Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht morden
- Heyne
- Erschienen: Oktober 2021
- 1
- Taschenbuch, Klappenbroschur
- 288 Seiten
Mehr Humor als Spannung
Der Regisseur, Journalist, Schriftsteller und Filmproduzent Michel Bergmann wurde 1945 als Kind jüdischer Flüchtlinge in Basel geboren. Mit viel Humor thematisiert er in seinen Werken immer wieder das jüdische Leben in Deutschland. Jetzt hat er sich einem neuen Genre gewidmet – dem Kriminalroman. Und natürlich gibt es auch hier einen jüdischen Protagonisten: Rabbi Henry Silberbaum, ebenso unkonventioneller Rabbi, wie typisches „Bubele“, geht gemeinsam mit Kommissar Berking in Frankfurt auf Verbrecherjagd. Nachdem Michel Bergmann in einem Interview anklingen ließ, dass er sich auch noch den anderen neun Geboten schriftstellerisch widmen will, können wir uns jetzt schon auf eine Serie mit dem ungewöhnlichen Ermittlerduo freuen.
Das war Mord!
Die reiche und betagte Ruth Axelrath vertraut Rabbi Silberbaum an, dass sie ihren jüngeren zweiten Ehemann verlassen wird, um nach Israel zu ihrer Tochter zu ziehen. Ihr Testament will sie zugunsten ihrer Tochter und der jüdischen Gemeinde Frankfurt ändern. Dieser stellt sie ein Erbe von 1 Million Euro in Aussicht, das zum Bau einer Bibliothek genutzt werden soll. Kurz darauf ist die großzügige Dame tot und Rabbi Silberbaum ist sich sicher: Das war Mord! Auch wenn er den knurrigen Kommissar Berking erst davon überzeugen muss, unterstützt dieser ihn dann doch tatkräftig bei der nicht immer einfache Suche nach dem Mörder.
Jiddischer Humor trägt die spärliche Handlung
Schon nach den ersten Sätzen ist klar – in diesem Krimi spielt der selbstironische und knochentrockene jiddische Humor eine ganz große Rolle. Und nach den ersten Kapiteln wird deutlich, dass dieser die eigentliche Krimihandlung dominiert, denn die wäre in wenigen Sätzen erzählt und der Mord im Null-Komma-Nichts aufgeklärt.
Aber so kann man sich an zahlreichen Wortgeplänkeln, aberwitzigen Situationen und stets sehr humorvollen Dialogen erfreuen. Leider leidet die Spannung doch sehr darunter und generiert sich weniger aus der Mörderjagd als viel mehr aus der Frage, welches Hindernis der jüdische Glaube nun wieder bereit hält und vor allem welche völlig unkonventionelle Lösung Rabbi Silberbaum dafür haben wird.
Das Buch punktet durch Einblicke in jüdisches Leben
Wer dieses Buch liest, sollte keinen vielschichtigen Krimi mit ausgeklügelten Charakteren erwarten. Der eigentliche Krimiplot ist wenig kompliziert und die Lösung schnell erkannt, die Figurenzeichnung eher pauschal.
Was dieses Buch lesenswert macht, ist die selbstironische Schilderung vom jüdischen Leben in Deutschland. Natürlich wird die problematische Vergangenheit thematisiert, doch im Vordergrund steht das ganz Alltägliche: die einzuhaltenden Regeln der Tora, die Gesetze der Halacha, die Belehrungen des Talmudes, die Speisevorschriften… und vor allem, wie diese Ge- und Verbote auf unkonventionelle Art zu händeln sind. Wir lernen die „chevra kaddischa“ kennen, die sich um die Toten kümmern; die Mesusah, die am rechten Türpfosten jeder Eingangstür zu finden ist oder das jüdische Totengebet, das „Kaddisch“. Doch das immer mit so viel Humor, dass er manchmal schon fast zu viel wird. Den bekommt man vor allem bei der Schilderung vom Familienleben in geballter Form zu spüren, wenn Mamele Silberbaum, das „jüdische Google“, ihr Bubele mit „challe“ und Mezzensuppe bemuttert oder Freundin Zoe sich z.B. über Betty, den kleinen Hund mokiert:
„Ein Hund? Du bist meschugge!“
„Nein, hier schau: Das ist Betty! Mach schön winke winke, Betty! Das ist Zoe. Sie liebt kleine Hund.“
„Ja, am liebsten gegrillt!“
„Sei nicht so garstig.“
„Du bist Rabbiner, Hunde sind nicht koscher.“
„Wo steht das?“
„Keine Ahnung.“
Überhaupt wimmelt es im ganzen Buch nur so von jiddischen Begriffen, die aber alle im anhängenden Glossar erklärt sind und, die manchmal sogar unbewusst in der deutschen Sprache gebraucht werden.
Fazit
Humor meets Krimi! Michel Bergmann eröffnet mit dem vorliegenden Buch die Reihe rund um Rabbi Silberbaum und Kommissar Berking, wobei die Suche nach dem Mörder leider dem überbordenden Witz zum Opfer fällt und die Spannung damit eher auf Sparflamme köchelt. Wer es aber eher unkompliziert mag, jiddischen Humor liebt und ganz nebenbei noch etwas über das jüdische Leben lernen will, der ist hier genau richtig.
Michel Bergmann, Heyne
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