Ein kaltes Herz: Sarah Conti stellt sich vor
- Kein & Aber
- Erschienen: Oktober 2021
- 3
Die etwas andere Ermittlerin aus Zürich
Die Züricher Kriminalpolizistin Sarah Conti ist Spezialistin für besondere Mordfälle und die Beste auf ihrem Gebiet. Doch als die Ermittlerin in einer stürmischen Oktobernacht ins gediegene Quartier Seefeld gerufen wird, findet sie eine grässlich zugerichtete Leiche vor: Dem 67-jährigen Opfer Kaspar Feldmann wurden beide Oberarme gebrochen, der Korpus weist zahlreiche Prellungen auf, die Halswirbel sind bis zum Anschlag verdreht. Aber das Furchtbarste: Jemand hat das Brustbein aufgetrennt und das Herz herausgerissen. Wer ist zu solcher Grausamkeit fähig? Ein rätselhaftes Fundstück am Tatort wirft weitere Fragen auf. Als stadtbekannter Anwalt des Zürcher Establishments hatte sich Feldmann nicht nur Freunde gemacht – Doch wer hat ihn derart gehasst, um ihm das anzutun?
Wer war das Opfer wirklich?
Wo eben noch das Licht des Wohlstands und der Dekadenz zu glänzen schien, enthüllen die Ermittlungen der Züricher Kantonspolizei nach und nach ein düsteres Netzwerk aus Gewalt, Lügen und gefährlichem Gedankengut, in das der Tote bis zum Hals verstrickt war. Für Sarah Conti und ihr Team beginnt ein steiniger Ermittlungsweg, denn neben der besseren Gesellschaft tritt auch die geheimnisvolle Bruderschaft „Fratres in spiritu sancto“ auf den Plan, die ihre Machenschaften um jeden Preis verborgen wissen will. Während die gepflegte Fassade des Züricher Society zu bröckeln beginnt, wird Sarah Conti zusehends von der Jägerin zur Gejagten.
Schweizer Autor
Über das Leben des Autors Fabio Lanz ist wenig bekannt. Unklar ist zum Beispiel, ob es sich beim Namen um ein Pseudonym handelt. Der Schweizer Verlag „Kein & Aber“ schreibt auf seiner Website relativ vage: „Fabio Lanz, geboren in Zürich, durchlief eine Karriere in diversen Tätigkeiten, bevor er das Schreiben entdeckte. Dabei entwickelte sich sein Blick für das Schöne und das Böse. Fabio Lanz lebt in Zürich und in der Provence.“ Andere Quellen berichten davon, dass Lanz nach einer Schreinerlehre in Lugano Kunstgeschichte und Philosophie in Zürich, Rom und Paris studierte. Nach einer Karriere als Kunsthändler wurde Lanz demnach - nach eigenem Bekenntnis - gleichzeitig Lebenskünstler und Schriftsteller. Was davon wahr ist, bleibt unklar.
Zumindest das Studium der Kunstgeschichte und der Philosophie scheint aber naheliegend, wenn man den Debütroman des Schweizers liest. So ist die Kriminalerzählung voll von kunsthistorischen Verweisen, etwa auf den großen italienischen Meister Giovanni B. Piranesi und seine berühmten „Carceri d'Invenzione“, die Malerei des modernen Realismus (Sarahs Lieblingsmaler ist der US-Amerikanische Pop Art Künstler Alex Katz) sowie philosophische Anspielungen und Diskurse. Auch im Bereich Musik, Literatur und Kultur im Allgemeinen erfährt der Leser unterschwellig viel Wissenswertes, was dem Roman allein deswegen einen ganz besonderen Reiz verleiht.
Die etwas andere Ermittlerin
Mit Sarah Conti steht eine in vielerlei Hinsicht besondere Ermittlerin im Fokus der Handlung. Die Karriere der 40-jährigen Kriminalpolizistin ist eher ungewöhnlich. Nach dem Studium in Musik und Jura sowie der anschließenden Promotion wollte Conti eigentlich Konzertpianistin werden. Dabei hat sie sich bereits als Kind oft Gedanken über Gut und Böse, Recht und Unrecht gemacht. Daher erscheint es zumindest nicht überraschend, dass sie seit nun mehr zehn Jahren im Dienst der Züricher Kantonspolizei steht. Dennoch ist die Liebe zur Musik geblieben. Wenn sie sich nach einem langen Tag in ihrer Wohnung nahe der Seepromenade auf einen Abend ohne Gesellschaft und Ablenkung freut, kämpft sie sich gerne durch Chopins erste Etüde in C-Dur oder lauscht einfach den Klängen von Miles Davis, Händel oder Dave Brubeck.
Conti war und ist eine Einzelgängerin. Sie lebt nach innen, für sich. Die Ermittlerin ist keine Frau für eine feste Beziehung, was ihr Bekannter Fred leidvoll erfahren muss. Freundinnen, wie ihre Nachbarin, die Psychologin Gretchen Schulze, sind ihr wichtiger. Vielleicht ist sie für Beziehungen zu misstrauisch, sieht zu sehr die Gefahren. Ihr Vater sagt, sie sei zu selbstkritisch und könne niemals sich selbst genügen.
„Wie viel Einsamkeit erträgt der Mensch?“ fragt Conti ihren alten Freund und Psychologen Fritz Schindler. „Mitten im digitalen Grundrauschen, mitten in den virtuellen Umarmungen. Mitten in unseren künstlichen Nahbeziehungen, die meistens zerplatzen, wenn wir sie wirklich anzufassen versuchen.“
Die Arbeit bei der Ermittlungsabteilung Gewaltkriminalität aber erfüllt sie. Sie ist nach außen hin eine kühle, elegante Ermittlerin, für die Disziplin wichtig ist. So arbeitet sie abends noch gerne an ihrem persönlichen „Falltagebuch“. Sarah Conti ist beruflich sehr erfolgreich, weil sie anders denkt - oder zu viel, wie ihr Mentor Erwin Sonderegger, Leiter der Kriminalpolizei, ihr einst vorwarf. Sarah widerspricht dem energisch. Sie will nicht nur Fälle lösen, sondern den Menschen erkennen, der hinter den Taten steckt. Dieser psychologische Tiefgang ist ihr wichtig. Sie will verstehen. Ähnlich ergeht es ihr bei den Opfern. Zu schnell wird für sie aus dem Menschen der Tote, dem man versucht, sachlich und faktenorientiert beizukommen. Vom Subjekt zum Objekt. Conti hasst diese Gegenständlichkeit, wie sie es nennt. Die Ermittlerin will vielmehr den Toten als Subjekt rekonstruieren und in ein zweites Leben zurückholen.
Unaufgeregte Ermittlungsarbeit
Dass Sarah Conti nach ihrem Studium auch nicht Rechtsanwältin oder Jurist wurde, sondern Kriminalpolizistin, hat auch damit zu tun, dass sie die Menschen hier so entdeckt, wie sie sind:
„Wenn sie nicht mehr ihre Rollen spielten, sondern ihrem wahren Naturell näher waren. Mörder […] offenbarten etwas von sich selbst, das vorher verborgen gewesen war.“
Genau dieses Verborgene ist für Sarah Conti das Faszinierende, Reizvolle, ja mitunter Geheimnisvolle an ihrer Arbeit.
Ihr zur Seite stehen mit Carl Vormüller und ihrer Assistentin Lisa zwei grundverschiedene Ermittlertypen, die sich aber hervorragend ergänzen. Während der Genussmensch Carl das Idealbild eines guten Kriminalpolizisten mit klarem Verstand verkörpert, dessen Markenzeichen seine mitunter unfreiwillig komischen Kommentierungen sind, schätzt Sarah an Lisa besonders deren Zielstrebigkeit, ihre Aufmerksamkeit und ihre Selbstständigkeit. Vielleicht liegt dies daran, dass sie Conti damit in vielem sehr ähnelt.
Gute Ermittlungsarbeit braucht Zeit. Das muss auch Staatsanwalt Theo Ochser erfahren. Dennoch ist es gerade diese unaufgeregte, sachliche, akribische Arbeit, die das Ermittlerteam so authentisch erscheinen lässt.
Vielleicht gibt es inhaltlich den ein oder anderen Handlungsstrang oder eine falsche Fährte zu viel. Auch werden nicht unbedingt alle Fragen am Ende geklärt. Dennoch ist die Lektüre insgesamt ein großes Lesevergnügen voller Spannung und einem gelungenen Plot.
Fazit:
Fabio Lanz gelingt ein wunderbarer, feingeistiger Roman, der durch eine ganz besondere Ermittlerin vor der beeindruckenden Kulisse Zürichs zu überzeugen weiß. Dabei ist die Erzählung weit mehr als ein klassischer Kriminalroman. Es ist eine wahre Freude, der Geschichte zu folgen. Hören Sie die Musik, lassen Sie sich von der Kunst begeistern und folgen Sie den interessanten philosophischen Diskursen und Einschüben. Dann werden Sie die Faszination des Debütromans des Schweizers Fabio Lanz erst richtig erleben können.
Fabio Lanz, Kein & Aber
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