Purpurland

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2003
  • 3
  • Dortmund: Grafit, 2003, Seiten: 278, Originalsprache
  • Daun: TechniSat Digital, Radioropa Hörbuch, 2006, Seiten: 6, Übersetzt: Benjamin Plath
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Lars Schafft
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2003

Ausgerechnet Arschghanistan

Ausgerechnet "Arschghanistan"! War Horst Eckert bis dato vor allem bekannt für seine härteren Krimis um das KK 11 der Düsseldorfer Polizei, geht er nun, mit seinem siebten Krimi "Purpurland" neue Wege: Statt Rheinufer und Altstadt begrüßt den Leser die lebensfeindliche Landschaft des Hindukuschs mitten im Krieg dieses Jahres. Dort sind bekanntlich die Soldaten des KSK (Kommando Spezialkräfte) der Bundeswehr im Einsatz gegen den Terror, für die Operation "Enduring Freedom". Tim Sander ist einer von ihnen. Doch was er bei einem lebensgefährlichen Einsatz unter friendly fire erlebt, schockt auch ihn, den hartgesottenen Elitekämpfer. Deutsche Waffen für afghanische Opium-Barone?

Mit deutschen Waffen kennt sich auch Felix May aus, seines Zeichens Spezialist des Düsseldorfer SEK für Geiselbefreiungen. Nachdem aber auch seine zweite Geiselbefreiung in Folge heftigst fehlschlägt, lässt er sich in den vermeintlich weniger aufregenden Straßendienst versetzen. Zum Durchatmen bleibt ihm jedoch gar keine Zeit: Er findet eine Frauenleiche, gezeichnet von unmenschlicher Folter. Und: May kennt sie. Sie ist die Frau des KSK-Soldaten Tim Sander, den er auf einer Kur kennengelernt hat...

Der ohnehin schon sehr gute Eckert macht einen weiteren Schritt nach vorne

Horst Eckert musste man schon vor Purpurland zu den bedeutendsten deutschsprachigen Krimi-Autoren zählen. Der Marlowe-Preis für "Aufgeputscht" und der "Glauser" für "Die Zwillingsfalle", die seit kurzem auch in der renommierten "Serie noir" des französischen Gallimard-Verlags erscheint, belegen dies. Nun hat Eckert mit seinem neuesten Werk einen weiteren Schritt nach vorne gemacht und offenbar die Kritik am Vorgänger "Aufgeputscht" beherzigt.

Quälende Brachialausdrücke wie "Mösenpanoramem" sucht der Leser vergebens und auch der Plot ist ohne Stift und Notizblock weitaus nachvollziehbarer, wenn auch nicht weniger vertrackt. Auf flüssig zu lesende 280 Seiten hat Eckert seinen Roman zusammengestaucht, seinen Figuren mehr Menschlichkeit und "Goodwill" gegeben, sogar Humor fließt in die ansonsten hart-trockenen Geschichten ein. Das ist zum einen zwar etwas stromlinienförmiger, zum anderen kommt dies dem Leseerlebnis von "Purpurland" deutlich zugute - weniger Ellroy, mehr Eckert so zu sagen. Der Wiederseheffekt mit zahlreichen Figuren aus den Vorgängerromanen tut dabei ein übrigens.

Ganz neue Seiten des Autors Schreibe werden offenbart

Am bemerkenswertesten ist jedoch das Verknüpfen Düsseldorfer Verbrechen mit dem Afghanistan-Krieg gelungen, wobei Eckert ganz neue Seiten seine Schreibe offenbart. Erzielte er sonst Spannung und Atmosphäre durch die Schilderung der Handlung in knappen Sätzen, durch griffige Dialoge, gelingt es ihm in "Purpurland" erstmals auch durch die Beschreibung der unwirtlichen Landschaft Afghanistan. Leider, so muss man sagen, spielen nur ein paar wenige Kapitel in der Gebirgswelt am Hindukusch - allein diese sind allerdings schon die Lektüre von "Purpurland" wert. Vor allem erfüllen diese Passagen aber (auch wegen der bevorstehenden Einsatzausweitung der deutschen Truppen) eine überauswichtige Aufgabe: Wegen des Irak-Kriegs fast schon in Vergessenheit geraten, rückt die alltägliche brutale Realität deutscher Soldaten in Out of Area-Einsätzen in den Focus. Und das plastischer als jede Foto-Strecke, als jede Reportage. Zweifelsohne ein bravouröses Stück deutscher Kriminalliteratur!

Zurück nach Düsseldorf, denn da macht sich angesichts des beindruckenden Afghanistan-Plots etwas Enttäuschung breit. Ausgerechnet Serienmörder, fällt spontan ein, wird Purpurland dann aber doch nicht wirklich gerecht. Glücklicherweise steckt mehr hinter den vermissten Frauen und der Leiche in der Investitionsruine und bietet somit alles, was des Krimilesers Herz begehrt: abstoßende Korruption, ergreifende menschliche Leidenschaften und Abgründe, fesselnde Action und ein wenn auch nicht homogenes, dafür aber äußerst interessant zusammenwirkendes Ermittlerteam. Das ist Eckert, wie man ihn kennt und weswegen man in liest und schätzt.

Eine nüchterne- und illusions- wie schonungslose Momementaufname

Auch wenn letztendlich ein Mehr an Afghanistan und ein Weniger an Serienkiller-Story den Roman noch deutlicher aus der Masse an Neuerscheinungen herausgehoben hätte, bleibt unterm Strich eine allzeit packende, nüchterne und illusions- wie schonungslose Momentaufnahme der Realität. Und diesmal nicht nur der Düsseldorfer sondern der Wirklichkeit der Welt in gewaltbeherrschten Zeiten. Purpurland ist weit mehr, als man zur Zeit von einem Kriminalroman erwarten kann.

Purpurland

Horst Eckert, Grafit

Purpurland

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