Bluthölle
- Ullstein
- Erschienen: August 2020
- 4
- OT: Written in Blood
- aus dem Englischen von Sybille Uplegger
- TB, 413 Seiten
- Bd. 11 [Dt. Hunter & Garcia]
Jagd auf brutalen Killer mündet in tödlichem Katz-und-Maus-Spiel
Robert Hunter und Carlos Garcia sind im Los Angeles Police Departement die Spezialisten für die besonders brutalen, gewalttätigen und erschütternden Verbrechen. Sie bilden die Ultra Violent Crime Unit, und müssen immer dann ermitteln, wenn es um skrupellose Serienkiller geht. Forensikerin Susan Slater hat ein ominöses Tagebuch in ihrem Briefkasten gefunden, in dem mehrere Morde beschrieben werden. Sie meldet sich sofort bei Hunter, und legt so den beiden Detectives einen spektakulären Fall auf den Tisch, der selbst für die UV-Einheit höchst ungewöhnlich ist.
Der Leser hat im ersten Kapitel gelernt, dass die Taschendiebin Angela Wood in den Besitz des brisanten Tagebuchs gelangt ist. Sie hat es Slater in den Briefkasten gesteckt, weil sie die Forensikerin zufällig kennt. Die hat den braunen Umschlag mit dem in schwarzes Leder gebundenen Notizbuch mit in ihr Labor genommen. Dort werden - wie bei Chris Carter üblich - überaus brutale Morde geschildert. Der Killer spricht von Subjekten, denen er das Leben genommen hat, und schildert akribisch, wie er dabei vorgegangen ist. Außerdem schreibt er über “Stimmen”, die von ihm verlangen, wie seine Opfer aussehen sollen, wie alt sie sein sollen, und welche weiteren Merkmale gefordert werden. Außerdem sind genaue Daten vermerkt, wo die Leichen vergraben wurden – und so fahren Garcia und Hunter zu einem ersten Ablageort.
“ ‚Der Täter, mit dem wir es hier zu tun haben, hört also nicht nur Stimmen‘, sagte Captain Blake, ‚und tut, was sie ihm sagen, er scheint auch noch einen Doktortitel in Sadismus zu haben, weil es ihm nicht gereicht hat, diese Frau lebendig zu begraben. Er hat ihr auch noch beim Sterben zugesehen - ihrer Panik, ihrem verzweifelten Überlebenskampf. Das alles hat er live mitverfolgt.‘
‚Und es würde mich nicht wundern, wenn er all das gemütlich von seinem Wohnzimmer aus gemacht hätte‘, setzte Garcia hinzu. ‚Während er Popcorn isst und sich einen runterholt.‘
Captain Blake warf ihm einen angeekelten Blick zu. ‚Vielen Dank dafür.‘ ”
Der Leichenfund bringt den Detectives weitere Erkenntnisse, aber die Jagd nach dem Killer bleibt ein schwieriges Unterfangen. Wie üblich geht es bei Chris Carter nicht nur um brutale Morde, sondern auch um Gefühle und psychologische Verwicklungen. Vor allem Angela Wood rückt hier in den Blickpunkt. Der Autor nimmt mal wieder einen langen Anlauf, um seine Protagonisten ausführlich vorzustellen. Problematisch wird es für die Ermittler und ihre wichtige Zeugin, als Wood vom Killer identifiziert und verfolgt wird.
Der Mann ruft schließlich sogar bei Robert Hunter an, um sein Tagebuch zurückzufordern. Die Ermittler finden zwar heraus, warum das Buch dem Mann so wichtig ist, aber er ist ihnen dennoch immer ein Stück voraus. Hunter vermutet, dass der Killer eine militärische Ausbildung hat, denn er benutzt häufiger bestimmte Schlüsselbegriffe in seinen Aufzeichnungen. Die Detectives kommen dem Mann näher – doch dann wird Angela Wood entführt, trotz der intensiven Bewachung durch die Polizei.
“ ‚Musik?‘ Hunter sprang auf. ‚Angela, wann haben Sie die SIM-Karte wieder eingelegt?‘
‚Heute Morgen. Nach dem Aufwachen. Aber ich habe nur zwei Songs gehört. Ich habe nicht mal zehn Minuten gestreamt.‘
‚Mein Gott, Angela!‘
‚Schon gut, schon gut. Ich nehme sie wieder raus. Aber vergessen Sie das mit dem Tablet nicht, okay?‘
Im selben Moment, unmittelbar bevor Angela auflegte, hörte Hunter aus der Leitung ein leises Geräusch, bei dem es ihm eiskalt den Rücken hinunterlief. Es klang wie eine Türklingel.
‚Was war das?‘, fragte er alarmiert - doch es war schon zu spät. Angela hatte aufgelegt. “
Der Wettlauf mit dem Killer – denn das schließt sich jetzt an – macht Robert Hunter (und damit auch den Leser) komplett atemlos. Im ersten Teil des Thrillers geht es, wie immer bei Carter, um die brillanten Schlussfolgerungen von Hunter und Garcia, zum Finale hin dann um ein perfekt aufgebautes Katz-und-Maus-Spiel.
Die direkte Bedrohung für die Cops schafft ganz neues Spannungspotenzial; dabei hat die Lektüre des Killer-Tagebuchs schon für einen unheimlichen Sog gesorgt. Aber richtig gut ist hier die Gestaltung des Finales: Viele Autoren haben am Ende eines Thrillers das Problem, einen adäquaten Abschluss zu gestalten, ohne den Leser irgendwie zu enttäuschen. Manche kippen die Auflösung einfach wie einen Eimer Wasser aus. Chris Carter hingegen löst das – mal wieder – mit Bravour.
Fazit
Man mag die brutalen Tötungsarten kritisieren, die Chris Carter immer wieder präsentiert. Aber die ungeheure Spannung, die er bei der Jagd nach den Killern aufbaut, macht schon ein wenig süchtig. Carlos Garcia ist der nun einmal notwendige Partner, aber wirklich nicht mehr. Star der Reihe ist der Psychologe Robert Hunter – charismatisch, hochintellektuell und sehr empathisch. Für mich macht diese Figur die Reihe und ihre hohe Faszination aus, und Hunter würde ich gerne auch mal als Film sehen. Deshalb – fast schon Standard bei Carter – einmal mehr 80 Grad für diesen Thriller.
Chris Carter, Ullstein
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