Hard Feelings

  • Diogenes
  • Erschienen: Januar 2003
  • 7
  • New York: Vintage, 2002, Titel: 'Hard Feelings', Seiten: 245, Originalsprache
  • Zürich: Diogenes, 2003, Seiten: 298, Übersetzt: Bernhard Robben
  • Zürich: Diogenes, 2005, Seiten: 295
  • Zürich: Diogenes, 2008, Seiten: 298
Hard Feelings
Hard Feelings
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1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2003

Ich geb es gerne zu: Ein bisschen unmutig und skeptisch habe ich dieses kleine Büchlein von meinem kaum kleiner werdenden Bücherstapel gefischt. Wahrscheinlich hält mich dieses Elaborat nur von "wichtigerer" Lektüre ab, dachte ich. Ich fing dennoch mal an zu lesen - und ehe ich mich recht versah, waren zwei Tage rum und das Buch war gelesen. Und zwar wirklich bis zum Ende.

Richard Segal hat alle Voraussetzungen zu einem Bilderbuch-Yuppie: Er ist Mitte dreißig, Verkäufer für Computer-Netzwerke, Single und wohnhaft in New York - Manhattan. Sein pralles Selbstverständnis, die beste Verkaufskanone der Metropole zu sein, steht allerdings nicht annähernd im rechten Verhältnis zu seinen tatsächlichen Verkaufserfolgen: Die gehen schlicht und einfach gegen Null. Da kann er von Glück sagen, einen derart butterweichen Chef zu haben, der trotz allem an Richards Verkaufstalent glaubt.

Doch eines Tages begegnet Richard zufällig auf der Straße einem dunklen Kapitel seiner Kindheit. Er glaubt in einem der vielen Straßenpassanten Michael Rudnick wiedererkannt zu haben, der ihn - damals selbst noch ein Jugendlicher - in dunklen Kellern brutal missbrauchte. Dieser Flashback vergraben geglaubter Leidenszeiten wirft Richard völlig aus seiner Bahn. Während seine Yuppie-Lebensabschnittsgefährtin Paula so langsam die berufliche Karriereleiter hoch krabbelt, rutscht Richard von den Sprossen der seinen ab. Statt für die Firma lukrative Verkäufe unter Dach und Fach zu scheffeln, konzentriert er alle Zeit und Kraft auf die Suche nach dem flüchtigen Gesicht.

Im Zeitalter von Internet und Datenbanken sind entsprechende Recherchen kein großes Problem mehr, Michael Rudnicks berufliche wie private Adresse ist bald gefunden. Und doch ist die erste Stufe von Richards später Rache zunächst ein Schlag ins Wasser. Zwar gelingt es ihm, Rudnick an dessen Arbeitsplatz zu überrumpeln, doch seine wütenden Anschuldigungen perlen an diesem wirkungslos ab - ein vergleichsweise unbefriedigendes Resultat all jener Recherchebemühungen, die Richard unternahm und dafür seine beruflichen Pflichten sträflich vernachlässigte.

Dennoch bleibt Segal wild entschlossen, seinen ehemaligen Peiniger so nicht davon kommen zu lassen. Aus seinem Küchenfundus steckt er ein Tranchiermesser ein, passt Rudnick auf einem entlegenen Parkplatz ab und sticht ihn nieder.

Nach der Tat senkt sich über Richard eine schon lange nicht mehr verspürte Seelenruhe. Innerlich derart erquickt wendet er sich nun wieder seinem Job zu und erzielt tatsächlich erste Verkaufserfolge. Doch die Wende zum Guten ist kurz und trügerisch, schon geht es in einer scharfen Serpentine wieder nach unten. Das niedergestochene Opfer war wohl doch nicht so tot, wie es der Augenschein annehmen ließ - zumindest liegt es vorerst auf einer Intensivstation im Koma. Und Freundin Paula entwickelt mit einem Male Verhaltensweisen, die auf eine Affäre hindeuten. Und dann klingeln auch noch zwei Polizisten an Richards Haustür, denn sein damaliger turbulenter Auftritt in Rudnicks Büro hatte so seine Augen- und Ohrenzeugen. Und als wäre das noch nicht genug, trudelt in Richard Mailbox eine E-Mail ein, deren Inhalt darauf schließen lässt, dass ihr Verfasser mehr über Richards dunkle Seiten weiß, als diesem lieb sein kann...

Jason Starr ist sicher noch ein literarisches Leichtgewicht, aber mit seinen 35 Jahren sei ihm das verziehen. Er ist US-Amerikaner, lebt in New York und der Verlagsklappentext weist ihn als "selbsternannten Experten für American Football, Pferderennen und Glückspiel" aus. Na ja, eigentlich nicht meine Klientel, dachte ich so für mich, fing aber trotzdem an zu lesen...

...und merkte sehr schnell: der Busche kann erzählen. Literarische Arabesken oder schillernde Metaphern sind nicht sein Ding - er schreibt absolut schnörkellos. In gnadenloser Konsequenz entwickelt er die Geschichte einer Figur, bei deren Schicksal der Leser zwischen Anteilnahme und Abscheu hin- und her geschubst wird. Denn so bedauerlich bis furchtbar die Schicksalsschläge auch sind, meist ist es Richard selbst, der sie provoziert: Er lügt nämlich, wo er geht und steht - und das weder besonders originell noch hinreichend klug. Und Jason Starr breitet den Niedergang seiner Figur vor uns aus - ohne erkennbare Sympathie, sondern höchst sachlich und reserviert. Nichts am Ablauf des Geschehens wirkt jemals künstlich oder aufgesetzt - die Story, die eigentlich ja eher sogar eine psychotische Krankheitsgeschichte ist, nimmt einen jederzeit realistischen Verlauf.

Um nun aber so richtig und rundum gut zu sein, fehlt allerdings etwas: Bei aller Erzählfertigkeit gelingt es Starr nicht, mit Worten Stimmungen zu erzeugen. Und so bleibt das Ganze ein nettes Büchlein für zwischendurch, ein geeignetes Mittel, um Aufenthalte in Wartezimmern oder Bahnabteilen zu versüßen, aber nach dem Zuklappen kann man es auch getrost bei Ebay versteigern....

Hard Feelings

Jason Starr, Diogenes

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