Wer das Feuer entfacht
- Blanvalet
- Erschienen: September 2021
- 1
- OT: A Slow Fire Burning
- aus dem Englischen von Christoph Göhler
- HC, 416 Seiten
Täter und sehr viele Opfer
Daniel Sutherland hatte es in seinem Leben nicht leicht. Seinen Vater kannte er nicht, seine Mutter war Alkoholikerin, immerhin unterstützte ihn seine reiche Tante gelegentlich. Aber auch das hatte er sich mittlerweile verscherzt. Das letzte was ihm noch blieb, war auf einem heruntergekommenen Hausboot abzusteigen. Hier findet ihn dann die Polizei – mit durchgeschnittener Kehle.
Schnell findet sich auch eine mögliche Verdächtige – die schroffe Laura, die nach einem One-Night-Stand kein Geheimnis daraus macht, was sie von diesem Mistkerl hält. Aber da ist auch noch seine Tante, die einen eigenartigen Groll gegen ihn hegt, die Nachbarin, die sich ohnehin viel zu sehr für sein Leben interessiert und die alte Freundin seiner ebenfalls verstorbenen Mutter, die auch eine eigenartige Rolle spielt. Verschiedene Frauen haben ein Mordmotiv, verschiedene Leben, wurden offensichtlich von Daniel Sutherland berührt. In einem Fall ging das möglicherweise so tief, dass als letzte Konsequenz ein Mord nicht nur mehr erwogen oder überdacht, sondern tatsächlich ausgeführt wurde.
Die britische Autorin Paula Hawkins ist einem großen Teil der Krimileserschaft bereits aus ihrem Vorgängerroman und dessen sperriger Heldin Rachel - dem „Girl on the train“ - bekannt. Auch in diesem Buch macht Hawkins es den Lesern nicht allzu einfach, ihre Helden zu mögen. Allein ihre Laura stolpert von einer Schwierigkeit in die nächste und macht es möglicherweise schwer, auch nur einen Funken Verständnis für sie zu empfinden – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wo ihr Schicksal und ihr Werdegang detailliert beleuchtet werden. Hawkins Charaktere sind sperrig, widerborstig und abschnittsweise unsympathisch, jedem wurde aber hart mitgespielt und manchmal fühlte ich mich wegen meiner ersten Ablehnung regelrecht beschämt und manchmal konnte ich mir nicht helfen und mochte die Personen trotzdem nicht.
Stark, einfach, ziemlich bitter
Hawkins Krimi erinnert von seinen Personen und seinen Motiven an einen starken, einfachen Filterkaffee, so wie man ihn heute noch am Büdchen bekommt und der ohne großes Briborium auskommt. Dennoch hat die Autorin auch hier besondere Twists eingebaut. So ist eine ihrer Protagonisten ein Romanautor, der selbst einen berühmten Krimi verfasste und in diesem das Stilmittel der unterschiedlichen Zeitebenen verwendete, in die er ohne größere Vorwarnung sprang. Spätestens hier sollte dem Leser klar werden, dass Hawkins ähnlich gearbeitet hat. Ohne Vorwarnung befinden wir uns in der Gegenwart, der weit zurückliegenden Vergangenheit oder auch am letzten Wochenende und ab und zu verwirrt das einen kurzen Moment, klärt sich aber schnell auf. Mir gefiel in diesem Buch auch gut, dass Hawkins darauf verzichtet hat, aus der Perspektive verschiedener Personen zu berichten. Über alle wird hier in der dritten Person berichtet, wenn auch in jedem Kapitel ein besonderer Held oder eine besondere Heldin im Vordergrund steht. Hier gelingt es der Autorin, deren Lebenswelten einfühlsam zu beschreiben und besonders anrührend ist dabei die leise Melancholie der verwitweten Irene.
Aber auch bei diesem fesselnden Buch gab es einige Aspekte, die mir weniger gefallen haben. So setzte das Leben der aggressiven Laura nach dem Willen der Autorin sehr hart zu und so ganz konnte ich mir diese Häufung und diese Wucht nicht so vorstellen. Auch das Ende des Romans fand ich eigenartig und unentschlossen. Zwar wird der Mord an Sutherland klar und stimmig aufgelöst, aber dann gibt es doch noch eine Lösung nach der Lösung, die meiner Meinung nach die vorherige Klarheit verwässert. Hier wäre es möglicherweise sogar spannender gewesen, ein paar Fragen offen zu lassen.
Fazit:
Paula Hawkins zeigt anschaulich, berührend und spannend, wie Verletzungen und Traumata einen Schwelbrand legen können, der letztendlich zur alles niederbrennenden Katastrophe wird.
Paula Hawkins, Blanvalet
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