Der finstere Pfad
- Lübbe
- Erschienen: August 2022
- 4
- Übersetzung: Anke Angela Grube
- Taschenbuch
- 384 Seiten
Aus dem Thriller Baukasten
Laura lebt das Leben eine glücklichen Kleinfamilienidylle: glücklich verheiratet mit zwei kleinen Kindern. Dann wird im Radio die Meldung durchgegeben, dass auf dem kanadischen West Coast Trail eine skelettierte Leiche gefunden wurde. Man vermutet, dass es sich um die vor 20 Jahren dort verschollene Seraphine handelt, die zusammen mit einer Maisie Goodwin gereist war. Deren Aussage führte dazu, dass ein Jugendlicher als Täter verurteilt wurde. Wenn der Fall neu aufgerollt wird, hat Laura alles zu verlieren. Das weiß anscheinend auch jemand anderes, denn es mehren sich Vorfälle, die Laura und ihrer Familie Angst einjagen sollen. Aber Laura hat einen guten Grund, nicht zur Polizei zu gehen. Auf sich alleingestellt, ist sie bereit, zu töten, um ihr neues Leben und ihre Familie zu schützen.
Formelhafter Spannungsaufbau in „Der finstere Pfad“
In „Der finstere Pfad“ wechseln sich zwei Zeitebenen ab: die Erlebnisse von Maisie auf der Wanderung vor zwanzig Jahren und die Geschehnisse in der Gegenwart, aus Lauras Perspektive erzählt. Die beiden Zeit- und Erzählebenen wechseln sich stetig ab, was den Erzählfluss deutlich stört, da die Kapitel sehr kurz sind. Kaum hat man sich auf die Geschichte eingelassen, wird sie schon wieder unterbrochen von der anderen Geschichte.
Jenny Blackhurst greift in den Baukasten für Thriller und setzt alle möglichen Elemente ein, um Spannung zu erzeugen: Fast jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, die Bedrohungen steigern sich, sie legt falsche Fährten, die Hintergrundinfos zu dem Ereignis von vor zwanzig Jahren werden nur häppchenweise enthüllt. Aber für Vielleser sind die falschen Spuren leicht durchschaubar und vorhersehbar. Mit einem Twist am Ende überrascht Jenny Blackhurst dann trotzdem noch, allerdings leider auf Kosten der Logik.
Das Finale ist sehr konstruiert in dem Bemühen, alle Handlungsstränge zusammenzuführen und alle aufgekommenen Fragen zu beantworten. Letzteres löst Jenny Blackhurst ziemlich unelegant und unspannend: Sie lässt die Figuren reden und erklären, nachdem der Twist im Finale für ordentliche Verwirrung beim Leser geführt hat.
Die Figuren in „Der finstere Pfad“ bleiben blass und sind unsympathisch
Die bedrohlichen Situationen, mit denen die Ich-Erzählerin unter Druck gesetzt wird, häufen sich und ziehen den Mittelteil in die Länge, ohne großartig Neues zu vermitteln. Es ist wenig glaubwürdig, dass der Ehemann jedes Mal ihren Lügen glaubt und nicht misstrauisch wird. Überhaupt bleibt er, wie alle Nebenfiguren, sehr blass.
Die Andeutung, dass man jemanden töten würde, um seine Familie zu schützen und sowieso bereits getötet hat, kann Spannung erzeugen. In „Der finstere Pfad“ wiederholt die Protagonistin das aber viel zu oft, um noch Nervenkitzel zu bewirken. Im Laufe der Geschichte wird die Hauptfigur zudem immer unsympathischer, je mehr von der Vorgeschichte enthüllt wird. Eine positive Identifikationsfigur entwirft Jenny Blackhurst damit nicht.
Fazit
Jenny Blackhursts Thriller sind das Äquivalent zu den Thrillern im Fernsehen: Hat man alles schon besser im Kino gesehen, ist aber für den Augenblick ganz unterhaltsam. Ihre Krimis funktionieren mehr oder weniger nach dem gleichen Schema, konstruiert aus bewährten und bekannten Versatzstücken, nicht unbedingt logisch und gespickt mit Cliffhangern und falschen Fährten, die für Vielleser relativ durchschaubar sind.
Jenny Blackhurst, Lübbe
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