Der Kaiser von Amerika
- Goldmann
- Erschienen: Januar 1995
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Im Würgegriff eines erzbösen Welt-Feindes
In New York City treibt die unheimliche „Zonenbande“ ihr Unwesen. Jenseits der unterweltüblichen, auf illegalen Gelderwerb gerichteten Gaunereien liegt ihr Ziel in der Destabilisierung und schließlich Zerstörung der öffentlichen Ordnung. Zwar kennen die Führer der westlichen und in diesen Tagen einzig gerechten Welt - USA und Großbritannien - die Gefahr, können aber trotz intensiver Bemühungen den Rädelsführer - die unter einer grausigen Maske verborgene „Hauptzentrale“ - nicht identifizieren. Die Bande verfügt über ein dicht geknüpftes Netz aus Spitzeln und Meuchelmördern. Ausgeklügelte Hightech ermöglicht das Abhören selbst abgeschirmter Telefone.
An Bord des Passagierdampfers „Ruritania“ ist der junge Schiffsarzt und Abenteurer Dr. Stopford in New York eingetroffen. Dort ist ein alter Freund, Kapitän Drake Roscoe, für den britischen Geheimdienst im Kampf gegen die „Zonenbande“, doch sämtliche Trümpfe scheinen im Ärmel des stets informierten Feindes zu stecken.
Die schöne Fée Czerna wurde zur ‚Arbeit‘ für die „Zonenbande“ erpresst. Gern würde ihre Freiheit zurückgewinnen; auch hat sie sich in den stattlichen Stopford verguckt. Doch wer einmal in die Fänge der Organisation geraten ist, darf sie lebend nicht mehr verlassen. Wie Hamster in ihren Rädern drehen sich die Verfolger stets im Kreis, aber Roscoe und Stopford bleiben der Bande trotz ständiger Rückschläge hartnäckig auf den Fersen …
Alles Böse kommt aus dem Nicht-Westen
Für Sax Rohmer - eigentlich Arthur Henry Ward (1887-1959) - war die Welt ein übersichtliches Spielfeld: Auf der einen Seite standen die „Guten“, die primär britischer Herkunft waren und über ein Weltreich herrschten, das harte, aber gerechte Führung benötigte. An ihrer Seite durften die US-amerikanischen Ex-Rebellen Hilfestellung leisten. Rohmer konnte die realpolitischen Machtverhältnisse seiner Zeit nicht ignorieren, und Angelsachsen waren die Nordamerikaner irgendwie auch.
Umgeben waren die von Gott auserwählten Weltenlenker von den Mächten des Bösen, wobei Rohmer diese publikumswirksam vor allem in Asien verortete, obwohl er wie im hier vorgestellten Roman auch Südamerikaner oder Südeuropäer als degenerierte Weichlinge und geborene Verbrecher brandmarkte. Damit vertrat Rohmer eine vor und nach dem Ersten Weltkrieg von rassistischen Vorurteilen getragene Sicht, die u. a. vor einer „Gelben Gefahr“ aus China warnte. Orientalische Genie-Teufel mit Schlitzaugen und Krallen-Fingernägeln schmiedeten demnach finstere Pläne zur Unterwerfung der westlichen Welt, welche stets heimlich, heimtückisch und unter Einsatz offener Sadismen zur Ausführung kamen.
Rohmer setzte der trivialkulturellen Ausbeutung einschlägiger Klischees die Krone auf, als er 1913 Dr. Fu-Manchu auf die Welt losließ. Der abgrundtief böse Meister der Intrige ging umgehend in Serie und wurde zu einem modernen Mythos, der auch den Film eroberte. Mehr als vier Jahrzehnte legte Rohmer Fu-Manchu-Storys nach. Eine schlüpfrige Variante stellten seine „Sumuru“-Romane dar, in denen er nicht nur finstere, sondern auch geil-verderbte Ost-Teufelinnen präsentierte.
Ein Profi bleibt bei seinem Leisten
Rohmer war kein ‚guter‘, aber ein erfolgreicher Autor, der sehr genau wusste, wo er sein Publikum fand. Wer in der zeitgenössischen Trivialkultur sein Auskommen finden wollte, musste einerseits schnell schreiben und andererseits Aufmerksamkeit erregen. Die lustvolle Nähe zu jener Grenze, die eine strenge Zensur zwischen Duldung und Anstößigkeit zog, gehörte zu diesem Spiel. Weniger bis gar nicht wichtig waren hingegen Stil und Wortschatz. (Dies steigert in unserem Fall eine von der Zeit eingeholte Übersetzung, die u. a. zu diesem ‚Gefühlsausbruch‘ unter gerührten Männern führt: „Sie würdiger Pfadfinder! Sie gutes Ei!“ [S. 158])
„Der Kaiser von New York“ ist ein typisches Beispiel. Ursprünglich erschien das Garn 1927/28 in zwölf Fortsetzungen in „Collier’s Magazine“. Darin gründet die desolate Struktur des später veröffentlichen Romans: Der Spannungsbogen folgt den einstigen Episoden, die jeweils mit einem Cliffhanger endeten, der die Leser neugierig auf die Fortsetzung machen sollte. Die dafür auf die Spitze getriebene Handlung wurde aufgelöst, und die Spannungskurve sank, während der nächste aufregende Konflikt vorbereitet wurde.
Faktisch stellt „Der Kaiser von Amerika“ eine Reihe dürftig miteinander verklammerter Storys dar. Dies führt u. a. dazu, dass die angeblich so übermächtige „Hauptzentrale“ zwischenzeitlich in die Flucht geschlagen wird, um dann mit neuen Tücken (in die USA) zurückzukehren. Durchgängige Spannung kann auf diese Weise schwerlich aufkommen. Dies versucht Rohmer durch ‚atemlose‘ Action wettzumachen. „Der Kaiser von Amerika“ wird zu einem ‚Prä-Thriller‘. Stets geschieht etwas, stellen Gut und Böse einander Fallen. Natürlich scheitern diese Pläne, um das Geschehen über möglichst viele Seiten zu tragen.
Raffinierte Bosheit oder blinder Aktionismus?
Rasch zeigt sich die simple Machart. Rohmer sparte sich die Mühe, der Handlung nachträglich eine echte Romanform zu geben. Die zeitgenössischen Leser mögen sich damit zufriedengegeben haben. Auch heute setzt die Trivialunterhaltung auf die Gleichgültigkeit (oder Dummheit) ihres Publikums, aber die Ansprüche sind trotzdem gestiegen. Ein wenig mehr Raffinesse wird vorausgesetzt, um sich an der Nase herumführen zu lassen!
Dies schließt die Figurenzeichnung ein. Einst muss ein blasierter, Monokel tragender ‚Held‘ wie Dr. Stopford seiner Rolle gerecht geworden sein. Heute wirkt er wie seine eigene Karikatur. Dazu passen ‚Personen‘ wie Kapitän Roscoe, der britische Rechtschaffenheit förmlich ausschwitzt sowie in immer neuen (und stets unglaubwürdigen) Masken der „Hauptzentrale“ hinterhersetzt. Madame Czerna ist die tragische, trotz hoher Stellung in der „Zonenbande“ (in jeder Hinsicht) ‚unschuldige‘ Schönheit, die vom Helden gerettet (und geheiratet) werden muss.
Über allem schwebt wie die buchstäbliche Spinne im Netz ein Super-Schurke à la Dr. Mabuse, Fantomas oder Ernst Stavro Blofeld. Da Rohmer der „Hauptzentrale“ jegliche Menschlichkeit abspricht, entsteht jedoch nicht das Bild einer übermächtigen Bedrohung, sondern Langeweile. Was bleibt, ist eine gewisse Neugier: Wer steckt hinter der Maske, wer ist die „Hauptzentrale“?
Rohmer setzt ausschließlich auf Klischees. Heute profitiert er vom Nostalgiefaktor: Gerade, dass er so ungehemmt zeitgenössische Sichtweisen bzw. Vorurteile vertritt, zieht sein Machwerk (leicht) aus dem Sumpf. Aus „Der Kaiser von New York“ wird auf diese Weise ganz sicher kein Meisterwerk, doch die ungefilterte Naivität der Darstellung manövriert eine Kritik aus, die sonst dem Daumen steil nach unten senken müsste.
Fazit
Die Romanfassung eines zwölfteiligen Serien-Thrillers unterhält in erster Linie als Zeugnis historischer Trivialliteratur, während die Story eher trunkene als abenteuerliche Schlangenlinien fährt und Klischee-Figuren sich ein wenig zu plump in oft groteske Todesfallen locken lassen: auf krude Weise interessantes Beispiel für die Groschenhefte von einst.
Sax Rohmer, Goldmann
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