Wenn du mir gehörst

Die 27-jährige Philomena „Phil“ McCarthy ist eine ungewöhnliche Polizistin. Zwar schließt sie letztendlich als Jahrgangsbeste bei der Metropolitan Police ab, aber zuvor verwehrte man ihr wiederholt einen Ausbildungsplatz. Der Grund: Ihr Vater Harry ist kein Unbekannter für die Londoner Polizei. Ihm wird Geldwäsche, Erpressung, Diebstahl und organisiertes Verbrechen vorgeworfen, ohne ihm aber etwas nachweisen zu können. Die Tochter eines Kriminellen bei der Polizei war zunächst undenkbar. Inzwischen ist Phil aber auf dem besten Weg, Karriere im Polizeidienst zu machen.

Bis sie zu einem Fall häuslicher Gewalt gerufen wird. Denn der Täter ist der hochdekorierte Detective Sergeant Darren Goodall, der seine Geliebte Tempe schwer misshandelt haben soll. Als Phil diese zu schützen versucht, wird ihr von oberster Stelle gedroht, die Anschuldigungen gegen Goodall fallen zu lassen. Die junge Polizistin wird nicht nur suspendiert, sondern gilt fortan als Nestbeschmutzerin. Phil bekommt es mit einer geheimen Gruppe innerhalb der Metropolitan Police zu tun, die sie zunehmend unter Druck setzt.

Schein und Sein

Überraschender Weise erhält die Polizistin Unterstützung von einem Journalisten des „Guardian“. Laut des Informanten starb Darren Goodalls einstiege Verlobte Imogen Croker vor acht Jahren bei einem vermeintlichen Unfall. Deren Eltern sind aber der Überzeugung, dass es Mord war. Als Phil sich näher mit der Vergangenheit des Detectives beschäftigt, erkennt sie darüber hinaus, dass Goodall wiederholt gewalttätig wurde, ohne dass es je zur Anklage kam. Zufall? Oder hält jemand die schützende Hand über ihn?

Goodalls letztes Opfer Tempe zeigt sich ihrer Retterin Phil gegenüber äußerst dankbar. Die beiden Frauen werden sogar enge Freundinnen. Doch Phil wird zunehmend misstrauisch: Etwas an der Geschichte der jungen Frau scheint nicht zu stimmen. Ist Tempe wirklich ein unschuldiges Opfer? Spätestens, als eine erste Leiche in Phils Umfeld auftaucht, weiß sie nicht mehr, wem sie trauen kann.

Australischer Bestsellerautor

Internationale Bekanntheit erlangte der Thriller-Autor Michael Robotham durch seine grandiose Reihe um den an Parkinson erkrankten Psychologen Joe O`Loughlin und den privaten Ermittler Vincent Ruiz. Mit „Die andere Frau“ erschien Ende 2018 der elfte und bisher letzte Band der Reihe.

Im Dezember 2019 veröffentlichte der Goldmann Verlag „Schweige still“, den fulminanten Auftrag einer neuen Reihe um die mysteriöse Teenagerin Evie Cormac und den forensischen Psychologen Cyrus Haven. Die Fortsetzung „Fürchte die Schatten“ unterstrich in eindrucksvoller Weise, warum Robotham aktuell einer der besten Thriller-Autoren weltweit ist.

Nun erscheint mit „Wenn du mir gehörst“ ein Stand-Alone-Thriller. Dem Autor war es bereits während der O`Loughlin-Reihe wichtig, immer wieder auch Romane abseits der Serie zu schreiben, um alte Pfade zu verlassen und sich weiterzuentwickeln: „Es fordert mich heraus, mir neue Figuren auszudenken und neue Leben zu erkunden“, so Robotham.

Thematisch komplex

Robotham gelingt mit seinem aktuellen Werk ein starker Roman über häusliche Gewalt, toxische Freundschaften und familiäre Konflikte. Erneut schafft es der Australier in beeindruckender Weise, eine spannende Geschichte mit einem ernsten Thema zu verbinden: Gewalt an Frauen. Die Anzahl der Vergehen im familiären Umfeld stieg nicht nur in Großbritannien in den vergangenen Jahren deutlich - nicht zuletzt während der Coronapandemie, als die Hilfegesuche von Opfern häuslicher Gewalt um durchschnittlich 25 Prozent zunahmen. Dies wäre an sich bereits ein ausreichendes Thema für einen Thriller. Aber Robotham geht gleich mehrere Schritte weiter.

Zunächst steht im Zentrum der Handlung auch die neue Freundschaft zwischen Phil und Tempe. Was die junge Polizistin McCarthy anfänglich nicht ahnt, aber der Leser längst weiß: Tempe leidet unter dem Weißer-Ritter- oder auch Helden-Syndrom. Ihr Selbstwertgefühl gründet sich auf ihrer Fähigkeit, die Probleme anderer Menschen zu lösen. In zunehmend verstörende Weise wird sie Teil von Phils Leben und plant sogar deren Hochzeit mit ihrem Verlobten Henry.

Als wäre dies nicht bereits genug, handelt der Roman auch von korrupten Polizisten, die das Gesetz gerne in die eigenen Hände nehmen, und einem kriminellen Vater, der ein kompliziertes Verhältnis zu seiner Tochter pflegt. Ein besonderes Highlight des Romans sind Phils drei Onkel, die in fast schon überspitzter Mafiamanier auftreten und recht unkompliziert das ein oder andere Problem aus der Welt schaffen.

Cleverer Plot

Wo sich jeder andere Autor thematisch übernehmen würde, greift bei Robotham jedes Rädchen ins andere. Heraus kommt am Ende ein Roman, der mühelos die Spannung bis zum Ende halten kann, für die ein oder andere Wendung sorgt und den Leser bestens unterhält. Der Schluss mag vielleicht nicht ganz überraschend kommen, dennoch mindert dies in keiner Weise das Lesevergnügen. Dies liegt nicht zuletzt auch am sehr runden Sprachstil des Autors. Robotham verbindet raffiniert die verschiedenen Handlungsstränge zu einem starken Ende, bei dem  sich die Ereignisse überschlagen.

Fazit:

Unfassbar, mit welcher Konstanz Michael Robotham Thriller der Extraklasse liefert. Seit nunmehr über zwanzig Jahren begeistert der Australier seine Leser. Man kann seine Romane blind kaufen und wird nie enttäuscht werden. Robotham ist einfach einer der größten Thriller-Autoren dieser Zeit.