Die Raffkes
- Grafit
- Erschienen: Januar 2003
- 12
- Dortmund: Grafit, 2003, Seiten: 347, Originalsprache
- Daun: TechniSat Digital Radioropoa, 2006, Seiten: 10, Übersetzt: Georg Jungermann
Ein Hauptstadt-Krimi
Endlich mal kein Siggi Baumeister. Endlich mal keine Verschwörungen und Skandale in der Provinz. Jacques Berndorf hat sich zum zweiten mal einen Krimi auf das Terrain der Hauptstadt Berlin gewagt und hat in dem Immobilienskandal, der die Berliner Bankgesellschaft und somit indirekt das Land Berlin in eine tiefgreifende Finanzkrise gezogen hat, einen authentischen Background gewählt. Ein junger Staatsanwalt namens Mann, der sich eigentlich um Jugendkriminalität kümmert, sich aber urplötzlich mit den krummen Machenschaften in der Berliner Wirtschaft konfrontiert sieht, steht dabei im Mittelpunkt.
Jener Jochen Mann wird von seiner Tante überredet, sich mit einem bekannten Anwalt zu treffen. Als er an dem Restaurant eintrifft, wo das Treffen stattfinden soll, ist dort kurz zuvor eine Bombe explodiert. Jochen lernt Kommissar Ziemann kennen, der ihn unversehens bittet, am Tatort zu assistieren und Beweise zu sichern. Ziemlich schnell erkennen die beiden, dass der Anschlag nicht dem israelischen Botschafter galt, der in dem Restaurant mit seiner Familie speiste, sondern wohl vielmehr jenem Anwalt, mit dem sich Mann treffen wollte. Zufällig ein Anwalt der hohen Herren der Bankgesellschaft. Was wollte er von Mann?
Hunderte von Aktenordnern
Ziemann zieht Mann erstaunlich weit ins Vertrauen, lässt ihn wichtige Zeugen selbst vernehmen und erzählt ihm von krummen Geschäften, mit denen die Bankgesellschaft ihren Anlegern das Geld aus den Taschen zieht. Er zeigt ihm sogar sein Archiv, in dem er in hunderten von Aktenordnern alle Nachrichten über die Bankgesellschaft gesammelt hat. Mann verliebt sich bei einer Vernehmung in Marion, die Sekretärin des Vorstandsvorsitzenden der Bank, die sich zufällig auch am Ort der Bombenexplosion befand. Auch ihr Vertrauen gewinnt er und erfährt von weiteren ungeheuerlichen Machenschaften und Schiebereien.
Und es gibt noch mehr Quellen für solche Geschichten. Seine Tante zum Beispiel, die als Besitzerin zahlreicher Häuser zum Berliner Geldadel zählt. Plötzlich stirbt Ziehvater Ziemann eines gewaltsamen Todes. Selbstmord ist die offizielle Version, Mann glaubt jedoch an Mord. Und als Marion eines heiteren Tages verschwindet, spürt Mann erst recht, in welcher Gefahr er sich befindet.
Zwischen BND, CIA, Mossad und Provinzposse
An Berndorf scheiden sich die Geister. Ohne Zweifel ist er gegenwärtig der erfolgreichste deutsche Kriminalautor. Aber während die einen bei seinen Eifel-Krimis die Mischung von ländlichem Idyll und Geheimdienstarbeit lieben, sehen die anderen in dem Zusammenwirken von BND, CIA, Mossad und Agenten anderer Nationen in der Abgeschiedenheit der Eifeldörfer nichts anderes als eine Provinzposse. Viel authentischer könnte er die Agentenarbeit in der deutschen Hauptstadt ansiedeln, wonach es anfangs bei den Raffkes auch aussieht.
Dann jedoch kommt er davon plötzlich völlig ab. Da pfuscht dem Ermittler niemand dazwischen, da gibt es keine Interessenkollisionen und das den Beamten wirksam Hindernisse in den Weg gelegt würden, kann man auch nicht behaupten. Mann ermittelt hauptsächlich aus eigener Neugier mit einer Gruppe Polizisten, die für die Ermittlungen gegen die Bankgesellschaft seit Jahren ihren Feierabend opfern, rein aus Liebe zu ihrer Stadt. Wenn das nicht absolute Integrität ist...
Faszinierend, aber monoton
Der Aufbau der Kapitel bleibt über lange Strecken erstaunlich eintönig: Mann begegnet irgendjemandem, das Gespräch kommt irgendwie auf die Bankgesellschaft und Manns Gesprächspartner weiß zufällig irgendetwas spannendes und dreistes aus dem reichen Fundus von möglichen Betrügereien, die bei der Bankgesellschaft so oder so ähnlich gelaufen sein könnten, zu berichten. So hat zwar jedes Kapitel seine ganz eigene Faszination, aber die doch recht monotone Form, in der über die Bankgesellschaft doziert wird, weckt doch einiges an Argwohn. Mann wirkt ein wenig naiv und absolut unbedarft, wenn ihm all die unglaublichen Betrügereien aufgetischt werden. Erstaunlich ist auch, wie schnell er von allen Seiten ins Vertrauen gezogen wird. Sogar Schwerkriminelle scheinen den jungen Staatsanwalt bei seinen Nachforschungen zu unterstützen.
Nachdem dann alle Geschichten erzählt sind, werden nach dem Bombenanschlag zu Beginn auch am Ende noch mal routiniert zwei Action-Sequenzen eingefügt und zumindest die Schuldigen für die Verbrechen, die tatsächlich während der Handlung des Romans geschehen, können gestellt werden. Da bleibt dann doch ein leicht zwiespältiges Gefühl im Magen zurück. Einerseits nämlich lässt sich der Roman sehr flott und zügig lesen, andererseits hat man das Gefühl, eigentlich zwei Bücher gelesen zu haben: sachlich erzählte und solide recherchierte Berichte über Wirtschaftskriminalität sowie einen dann doch relativ flachen eigentlichen Krimi. Die Fans von Berndorf werden sich bestimmt wieder auf den nächsten Eifel-Krimi freuen.
Jacques Berndorf - der Eifel-Krimi-Guru, Grafit
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