Billy Summers
- Heyne
- Erschienen: August 2021
- 5
- Übersetzung: Bernhard Kleinschmidt
- Hardcover mit Schutzumschlag
- 720 Seiten
Der Killer und das Opfer
Billy Summers ist ein Ex-Marine und verdingt sich als Auftragskiller. Sein neuester Job ist mehr als lukrativ: Zwei Millionen Dollar soll Billy für die Ermordung von Joe Allen erhalten, der nach einem Pokerabend zwei Männer erschossen hat. Momentan sitzt Allen aber noch wegen Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung in Los Angeles im Gefängnis. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis er sich wegen des Doppelmordes in Red Bluff vor Gericht verantworten muss. Das wäre die Gelegenheit für Billy, seinen Auftrag durchzuführen. Es soll gleichzeitig sein letzter großer Coup werden. Danach will er sich mit gerade einmal 44 Jahren zur Ruhe setzen und ein neues Leben beginnen. Aber Billy hat sich mit mächtigen Hintermännern eingelassen und steht schließlich selbst im Fadenkreuz.
Auf der Flucht
Während sich Billy Summers vor seinen Feinden versteckt, wird er Zeuge, wie eine junge Frau von drei Männern am Straßenrand regelrecht entsorgt wird. Die 21-jährige Alice Maxwell ist die Opfer einer Gruppenvergewaltigung geworden. Billy beschließt, sich um die verletzte Frau zu kümmern. Was er noch nicht weiß: Diese Entscheidung wird sein Leben verändern. So oder so. Alice wird zu Billys Schicksal. Und dennoch: Es wird die beste Entscheidung sein, die er in seinem Leben jemals getroffen hat. Endlich scheint sich das Leben für Billy zum Guten zu wenden.
Großartiger Autor
Über Stephen King muss man nicht mehr viel sagen. Der 74-jährige US-Amerikaner ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller überhaupt. Bislang haben sich seine Bücher wie Shining, Misery oder Stand by me weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.
47 Jahre nach seinem Debütroman Carrie legt Stephen King nun mit Billy Summers eine Geschichte vor, die vielleicht eher untypisch für ihn ist, da sie ganz ohne übersinnliche oder mystische Elemente auskommt. Dennoch ist es ein Roman, der nicht nur die King-Fans weltweit begeistern dürfte. Die Erzählung um den Kriegsveteran Billy Summers ist vielleicht sogar seine beste Erzählung.
Der letzte Coup
Kings aktueller Roman Billy Summers beweist einmal mehr, welch fantastischer Schriftsteller der Amerikaner ist. Das Besondere ist diesmal, wie King die Geschichte um seine Figur entfaltet. Es geht um die dunklen Schatten der Vergangenheit, das Erkennen und Finden der wahren Identität und letzten Endes um die Macht der Literatur.
Der Kriegsveteran Billy Summers spürt schon bald, dass sein letzter Auftrag alles andere als gewöhnlich ist. Es dauert mehrere Monate, bis er ihn in die Tat umsetzen kann. Statt sich zu verstecken und abzuwarten, freundet sich der Killer sogar mit seinen Nachbarn und deren Kindern an. Auch sonst ist Billy kein gewöhnlicher Killer. Er tötet - geprägt durch seine Erfahrungen im Krieg - nur „schlechte Menschen“, die, die es seiner Meinung nach nicht anders verdient haben.
Liebe zur Literatur
Unter dem Decknamen David Lockridge soll Summers sich zur Tarnung als Schriftsteller ausgeben, der kurz vor dem großen Durchbruch steht. Aber seine Auftraggeber wissen nicht, dass Billy ein leidenschaftlicher Leser ist. Émile Zola, William Faulkner oder auch Thomas Hardy zählen zu seine Lieblingsautoren. Um sich die Zeit zu vertreiben, beginnt er tatsächlich, eine Geschichte zu schreiben. Seine Geschichte. Er schildert den Verlust seiner Schwester und erzählt über seine traurige Kindheit und die Gräuel während seines Irak-Einsatzes in Falludscha.
Anfangs noch zögerlich, hilft ihm das Schreiben, einen Zugang zu sich selbst zu finden und gleichzeitig seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Sinnbildlich wird sein Roman zunehmend fiktiver, je mehr Summers über die aktuellen Ereignisse schreibt. Es wird die „Geschichte eines Verlorenen“ - und doch ist sie für ihn ein Weg zu sich selbst. Billy erliegt der Kraft der Literatur; er erkennt, wie Worte die Welt verändern können.
Nach und nach verfällt auch Alice dieser Faszination, die ihr Leben retten wird. Am Ende hofft auch sie, dass Worte den Lauf der Dinge verändern können: „Das mag zwar nicht von Dauer sein, die Welt kehrt immer wieder zurück, aber bevor sie das tut, ist es fantastisch. Es ist alles, was es geben kann. Man kann die Dinge nämlich formen, wie man sie haben will […].“ Genau das ist es, was Schreiben, aber auch das Lesen so wichtig und besonders macht. Man spürt regelrecht, wie der Autor selbst uns diese Worte zuflüstert.
Exzellenter Thriller
Aber Billy Summers ist auch ein packender Thriller. Brutal, gnadenlos, spannend. Ein wahrer Pageturner trotz der gut 700 Seiten. Es geht um Gut gegen Böse, um Wahrheit und Fiktion. Auf der Jagd nach Gerechtigkeit treibt es die beiden Hauptfiguren quer durch Amerika. Der Killer und das Vergewaltigungsopfer; zwei Schicksale, die zusammenfinden. Beide kommen sich näher. Vielleicht ist es der Profikiller in Billy, der solche Nähe aber nicht zulassen will oder kann. Keine Emotionen zeigen. Gleichzeitig erzählt Stephen King aber eine Geschichte voller Gefühle: Hass, Verachtung, Trauer, Wut, Verzweiflung, aber auch Freundschaft und grenzenlose Liebe. Genau damit endet der Roman, aber doch ganz anders, als man denkt. Ohne dabei kitschig zu sein, sondern berührend, voller Hoffnung und dem Wissen, mit Literatur ganze Welten schaffen zu können. Genau dies macht King hier und der Roman lässt den Leser auch lange nach der Lektüre nicht los: „I once was lost, but now am found.“
Fazit:
Nehmen Sie sich Zeit für den Roman. Es lohnt sich. Jede Seite wird Sie mehr in die Geschichte um Billy Summers ziehen, die alles bietet, was einen guten Thriller ausmacht. Und doch ist Kings neuestes Werk so viel mehr. Vor allem beeindruckt die hohe Erzählkunst. Nach über 700 Seiten ist man traurig, dass der Roman zu Ende geht und gleichzeitig dankbar, eine derart beeindruckende Erzählung gefunden zu haben. Bleibt nur zu wünschen, dass es nicht Kings letzter großer Coup war.
Stephen King, Heyne
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