Die Bosheit

  • Limes
  • Erschienen: November 2021
  • 6

- Übersetzung: Annika Krummacher

- Originaltitel: "Goda Grannar"

- Taschenbuch, Klappenbroschur

- 448 Seiten

Die Bosheit
Die Bosheit
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Thomas Gisbertz
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2022

Clever konstruierter Roman aus Schweden

Mikael Andersson zieht mit seiner Familie von Stockholm an den Stadtrand von Köpinge, einem kleinen Nest in Südschweden. Hier möchte er mit seiner Frau Bianca und den beiden kleinen Kindern einen Neuanfang wagen. Gemeinsam hofft man auf ein ruhiges, idyllisches Leben fernab der Großstadt. Die Nachbarn in der kleinen Wohnanlage, die sich die Familie Andersson aussucht, erscheinen ausgesprochen freundlich. Sie sind bekannt für ihre Hoffeste, welche die eingeschworene Gemeinschaft feiert. Doch die heile Vorstadtidylle trügt: Jeder der Bewohner scheint ein dunkles Geheimnis oder auch heimliche Sehnsüchte zu besitzen. Plötzlich ereignet sich ein schrecklicher Unfall. Mikaels Frau wird von einem Auto angefahren und ringt mit dem Tod. Mehr und mehr keimt im Familienvater der Verdacht, dass es kein Unglück, sondern eine vorsätzliche Tat war. Doch welcher Nachbar will Mikaels Frau tot sehen – und welches Geheimnis hütet er selbst?

Auf gute Nachbarschaft

Vier Einfamilienhäuser befinden sich in der Wohnanlage auf Schonen, in die Familie Andersson zieht. Die neuen Nachbarn könnten unterschiedlicher kaum sein. In Haus Nummer 12 wohnt das Rentnerehepaar Gun-Britt und Åke. Jacqueline Selander, ein ehemaliges Modell, das in Amerika sehr erfolgreich war, hat sich zusammen mit ihrem Sohn Fabian in Haus Nr.15 niedergelassen. Zuletzt lebt der Bankangestellte Ola Nilsson mit seinen zwei Katzen in der Wohnanlage (Nr. 14). Wie Bianca schnell erfährt, ist dieser wegen körperlicher Misshandlung bereits einmal verurteilt worden. Mikael und Bianca beziehen das ehemalige Haus eines Siebzigjährigen, der vor einiger Zeit beim Sturz von einer Leiter tödlich verunglückte. Die Bewohner wirken auf dem ersten Blick bodenständig und unkompliziert. Genau das hat die Familie gesucht. Doch dann gerät Biancas Leben durch den Autounfall in Gefahr und plötzlich kommt das Böse hinter der schönen Fassade der Nachbarschaft zum Vorschein.

Schwedischer Bestsellerautor

Autor Mattias Edvardsson hat sich in den letzten Jahren auch hierzulande mit seinen psychologisch klug gestrickten Romanen einen Namen gemacht. Wenn er keine Bücher schreibt, arbeitet er als Gymnasiallehrer und unterrichtet Schwedisch und Psychologie. Mit seinen Romanen „Die Lüge“ und „Der unschuldige Mörder“ eroberte er auf Anhieb die Bestsellerlisten und wurde nicht nur von den Lesern gefeiert, sondern auch von der Presse hochgelobt.

Wie die schwedische Zeitung Skånska Dagbladet so treffend schreibt, beherrscht Edvardsson die Kunst, „Grauen im Alltäglichen zu erschaffen“. Für seinen neuesten Roman „Die Bosheit“ hat sich der Autor einen wohlbekannten Schauplatz ausgesucht: die eigene Nachbarschaft. Das Verbrechen spielt sich unmittelbar vor der Haustüre ab. Eine Welt aus Schein, Intrigen und falschen Vorstellungen.

Gesellschaftskonflikte

„Die Bosheit“ ist kein klassischer Thriller oder Kriminalroman, sondern eher Gesellschaftsroman mit Elementen des Spannungsromans. Alles, was hier geschieht, ist letztendlich eine Verkettung von Missverständnissen und falschen Verdächtigungen. Gerade aber aus der Frage, wozu dies alles führen mag, zieht der Roman seine psychologische Tiefe und seine Spannung, die sich zunehmend steigert. Ähnlich wie in einem klassischen Hitchcock-Film stehen mit Mikael, seiner Familie und den Mitbewohnern der Siedlung Normalbürger im Mittelpunkt der (kriminellen) Handlung. Hier sind letztendlich Ängste und psychischen Abgründe der Menschen die Triebfeder der Geschichte. Edvardsson verzichtet ebenso auf einen typischen Verbrecher und einen Ermittler wie auf eine actiongeladene Handlung und ein hohes Erzähltempo. Dies muss man als Leser mögen, da man ansonsten enttäuscht sein dürfte. 

Besondere Erzählsituation

In Rückblenden - beginnend mit dem Umzug der Familie Andersson nach Köpinge - wird aus verschiedenen Blickwinkeln beschrieben, in welcher Beziehung die Figuren zueinander stehen, was sie voneinander denken bzw. halten und wie es letztendlich zum Unfall kommt. Der Wechsel des Ich-Erzählers ist typisch für Mattias Edvardssons Schreibstil und findet sich auch in seinen vorherigen Romanen wieder. Diesmal sind die Erzähler Mikael, das ehemalige Modell Jacqueline, die die treibende Kraft in der Geschichte ist, und ihr Sohn Fabian, dessen auffälliges Verhalten auch im Zusammenhang mit seinen Mitschülern nahelegt, dass er unter dem Asperger-Syndrom leidet.

Mikael ist Sportlehrer an Fabians Schule und steht ihm bei einigen Konflikten zur Seite. Diese besondere schulische Beziehung ist nur ein Beispiel innerhalb des Romans dafür, dass es Verbindungen zwischen den Bewohnern der Anlage gibt, die über das private, nachbarschaftliche Verhältnis hinausgehen. Dies führt dazu, dass ein zusätzliches Konfliktpotential entsteht, was die Spannungen zwischen den Figuren in ihrem Mikrokosmos der Wohnanlage weiter steigert. Der tragische Unfall, von dem man zu Beginn der Handlung erfährt, stellt den Ausgangs- und Endpunkt des Romans dar und ist somit das verbindende Element der Erzählung.

Das Unausweichliche

Mattias Edvardsson ist ein großartiger Beobachter der (schwedischen) Gesellschaft. Der Autor versteht es erneut, ein Geflecht aus Missgunst, Neid und Lügen zu konstruieren, in dem sich seine Figuren verfangen und aus dem es kein Entkommen gibt. Dies zeigt in konsequenter Weise auch das Ende des Romans, das den Leser mit seiner der Auflösung zunächst überrascht und gleichzeitig aufgrund der dargestellten Folgen und Konsequenzen fassungslos zurücklässt. Eins wird bei der Lektüre deutlich: Jeder der Hauptfiguren trägt in gewisser Weise dazu bei, dass es zum tragischen Unglück kommt und jeder lädt dadurch Schuld auf sich - der eine mehr, der andere weniger.

Fazit:

Mattias Edvardsson lässt seine Leser erneut tief in die Abgründe der menschlichen Seele blicken. Geschickt verbindet der Autor die Biografie einzelner Figuren, ihre Sehnsüchte, aber auch ihre Geheimnisse zu einer packenden Geschichte, die die Frage aufwirft, was man bereit ist zu tun, um das zu schützen, was einem wichtig und lieb ist.

Die Bosheit

Mattias Edvardsson, Limes

Die Bosheit

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