Innere Unsicherheit
- Westend
- Erschienen: April 2020
- 0
Wenn am rechten Rand die Macht-Phantasien ausgelebt werden
Ist es realistisch, dass in Deutschland eine rechtspopuläre Partei - im Roman heißt sie AEP - mit 27 Prozent der Wählerstimmen einen Erdrutschsieg hinlegt und künftig an der Bundesregierung beteiligt ist? Dieses Szenario ist jedenfalls der Ausgangspunkt für Markus Kampa in seinem Polit-Thriller “Innere Unsicherheit”. Und mit dieser Lage muss Ellen Strachwitz umgehen, denn als Präsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist sie für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich. Und da wird halt nicht gefragt, ob ihr die Zusammensetzung der Bundesregierung politisch passt oder nicht.
Strachwitz muss außerdem die Übersicht behalten. Teile der AEP sind oder waren Beobachtungsfälle für den Verfassungsschutz. Und dann bittet sie ihr Kollege beim Bundesnachrichtendienst (BND) zum Gespräch - und bietet ihr inoffiziell seine Nachfolge an. Extrem kompliziert wird es dann für die Geheimdienst-Chefin, als Heimatschutz-Ministerin Delius von der AEP kurzerhand bei einer Besprechung der deutschen Geheimdienste in Berlin auftaucht, und in der Folge das intensive Gespräch mit Strachwitz sucht. Die zwei Frauen kommen sich näher, für die Verfassungsschutzchefin eine hoch problematische Situation, zumal die Politikerin sie in laufende politische Vorgänge einweiht.
Delius seufzte. “Thürmer plant eine Intrige gegen mich. Er möchte mich abservieren.”
“Warum sollte er denn? Der braucht Dich doch! Du bist doch die Einzige, die wirklich Anklang bei bürgerlichen Wählern findet.”
“Der gute Mann fürchtet, dass ich ihm den Parteivorsitz streitig mache. Und er sieht mich langfristig als Konkurrenz für eine Kanzlerkandidatur.”
“Und ist das denn nicht so?”
“Ich weiß aus absolut sicherer Quelle, dass Thürmer schon sehr bald irgendein krummes Ding lostreten will. Und er hat einen mächtigen Verbündeten in der Union.”
Frühzeitig wird im Roman der Elitesoldat Jörg eingeführt, bei einer illegalen Befreiungsaktion im Roten Meer. Er hat nach seiner Rückkehr schnell Kontakt zu rechtsradikalen Kreisen, und steht auch auf der Überwachungsliste von Strachwitz. In dieser Phase fragt sich der Leser, wann denn die auf dem Buchrücken angekündigten Entführung der Ministerin passiert - es kann sich nur um Delius handeln.
Falsche Fährten und ein überraschendes Finale
Der Autor arbeitet mit vielen falschen Fährten und Andeutungen, auch als Delius endlich gekidnappt wird, ist lange vollkommen unklar, wer denn nun dahintersteckt. Für Strachwitz ist die Entführung der Ministerin wegen der privaten Verstrickung eine doppelte Katastrophe. Im Roman geht es nach der Entführung so richtig rund, angesichts der politischen Gemengelage kein Wunder. An dieser Stelle ist mir persönlich allerdings das Geschehen etwas zu sehr auf Ellen Strachwitz verengt. Zwar gibt es insistierende Rückfragen aus der Politik, aber der Autor hat die Reaktion der Sicherheitskräfte auf die Entführung einer Ministerin eher sparsam dargestellt.
Die Verfassungsschutz-Präsidentin zeigt bei der Suche nach ihrer Chefin und Freundin vollen Einsatz, weit über die Grenzen des Erwartbaren hinaus. An vielen Stellen in diesem Roman fragt sich der faszinierte Leser: Was wäre eigentlich, wenn das alles, oder doch vieles Realität wäre? Da poppen schon einige Fragen auf, die am Ende jeder für sich selbst beantworten muss - unter Umständen nach entsprechender Recherche. Auf alle Fälle bietet Markus Kampa seinen Lesern eine atemberaubende Geschichte an - auch wenn viele Leser die Lösung vielleicht schneller erahnen, als man es sich gewünscht hätte. Oder sie glauben das nur. Das dynamische Finale hat mich in mancherlei Hinsicht dann doch überrascht.
Fazit:
Bei seinem rasanten und spannenden Polit-Thriller hat Markus Kompa reichlich schriftstellerische Phantasie eingebracht. Was die politische Entwicklung in Deutschland angeht, mag man das für ziemlich übertrieben halten. Das Ausmaß rechter Gesinnung in Bundeswehr und Sicherheitsdiensten ist dagegen in der Realität nicht so weit weg von dem, was der Autor beschreibt, wie man vielleicht meint. Kompa hat einen insgesamt tollen Plot vorgelegt, kurzweilig und höchst unterhaltsam. Von dieser Art Lesekino mit interessanten Protagonisten wie Ellen Strachwitz wünscht man sich mehr.
Markus Kompa, Westend
Deine Meinung zu »Innere Unsicherheit«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!