Nebelopfer
- Lübbe
- Erschienen: Februar 2022
- 7
- Elbmarsch-Krimi 5
- Hardcover
- 399 Seiten
Gewohnt gut, mit kleinen Neuerungen
Der fünfte Teil der Elbmarsch-Krimireihe um Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn beginnt mit einem Erhängten, dem eine Botschaft um den Hals baumelt. Diese beinhaltet das Geständnis, in einem jahrelang zurückliegenden Prozess vor Gericht falsch ausgesagt zu haben. Haverkorn, der im letzten Dienstjahr vor der Pensionierung ist, erinnert sich noch an den alten Fall.
Der Bauer Cord Johannsen wurde für den Mord an seinen zwei Söhnen und seiner Frau verurteilt und sitzt seitdem ein. Wurde bei den Ermittlungen, die über 20 Jahre her sind, etwa ein Fehler gemacht? Das würde einen großen Justizskandal bedeuten.
Frischer Wind in der Mordkommission
Um den alten Fall erneut zu untersuchen, und zugleich dem Mörder des erhängten Zeugen auf die Schliche zu kommen, wird dem Team der Mordkommission Itzehoe ein neues Mitglied zugeteilt: Leonard Bootz, ehemaliger SEK-Beamter. Das ist auch schon die erste Neuerung innerhalb der Reihe. Denn während Haverkorn zu einem Cold-Case Team in Kiel abgezogen wird, nimmt Bootz wortwörtlich seinen Platz ein.
Frida Paulsen ist es überhaupt nicht Recht, dass sich der Neuling, der sich bei ihr durch einen altklugen Kommentar direkt unbeliebt gemacht hat, nun mit ihr das Büro teilen soll und ihr gerngesehener Kollege Haverkorn vorerst anderweitig beschäftigt ist. Eine Gemeinsamkeit mit Bootz entdeckt Frida Paulsen jedoch schnell.
„Denn er war für Anweisungen des Vorgesetzen genauso taub wie sie selbst.“
Zwei Polizei-Kollegen, die sich nicht leiden können und lieber der eigenen Intuition folgen, anstatt auf den Chef zu hören – da sind Konflikte vorprogrammiert. Allerdings bringen die beiden mit ihrem besonderen Gespür möglicherweise auch genau das mit, was es braucht, um Unstimmigkeiten in dem alten Fall des Dreichfachmords aufzudecken. Sie müssen sich jedenfalls wohl oder übel zusammenraufen, um herauszufinden, wer die Familie Johannsen damals wirklich ermordet hat.
Denn das ist die Forderung, die unmissverständlich von dem erhängten Zeugen und der Botschaft ausgeht, spätestens, als ein weiterer Zeuge aus dem Prozess gegen Cord Johannsen erhängt aufgefunden wird…
Keine Rückblenden mehr
Die zweite Neuerung betrifft alle Fans der Hörbücher: Sprecher Michael Mendl wird überraschend durch die deutlich jüngere Sprecherin Chris Nonna abgelöst, was natürlich erst einmal eine Umstellung ist. Die dritte Neuerung der Reihe, in der sonst Vieles beim Alten geblieben ist und so ein Gefühl des Heimkehrens ermöglicht, sind die fehlenden Rückblenden.
Bei den vier Vorgängern waren die wechselnd über Bjarne Haverkorn und Frida Paulsen erzählten Kapitel mit Einschüben zu Ereignissen aus der Vergangenheit verwoben. Diese zusätzliche Ebene hat den Geschichten Tiefe und eine besondere Art der Spannung verliehen, außerdem war sie gewissermaßen Teil des Markenzeichens der Reihe. An Spannung mangelt es jedoch auch Nebelopfer nicht.
Große Gefühle
Das Buch punktet durch seinen lockeren Schreibstil und die flott vorangehende Ermittlungsarbeit, die einige Wendungen bereithält. Nicht zuletzt spielt auch das Privatleben der beiden Hauptfiguren eine – für einen Kriminalroman ungewöhnlich große – Rolle. Wer das aus den vorangegangenen Teilen kennt bzw. seinen Gefallen daran findet, wird auch diesmal nicht enttäuscht werden.
Die liebevoll ausgearbeiteten, menschlich wirkenden Ermittler stehen erneut vor privaten Herausforderungen. Gefühlstechnisch geht es mehr zur Sache als bisher: sowohl der fast pensionierte Kommissar Haverkorn als auch die junge Kommissarin Paulsen haben mit ihren ganz eigenen Gefühlen zu kämpfen. Frida Paulsen bringt vor allem ihr neuer Kollege Bootz durcheinander, dabei ist sie eigentlich mit dem Rechtsmediziner Torben Kielmann zusammen.
Diese Nebenhandlungen befinden sich in ausgewogener Balance mit der Haupthandlung, ergänzen sich sogar zugunsten des Spannungsbogens. Wer jedoch mit vergleichsweise viel Fokus auf dem Privatleben der Ermittelnden nichts anfangen kann, wird von der ganzen Reihe wohl nicht so angetan sein.
Punktet in vielen Aspekten
Alle, denen gerade dieses Heimelige gefällt, und dass man sich als Leser fast schon in freundschaftlichem Verhältnis mit dem ungleichen Ermittlerduo wähnt, bekommen eine gelungene Reihenfortsetzung. Die Teile einzeln zu lesen ist auch möglich, wobei es aufgrund der Weiterentwicklung des Privatlebens der Figuren empfehlenswerter ist, sie als Reihe zu betrachten.
Auch die nebulöse Stimmung des anbrechenden Frühjahrs auf den Dörfern und Feldern der Geest bringt die Autorin gekonnt rüber. Zwar ist der atmosphärische Schreibstil nicht neu, genauso wie der grundlegende Aufbau – dass ein Altfall mit aktuellen Geschehnissen verbunden wird – doch Romy Fölck sorgt mit neuen Ideen innerhalb der Fälle dafür, dass keine Langeweile aufkommt, aber dennoch immer ein gewisser Wiedererkennungswert bestehen bleibt.
Dass die Ermittelnden sich für Polizei-Beamte an der ein oder anderen Stelle nicht ganz durchdacht verhalten, kommt einem aus den vorigen Teilen leider auch bekannt vor. In Anbetracht der vielen Pluspunkten lässt sich aber darüber hinwegsehen.
Fazit
Mit diesem fesselnden Krimi, der zudem mit ungewöhnlich facettenreichen Figuren aufwarten kann, zeigt Romy Fölck wieder einmal, dass sie ihr Handwerkszeug beherrscht. Die gelungene Fortsetzung einer Reihe, die ihren ganz eigenen Charme hat.
Romy Fölck, Lübbe
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