Moses und das Schiff der Toten
- Atrium
- Erschienen: Februar 2019
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Ein Toter im Park und ein farbiger Hauptkommissar
Im Hamburger Lohmühlenpark wird ein nackter Toter auf einer Bank sitzend gefunden. Aus den Körperöffnungen dringen kleine, durchsichtige Würmer, die Kriminalhauptkommissar Moses, von schwarzer Hautfarbe und Ziehsohn einer Hamburger Reederfamilie, nach einiger Recherche als Glasaale, also die Larven ausgewachsener Aale, identifiziert. Auch eine arabische Tätowierung über dem Herzen des Toten gibt Rätsel auf. Und dann ist da noch die neue Kollegin Katja Hellwig, jung, unerfahren und gepierct, die ihm gegen seinen Willen von Kriminaldirektor Bonnekamp, seinem Vorgesetzten, aufgedrückt wird.
Eher widerwillig macht sich Moses an die Ermittlungen, hat er doch so seine eigenen Probleme. Seine Freundin Juliane will als Anthropologin für ein Jahr nach Papua-Neuguinea auf Forschungsreise gehen, ein Gedanke, der Moses ganz und gar nicht behagt. Schon bald stellt sich heraus, dass der Tote ein früherer Seemann war, der gemeinsam mit einem Travestie-Künstler einen Waschsalon auf St. Pauli besaß.
Alsbald führen weitere Spuren in die feine Hamburger Gesellschaft, zu den "Pfeffersäcken", in der Moses selbst aufgewachsen ist, wenn auch “nur“ als adoptierter Sohn. Schließlich führen seine Ermittlungen zu einer Importfirma, die u.a. lebende Fische importiert und mit deren Besitzerin ihn manches verbindet. Als er seine Ermittlungen schließlich bei Nacht und Nebel auf einem Schiff im Hamburger Hafen fortsetzt, gerät er gemeinsam mit seiner neuen Kollegin in akute Lebensgefahr.
Wenn schon Lokalkolorit, dann bitte korrekt
Die Geschichte hat eigentlich alles, was ein guter Regionalkrimi so braucht, seit Donna Leon dieses Genre groß gemacht hat: Einen Kommissar mit einer ungewöhnlichen Lebensgeschichte, den obligaten überheblichen Vorgesetzten und natürlich jede Menge Hamburger Lokalkolorit. Und dennoch vermag das alles nicht zu überzeugen. Sicher ist nichts dagegen einzuwenden, die Stadt Hamburg und ihre lokalen Besonderheiten als Akteurin im Hintergrund zu nutzen, denn das ist ja grad das Wesen des Regionalkrimis. Aber wenn man das macht, dann bitte richtig. So heißt der Innenminister in Hamburg nun einmal Innensenator und sein Ministerium heißt Innenbehörde, weshalb die zahlreichen Hinweise von Moses Vorgesetzten auf den „Minister“ am Anfang des Buches auch nicht dadurch verzeihlich werden, dass die Bezeichnungen später im Buch dann überraschenderweise stimmen. Nur ein schlampiges Lektorat? Wie dem auch sei, bei einem Krimi, der gerade das Lokale zum Teil der Geschichte macht, sollten solche Fakten schon stimmen.
Charaktere, Sprache und Plot überzeugen nicht
Aber das ist es nicht allein, was dieses Buch zu einer eher drögen Lektüre für Lokalpatrioten wie Auswärtige (in Hamburg Quiddjes genannt) macht: So ist die Idee, eine „person of colour“ zu einem Hamburger Kommissar zu machen, ja durchaus charmant, aber bei der Umsetzung hapert es leider. Dieser Kommissar mit seinen Maßklamotten und seiner überkorrekten Art wirkt eigentlich vor allem spießig. Dann aber geht er - wohl vor allem der Spannung willen - für sich und seine junge Mitarbeiterin überraschend und noch dazu völlig unnötig Risiken ein, die jedem echten Polizisten die sofortige Suspendierung, wenn nicht gar die Entfernung aus dem Dienst bescheren würden, und zwar vollkommen zu Recht. Da passt manches im Wesen der Hauptfigur nicht zusammen.
Auch die Sprache, vor allem in den Dialogen, wirkt oft hölzern oder aufgesetzt und wenig milieunah. Aber letztlich ist es vor allem der Plot, der nicht zu überzeugen vermag. Die Idee mit den Glasaalen ist gar nicht mal schlecht (und auch ein wenig eklig, also gänsehauterzeugend), aber dann eben nicht konsequent und nachvollziehbar zu Ende geführt. Die Geschichte hat einfach logische Lücken, so breit wie die Mönckebergstraße. Und so bleibt letztlich auch offen, warum die Mörder den Toten mitten auf einer Bank im Park platziert haben, anstatt ihn einfach - mit einem Gewicht beschwert - vom Schiff herunter in die Elbe zu entsorgen, was sicher mehr als nahe gelegen hätte und wo man den Toten wahrscheinlich nie gefunden hätte. Aber - nun ja - dann wäre ja kein Buch daraus geworden.
Fazit
Wer intelligente und spannende Lektüre mit Hamburg-Bezug sucht, der ist bei Boris Meyn oder auch bei Simone Buchholz und ihrer Heldin Chastity Riley um einiges besser bedient.
Ortwin Ramadan, Atrium
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