Das Haus der stummen Toten
- HarperCollins
- Erschienen: Mai 2022
- 14
- Übersetzung: Nina Hoyer & Justus Carl
- Originaltitel: "Arvtagaren"
- Taschenbuch
- 416 Seiten
Bekanntes Setting, gute Umsetzung
Jeden Sonntag besucht Eleanor ihre betagte Großmutter Vivianne zum Abendessen. Doch am Abend des 15. September ist alles anders, denn als Eleanor vor der Wohnungstür steht öffnet sich diese und eine Person kann unerkannt entkommen. Unerkannt? Ja, denn Eleanor leidet unter Gesichtsblindheit, so dass sie Gesichter nicht erkennen kann. Unmittelbar darauf findet sie ihre Großmutter mit einer Schere erstochen in deren Wohnung.
Fünf Monate später. Völlig überraschend hat Eleanor das ihr bis dahin völlig unbekannte Gutshaus Solhöga geerbt, welches ihre Großmutter nie erwähnte. Dieses liegt sehr einsam rund neunzig Kilometer von Stockholm entfernt und ist seit den 1970er Jahren unbewohnt. Gemeinsam mit ihrem Freund Sebastian macht sich Eleanor auf den Weg, um vor Ort gemeinsam mit dem Notar Rickard Snäll ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Zu ihrer Überraschung taucht dort auch ihre Tante Veronika auf, die Eleanor und Sebastian bislang eher reserviert gegenüberstand. Das Quartett richtet sich ein, um das Gebäude kennenzulernen beziehungsweise den Nachlass zu erfassen. Während sich Eleanor fragt, warum das Gebäude seit Jahrzehnten unbewohnt ist, drängt sich noch eine weitere Frage auf: Wo ist eigentlich der ominöse Gutsverwalter namens Bengtsson, der sie doch eigentlich hätte empfangen und herumführen sollen?
Eleanor kommt Solhöga von Beginn an gespenstisch vor, was aber vielleicht auch an ihrem Zustand liegen mag, denn seit dem Tod ihrer Großmutter war sie traumatisiert, lange in einer Klinik und leidet noch immer unter Albträumen. Schon bald geschehen erste, seltsame Dinge und Eleanor beschleicht der Verdacht, dass noch eine weitere Person anwesend sein muss. Einbildung? Dann findet sie mit Sebastian unter einer morschen Diele ein altes Tagebuch, das offenbar ein früheres Dienstmädchen namens Annuschka geschrieben hat. Was sie dort erfährt, verstört Eleanor enorm, während die gegenwärtige Situation auf Solhöga langsam aber sicher zu eskalieren droht.
Kurze treibende Kapitel und Cliffhanger
Mehrere (hier vier) Personen an einem einsamen Ort, der nach einem Unwetter von der Außenwelt abgeschnitten ist; dazu mehrere, überwiegend familiäre Geheimnisse, die Jahrzehnte verborgen waren. Kommt bekannt vor, oder? Dessen ungeachtet ist „Das Haus der stummen Toten“, der zweite Roman, den Camilla Sten solo geschrieben hat – sie schrieb bereits einige Bücher mit ihrer Mutter, der Bestsellerautorin Viveca Sten – nach ihrem Debüt „Das Dorf der toten Seelen“ ein packender Thriller. Kurze Kapitel, meist ebensolche Sätze und jede Menge Suspense, welcher vor allem daher rührt, dass man eben nicht weiß, was bei Eleanor Einbildung ist und was nicht.
Still und schleichend geschehen unheimliche Dinge auf Solhöga, eine fünfte Person wird gesehen oder war dies Bengtsson? Dumm, dass Eleanor aufgrund ihrer Prosopagnosie niemanden wieder erkennt, sondern sich nur anhand von auffälligen Gesichtsmerkmalen Personen merken kann. Wenn sie denn nicht zu weit entfernt sind.
Eleanor und Tante Veronika kommen sich im Verlauf der Handlung näher und so erfährt Eleanor etwas mehr über ihre geheimnisvolle Familie. Die Mutter verstarb als sie gerade mal drei Jahre alt war, der Vater war da längst fort. So wuchs sie bei ihrer Großmutter Vivianne auf, die eine alles andere als leibenswürdige Person war. Jähzornig und rasend, was auch das damalige Personal auf Solhöga erfahren musste, welches aus den Dienstmädchen Märit und Annuschka bestand sowie dem jungen Mats. Großvater Evert hatte es ebenfalls nicht leicht mit seiner Frau, schottete sich zudem von seiner eigenen Familie komplett ab.
"Ich habe doch versucht, es dir zu erzählen, Sebastian, oder nicht? ... Du hattest doch für alles eine gute Erklärung parat. Es war nur ein Schatten, es war nur Einbildung, es war die Aufzugtür, … es gab keinen Grund zur Beunruhigung, niemand anderes war mit uns hier, alles war in Ordnung, nur ich war so überspannt und überempfindlich. So war es doch, oder?"
Während in der Gegenwart unheimliche Dinge geschehen und selbst der rational denkende Sebastian zunehmend einsehen muss, dass sich seine Freundin längst nicht alles einbildet, werden in Rückblicken die Geschehnisse in den Jahren 1965 und 1966 aufgezeigt, die verheerende Auswirkungen selbst auf die Gegenwart haben. Sicher, einiges mag arg konstruiert wirken, aber der Plot entwickelt eine große Sogkraft, der man sich schlecht entziehen kann. Eine wichtige Frage hat sich dem Verfasser dieser Zeilen logisch nicht erschlossen, wurde aber womöglich aufgrund des hohen Lesetempos an der entscheidenden Stelle auch übersehen. Sei’s drum.
Fazit
„Das Haus der stummen Toten“ ist ein knackiger Thriller dessen Verfilmung wohl nur eine Frage der Zeit sein dürfte. Viel falsch machen, kann man dabei kaum.
Camilla Sten, HarperCollins
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