Blaues Herz

  • Wolfy-Office
  • Erschienen: November 2021
  • 1
Blaues Herz
Blaues Herz
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Malte Stamer
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2022

Start mit Hürden

Die Streaming-Dienste demokratisieren unzweifelhaft die Hörspielszene. Für wenig Geld stehen nahezu alle kommerziellen Hörspiele zur Verfügung. Der Nachteil dieser Demokratisierung ist, dass es kaum Möglichkeiten gibt, die guten von den schlechten zu unterscheiden. Für die Produzenten geht gelegentlich Masse vor Klasse.

Auch Wolfy-Office begibt sich nun mit hohem Aufwand und hoher Produktionsqualität in den Markt der Kriminalhörspiele.

Der Inhalt

Der pensionierte Kommissar Hans Berg macht sich im tiefsten Winter auf, um seine Frau in der Kur zu besuchen. Er hat das Gefühl, sie habe eine Affäre begonnen und muss nach dem Rechten sehen.

Trotz aller Wetterwarnungen setzt er sich ins Auto, um die lange Strecke zu bewältigen. Unterwegs wird er am späten Abend von einem massiven Wintereinbruch überrascht. Das Autoradio empfängt nicht mehr und zu allem Unglück macht auch noch eine Schneelawine die Weiterfahrt unmöglich. Berg steigt aus, um Hilfe zu suchen. Zu seiner Erleichterung sieht er ein großes blaues Herrenhaus und begibt sich dorthin.

Berg wird freundlich vom Hausmeister eines Mädcheninternats begrüßt. Allerdings kommen ihm sehr schnell einige Dinge unheimlich vor: Wieso ist dieses riesige, unheimliche Haus so leer? Was macht ein Internat abgeschieden von guten Telefonverbindungen und in the middle of nowhere? Im Internat befinden sich nur noch drei „übriggebliebene“ Mädchen und die Leiterin mit ihrem Hund. Berg möchte am liebsten weiterfahren, kann aber nicht weg und darf über Nacht bleiben.

Er bekommt das unheimlich wirkende Panoramazimmer und schlägt sich die Nacht um die Ohren, indem er durchs Haus schleicht und lauscht, was die anderen so treiben. Die Mädchen führen offensichtliche Zickenkriege und der Hausmeister scheut offenbar vor Affären mit den Schülerinnen nicht zurück. Richtig unheimlich wird es aber, als am frühen Morgen der Hausmeister ermordet vorgefunden wird. Abgeschnitten von der Außenwelt startet der Ruheständler wieder seine kriminalistische Arbeit.

Das Hörspiel

Die Dramaturgie entspricht einem alten bewährten Hörspielkonzept: überschaubare Handlung, nicht zu viele Akteure, Sympathieträger und ein wenig Spannung, gerne auch mit etwas Mystery. Zumindest in dieser ersten Episode ist die Anzahl möglicher Täter ja überschaubar wie in den closed-room-Krimis. Das Alles wird umrundet und begleitet von einer aufwändig produzierten, spannungssteigender Musik.

Die Stimmung des blauen Hauses spiegelt sich in der seltsamen Leiterin und dem janusköpfigen Hausmeister. Die pubertären Mädchen schwanken zwischen inniger Liebe,ernstem Zank und braver Regeltreue oder schlagen über die Stränge.

Die Sprecher machen einen soliden, guten Job, die Mädchen haben leider die typischen, schrillen Reklamejungmädchenstimmen. Da haben die Produzenten offenbar die Jugend als Zielgruppe im Visier, was sich auch an der teils ordinären Sprache („Was für eine Kacke“) erkennen lässt.

Wirklich spannend wird das Hörspiel erst in den letzten Minuten. Bis dahin gibt es einige schöne Hörszenen: Wie der Kommissar versucht, im Autoradio einen neuen Sender zu finden, die Internatsleiterin auf der Suche nach ihrem kläffenden Hund.  Oder die Dialoge der Mädchen, die sich um Lust auf oder Angst vor Sex drehen.

Hier hätte man aber deutlich kürzen können und inhaltlich das Spiel mehr vorantreiben müssen.

Der Autor sollte unterstützt werden, um inhaltliche Ungereimtheiten und Fehler bei dieser aufwändigen Produktion zu vermeiden. Jedenfalls macht das Hörspiel neugierig auf den zweiten Teil, der hoffentlich weniger dialoglastig ist und mehr Tempo hat. Wenn der Kommissar durch das Gebäude läuft und langatmig schildert, was er sieht, ist die Hilflosigkeit des Autors mit dem Medium Hörspiel greifbar

Marketing

Wolfy betreibt ein informatives Marketing. Auch wem das Hörspiel nicht gefällt, kann auf Youtube das Making-off mit Interviews der Mitwirkenden verfolgen und viel über Hörspielarbeit (auch unter Corona-Bedingungen) lernen. Warum das Hörspiel den Titel „Blaues Herz“ heißt, erschließt sich aus dem 1. Teil allerdings noch nicht.

Fazit

Das Hörspiel lässt sich schwer einordnen. Man hört, dass es mit viel Aufwand und Herzblut produziert wurde. Aber es ist nicht spannend genug für einen Krimi, nicht grauenhaft genug für Mystery. Etwas plump für erwachsene Hörer, zu langatmig für die junge Generation.

Blaues Herz

Thomas Plum, Wolfy-Office

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