Wisting und die Stunde der Wahrheit
- Piper
- Erschienen: Februar 2022
- 4
Der Fall, mit dem alles begann
Polizist William Wisting ist auf dem Weg zu einer Veranstaltung, bei der die neuen Absolventen der Polizeihochschule zu ihrem bevorstehenden praktischen Jahr begrüßt werden, als er einen an ihn adressierten Briefumschlag erhält. Als er ihn öffnet, traut er seinen Augen nicht. Seine Gedanken wandern dreiunddreißig Jahre in die Vergangenheit und zu seinem allerersten Fall als Ermittler - ein Cold Case, der ihn nie losließ.
Spur in die Vergangenheit
Es ist das Jahr 1983. William Wisting, gerade Vater von Zwillingen geworden, ist ein ehrgeiziger junger Streifenpolizist und träumt davon, eines Tages als Ermittler bei der Mordkommission zu arbeiten. Während einer Nachtschicht verfolgt er zusammen mit dem Kollegen Per Haugen eine Gruppe Bankräuber, der aber die Flucht gelingt. Erfahrenere Kollegen übernehmen den Fall, Wisting soll sich lieber mit einem von Kugeln zerfetzten Oldtimer in einer baufälligen, vergessenen Scheune befassen. Wisting stürzt sich dennoch voller Eifer in die Ermittlungen – und bis auf diesen begabten Streifenpolizisten ahnt niemand, dass die beiden Fälle zusammenhängen.
Das Prequel zur erfolgreichen Cold-Case-Reihe
Mit „Wisting und die Stunde der Wahrheit“ wird endlich die Lücke zwischen der William-Wisting-Reihe, die beim Droemer Verlag erscheint und aktuell zum Teil neu aufgelegt wird, und der sich an Band zehn anschließenden Cold-Case-Serie des bekannten Ermittlers geschlossen, die beim Piper Verlag veröffentlicht wird. Der norwegische Bestsellerautor Jørn Lier Horst schrieb den nun erschienen Roman, in dem Wisting seinen ersten Fall bzw. Cold Case löst, bereits 2016. In der Romanreihenfolge der ungelösten Fälle wird dieser nun als Band 0 veröffentlicht.
Liebhaber der Wisting-Romane haben lange auf diesen Titel gewartet. Dabei werden sie gleich doppelt enttäuscht sein. Zwar weiß der Schreibstil des Autors wie gewohnt zu überzeugen, aber inhaltlich bietet das Prequel bis auf einige interessante familiäre und berufliche Einblicke in das Leben des junge Streifenpolizisten Wisting nichts Neues. Darüber hinaus wird der Roman zwar mit einem Umfang von 272 Seiten vom Verlag beworben, weist aber tatsächlich nur 223 Seiten auf. Der Rest ist eine längere Leseprobe zu Band 1 „Wisting und der Tag der Vermissten“.
Parallele Geschichten
Der Roman erzählt die Geschichte um einen Oldtimer, den Wisting zusammen mit Rupert Hansson, einen Bekannten von Wistings Frau Ingrid, in einer verfallenen Scheune findet. Rupert würde den alten Minerva von 1915 gerne kaufen, um ihn zu restaurieren. Da nicht festgestellt werden kann, wem der Wagen tatsächlich gehört, macht sich der junge Streifenpolizist auf die Suche nach dem Besitzer. Dabei kommt er auf die Spur eines mysteriösen Verbrechens in den 1920er Jahren, als er in der Scheune einen alten Rucksack und einen vergilbten Briefumschlag findet.
Während sich die Kollegen gleichzeitig an die Fersen der gesuchten Bankräuber heften, erkennt Wisting, dass beide Fälle irgendwie zusammenhängen müssen. Aber wer glaubt schon einem unerfahrenen Streifenpolizisten. Das Sympathische an der Wisting-Figur in den übrigen Romanen zeigt sich auch diesmal wieder: Der Ermittler ist ein wohltuend normaler Charakter, dem gute Ermittlungsarbeit wichtig ist, der aber auch nicht fehlerfrei ist. Da verwundert es nicht, dass ihm diesmal als junger Polizist ein Anfängerfehler unterläuft, der fatale Folgen hat.
Der junge Wisting
Der Roman plätschert für Jørn Lier Horst ungewöhnlich uninspiriert vor sich hin, was unter anderem am eher ungewöhnlichen Fall liegt. Interessant wird der Roman zum Ende hin, wenn Wistings Vorgesetzter Ove Dokken mit dem jungen Polizisten über die Möglichkeit spricht, dass nicht alle Fälle gelöst werden können: „Wir werden niemals alle Antworten bekommen. Ein paar ungeklärte Fragen wirst du immer mit dir herumschleppen müssen. Du musst einfach lernen, damit zu leben. […] Einige dieser Dinge werden dich immer mit in den Schlaf hinein verfolgen und nie loslassen. […] Aber daran musst du dich gewöhnen, wenn du als Ermittler arbeiten willst.“
Wer die Wisting-Reihe verfolgt, wird in diesen Worten genau den Polizisten bzw. Charakter wiedererkennen, der mittlerweile in 15 Fällen versucht, den Tätern das Handwerk zu legen.
Fazit
Mit dem Prequel der Cold-Case-Reihe um den Polizisten William Wisting gelingt Jørn Lier Horst ein solider, aber diesmal sicherlich kein herausragender Roman. Man darf aber nicht übersehen, dass die Reihe zunehmend an Qualität gewonnen hat und der aktuelle Roman bereits 2016 geschrieben wurde.
Jørn Lier Horst, Piper
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