ehrenmann und Freund von Adolphus McGray verpflichtet, diesem zur Seite zu stehen, obwohl er Edinburgh verlassen hat, wenn die Handlung einsetzt. Frey muss dafür ‚büßen‘, denn sein Status als Mitglied der Oberschicht beschert ihm wie bereits erwähnt Probleme, Ablehnung und schließlich Lebensgefahr. Er ist und bleibt ein Außenstehender in Edinburgh und vom gesellschaftlichen Leben ebenso ausgeschlossen wie McGray. Hinzu kommt die Entdeckung, dass die ehrenwert unterdrückte Liebe zur ‚guten Hexe‘ Caroline Ardglass unerwidert bleiben wird; McGray ist ihm zuvorgekommen.
Ende der Fahnenstange
Abermals spart der Verfasser nicht mit drastischen Effekten und generiert u. a. eine Nebenhandlung, die sich um modernen Grabraub dreht und die wahre Geschichte von Burke & Hare aufgreift, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Edinburgh auf die naheliegende Idee kamen, dass es die Arbeit erleichtert, wenn man die Leichen selbst produziert, statt sie umständlich auszugraben, Schock und Splatter dienen de Muriel als Aufhänger; sarkastisch nutzt er sie, um die Schattenseiten der zeitgenössischen Gesellschaft zu unterstreichen.
Im Finale dreht de Muriel noch einmal auf. Nachdem die Vorgängerbände hier und da Durchhänger aufwiesen, hält er dieses Mal den roten Faden fest in der Hand. Es gibt viel zu erklären, was erfreulicherweise nicht wortreich geschieht, sondern Teil des Geschehens ist. Dennoch ist es gut, dass es vorbei ist. Man ist man nicht froh darüber, sondern ein wenig traurig. So sollte es sein - und zu guter Letzt sorgt de Muriel ohnehin dafür, dass McGray und Frey neue Fälle lösen könnten!
Fazit
Der siebte und letzte Band der Frey/McGray-Serie führt die losen Enden des Zentralplot gelungen zusammen. Die Handlung steuert rasant einem furiosen Finale entgegen, in dem kein Geheimnis ungelüftet bleibt - ein würdiger Abschluss, der zufriedenstellt.
Oscar de Muriel, Goldmann
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