Blutrote Tulpen

  • Heyne
  • Erschienen: Juli 2021
  • 2

- OT: La danza de los tulipanes

- aus dem Spanischen von Anja Rüdiger

- Broschur, 512 Seiten

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Thomas Gisbertz
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2021

Etwas holpriger Start einer neuen Thriller-Reihe aus dem Baskenland

19. Oktober 2018: Zugführer Santi erlebt seinen schlimmsten Albtraum. Vor ihm auf den Gleisen erkennt er eine an einen Stuhl gefesselte Frau, die in ihrer Hand eine rote Tulpe hält. Die Frau hat den Mund weit aufgerissen und schreit so laut sie kann, sodass Santi glaubt, sie trotz des Quietschens der Bremsen zu hören. Unerbittlich rast der Zug dennoch auf die Frau zu. Das Grausame: Es ist Santis Frau und er weiß, dass er den Zug nicht rechtzeitig stoppen kann …

Serienmörder im Baskenland

Mit der Idylle der baskischen Kleinstadt Gernika ist es vorbei, als ein perfider Killer die Region erschüttert. Drei vollkommen unterschiedliche Morde, die nur eins gemeinsam haben: Bei jedem der Opfer wird eine rote Tulpe gefunden. Zur Ergreifung des Täters wird die UEHI einberufen, eine Spezialeinheit für besonders schwerwiegende Mordfälle. Geleitet von Suboficial Ane Cestero begibt sich das Ermittlerteam um Agente Aitor Goenaga, Suboficial Txema Martínez, die Psychologin Silvia und die ortsansässige Polizistin Julia Lizardi zunächst vergeblich auf Spurensuche. Wo liegt die Verbindung zwischen den scheinbar willkürlich gewählten Mordopfern? Und was bedeutet die rote Tulpe? Schließlich führen sie die Ermittlungen zu einem alten Kloster - und in Julia Lizardis eigene Vergangenheit…

Baskischer Schriftsteller

Autor Ibon Martín Alvarez wurde 1976 in Donostia geboren. Er studierte Journalistik und begann seine literarische Karriere zunächst mit einem Reiseführer über das Baskenland, darauf folgten mehrere Kriminalromane. Die Romane des Autors zeichnen sich durch eine sehr genaue Beschreibung der Umgebungen und Landschaften aus. Hier merkt man seine jahrelange Arbeit als Verfasser von Reiseführern. Nicht nur deswegen gilt Ibon Martín als ein absoluter Kenner des Baskenlandes. 2019 wurde er zu einem der besten Thriller-Autoren Spaniens gekürt. Blutrote Tulpen ist der Auftakt einer neuen Thriller-Reihe um die baskische Sondereinheit UEHI.

Schwächen in der Figurendarstellung

Der Roman beginnt fulminant. Der inszenierte Mord auf der Zugstrecke, der live bei Facebook zu sehen ist, stellt einen wirklich packenden Start dar. Auch die Idee, eine Einheit zu bilden, die auf die Aufklärung von Serienverbrechen oder besonders medienwirksame Mordfälle im Baskenland spezialisiert ist, klingt zunächst vielversprechend. Aber genau hier schwächelt der Roman bereits. Gefühlt hatte jeder der Mitglieder bereits einmal eine Beziehung bzw. ein Verhältnis zu jemand anderem aus der Gruppe. Dies soll scheinbar für Spannungen und Brisanz bei der täglichen Arbeit sorgen.

Zusätzlich stört der immer wieder thematisierte Sexismus, wenn es um die Leitung der Einheit geht, da er viel zu oberflächlich behandelt wird. Hier wird zum Teil heftigst gestritten, aber schon im nächsten Moment vertragen sich alle wieder. Als „Einheit“ treten sie aber dennoch nicht auf.

Insgesamt gelingt Ibon Martín noch keine glaubwürdige Darstellung seiner Figuren. Diese wirken oft stereotyp und schablonenhaft. Zusätzlich dreht sich der Autor bei den Charakteren auch ständig im Kreis, wenn zum Beispiel Julia am Ende jedes Abends im Meer schwimmen geht, um die Natur zu spüren. Hierzu bedarf es aber keiner unzähligen Wiederholungen, wie es der Autor macht. Das oftmals sehr naive Vorgehen der Ermittler steht darüber hinaus wiederholt im Gegensatz zur Brutalität der Morde. Dies gilt insbesondere für die Geschehnisse im Kloster.

Schwächen bei der Umsetzung

Das Motiv des Mörders ist nachvollziehbar, die Umsetzung erscheint aber insgesamt nicht stimmig genug. Es gibt keinerlei Gründe dafür, warum er zum Teil die Morde medienwirksam inszeniert, es aber andererseits so unbemerkt geschieht, dass er selber die Ermittler auf die richtige Spur bringen muss. Dabei ist die Geschichte, die hinter den Morden steckt, zutiefst traurig, beklemmend und gleichzeitig auch überraschend. Sie trägt die Erzählung im letzten Drittel des Romans, in dem auch zunehmend Spannung aufkommt.

Wenn es mehr und mehr um die Schicksale einzelner Menschen geht, die eine gemeinsame Vergangenheit aufweisen, bedarf es nicht vieler Worte, um den Leser mit ganzer Wucht zu treffen. Leider wird die Spannung zum Ende hin ständig durch private Episoden rund um das Ermittlerteam unterbrochen, die überhaupt nichts mit dem Fall zu tun haben und daher auch die Handlung nicht voranbringen.

Auch sprachlich wirkt der Roman irgendwie unrund. Besonders auffällig ist, dass der Autor alles, was die Figuren machen, zu erklären versucht, um den Anschein zu erwecken, dass er sich mit der baskischen Polizei und deren Ermittlungsarbeit gut auskennt. Dies wirkt aber zu aufgesetzt und stört mehr, als dass es gewinnbringend wäre.

Fazit:

Es ist doch ein weiter Weg vom Verfasser für Reiseführer hin zu einem Autor von Spannungsromanen. Der Plot an sich ist vielversprechend und das Motiv des Mörders bewegend, aber bei der Umsetzung wollen die einzelnen Rädchen noch nicht ineinandergreifen. Viele gute Ideen ergeben leider noch keinen guten Thriller. Die einzelnen Charaktere sind noch zu oberflächlich, die Wechsel zwischen Haupthandlung und Nebenhandlung zu abrupt. Aber es ist auch erst der Start der neuen Reihe um die baskische Spezialeinheit.

Blutrote Tulpen

Ibon Martín, Heyne

Blutrote Tulpen

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