Todesschmerz
- Goldmann
- Erschienen: September 2021
- 5
- Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez 6
- Taschenbuch, Klappenbroschur
- 592 Seiten
Aller guten Dinge sind sechs
„Todesschmerz“ ist der sechste Band der Reihe um die BKA-Beamten Maarten S. Sneijder und Sabine Nemetz. Diesmal wird es international und persönlich. Das Team um Sneijder und Nemetz ermittelt gegen einen Maulwurf in den eigenen Reihen. Es stellt sich bald heraus, dass der Verräter ein hochrangiger Beamter sein muss. Oder eine Beamtin. Doch bevor die Ermittler ihren Verdacht konkretisieren können, werden sie auf eine Mission geschickt, die sie nach Norwegen führt. Sneijder hegt sofort den Verdacht, dass man ihre weitere Untersuchung boykottieren möchte und deshalb einen Nebenkriegsschauplatz in der Ferne eröffnet.
BKA und BND gleich WTF
Gemeinsam mit der BND-Agentin Cora Petersen wird der Mord an der deutschen Botschafterin und ihres Sicherheitschefs in Oslo unter die Lupe genommen. Die findige Eingreiftruppe kommt schnell zu ersten Erfolgen, stößt zudem auf einen Serienkiller, der in den Fall involviert zu sein scheint, und nimmt den Gangsterboss Haakon Jørgensen, der sich selbst als geläutert darstellt, sowie seinen Bruder Alexander ins Visier. Oder ist es das Team selbst, das ins Fadenkreuz dunkler Mächte gerät?
Dank der eigenen Fähigkeiten und ihres unkonventionellen Einsatzes stellen sich bald erste Antworten ein, die allerdings zu weiteren Fragen führen. Es kristallisiert sich heraus, dass die Suche nach dem Maulwurf und der Mord in der deutschen Botschaft zusammenhängen, denn Sneijder und seine Kollegen geraten selbst unter Beschuss und der vertraute Trupp muss herbe Verluste beklagen. Bis zum bitteren Ende auf stürmischer See. Und weil Andreas Gruber den siebten Auftritt bereits fest verortet hat, endet das Buch mit einem Cliffhanger.
Nicht neu, aber gekonnt
Obwohl sich Gruber generischer Mittel bedient - die wohlbekannten Ermittler mit problematischer Biographie und noch problematischerem Wesen, die im Verbund aneinander wachsen und perfide Serienkiller dingfest machen - gelingt ihm auch mit dem sechsten Auftritt von Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez wieder ein lesenswertes Buch. Er besitzt die sprachlichen Mittel, um seine Geschichten zielgerichtet zu erzählen und die Marotten seiner Hauptfiguren nicht zum Selbstzweck verkommen zu lassen. Die Eigenheiten stärken die Charaktere und die interaktiven Witze sitzen. Nur selten schweift der Roman ab. Die Telefonate von Sabine Nemez mit ihrer Nichte sind ziemlich überflüssiger Tand, nehmen aber nur wenige Seiten ein.
Auch „Todesschmerz“ weist wieder einen Erzählstrang um einen Serienkiller auf. Doch nur als Beiwerk, das Gruber routiniert, aber eher pflichtbewusst als inspiriert runtererzählt. Die Enttarnung des Killers ist kein Geheimnis und sein Geständnis erfolgt derart beiläufig, dass man fast von einem Anti-Climax sprechen kann. Gruber traut sich das und auch dies hebt seine Romane angenehm von minderbemittelteren Kollegen und Kolleginnen ab. Zudem arbeitet der Autor geschickt mit unterschiedlichen literarischen Techniken und Verweisen. So ist eine bestimmte Passage eine raffinierte Hommage an Agatha Christies „The Murder Of Roger Ackroyd“ („Alibi“), Edgar Allan Poe bekommt seine Würdigung und natürlich – nicht nur wegen der Wahl des Schauplatzes – spielt Gruber mit den Chiffren skandinavischer Kriminalliteratur und versetzt sie mit eigenen, stellenweise fiesen Wendungen.
Ein gelungener Thriller
Vom Grundkonstrukt ist „Todesschmerz“ ein Politthriller, der zwar keine konkreten politischen Zustände thematisiert, aber allgemeingültige Fragen nach Loyalität, Solidarität, moralischen Codices, Korruption und Verrat spannungsreich abhandelt. Der Plot mag nicht hart die Realität spiegeln, und auch mit der Logik geht Gruber eher lässig um, aber das Gesamtkonstrukt ist stimmig entwickelt und um zwischenmenschliche Tiefe bemüht. Die Figuren wecken und halten das Interesse hoch, das BKA-Team ist trefflich besetzt und auch die Kontrahenten sind keine bloßen Abziehbilder. Das Gespür für die Tragik hinter den einzelnen Werdegängen bleibt jederzeit bewahrt, auch wenn die Motivations-Psychologie etwas bemüht wirkt.
Auf den ein oder anderen altbackenen Taschenspieltrick, wie das Opfer eines Mordanschlags einen Hinweis röcheln zu lassen, der erst zu spät entschlüsselt wird, obwohl die Lösung naheliegt, hätte Gruber verzichten können. Ebenso ist der Cliffhanger kein nervenzerrender. Die kundigen Leser ahnen natürlich wie es weitergehen wird. „Todesschmerz“ ist schließlich nicht „Game Of Thrones“ oder „The Walking Dead“.
FAZIT:
Mit „Todesschmerz“ gelingt Andreas Gruber wieder ein lesenswertes, spannendes Buch, das zwar ausgetretene Pfade selten verlässt, aber die Mittel für diesen Marsch hervorragend beherrscht. Sprachlich ansprechend, weitgehend stringent erzählt und frei von überflüssigen Brutalitäten und schnöder Effekthascherei. Gruber hat seine Charaktere und seine Erzählung im Griff. Wäre trotzdem sehr schön, wenn er zur Abwechslung mal wieder etwas unabhängig vom Seriellen verfassen würde. Dass der Autor das Potenzial dazu besitzt, hat er bereits mit seinen frühen Romanen überzeugend demonstriert.
Andreas Gruber, Goldmann
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