Der Geheimbund

Papst Paul VII. ist tot - aber ist er wirklich an einem Herzanfall gestorben, wie einflussreiche Kurienmitglieder aus seinem Umfeld die Welt glauben lassen wollen? Die Ausgangslage für einen Thriller aus der Gabriel-Allon-Reihe ist höchst ungewöhnlich. Schließlich ist der Titelheld israelischer Geheimagent, und mittlerweile zum Direktor des Auslandsgeheimdienstes aufgestiegen. Aber Erzbischof Luigi Donati, Privatsekretär des verstorbenen Heiligen Vaters, und alter Freund des Mossad-Chefs, bittet Allon dringlich um dessen Hilfe. Und da sich der Israeli gerade bei seinen Schwiegereltern in Venedig aufhält, spricht nichts dagegen, dass er sich Donatis Vermutungen zumindest anhört.

Allon teilt die Auffassung Donatis, dass es bei den Umständen des Todes von Paul VII., Daniel Silva hat für seinen Thriller einen fiktiven Papst erschaffen, mehr als Ungereimtheiten gibt. Und es ist auch höchst auffällig, dass Spitzenleute im Vatikan - von denen etliche einem geheimen Orden angehören - nichts von Nachforschungen zu den Geschehnissen in der Todesnacht wissen wollen. Gabriel Allon nutzt ohne Zögern die Ressourcen des Mossad, um zunächst den Schweizer-Gardisten Niklaus Janson aufzuspüren, der in der fraglichen Nacht für die Sicherheit des Papstes verantwortlich war. Als der junge Mann vor den Augen des Geheimagenten erschossen wird, ist vollkommen klar, dass Paul VII. nicht eines natürlichen Todes gestorben ist.

Der Autor führt - wie man es von ihm gewohnt ist - die Leserinnen und Leser in einer atemlosen Suche in verschiedene europäische Länder. Gabriel Allon kommt dabei zu Gute, dass er sofort auf sein erfahrenes Team von Spezialisten zurückgreifen kann, mit dem er schon zahlreichen Krisen überstanden und gelöst hat. Da sind harte Kämpfer für das Grobe, da ist ein Überwachungskünstler, der von seiner Unscheinbarkeit profitiert, da sind Datenanalysten und andere Spezialisten mehr.

Eine der großen Stärken der Romane von Daniel Silva, die die Lektüre für mich immer wieder faszinierend machen, ist sein Aufgreifen aktueller politischer Entwicklungen. “Der Geheimbund” ist mal wieder im und um den Vatikan angesiedelt, das Meta-Thema ist aber das Erstarken populistischer Parteien und Bewegungen überall in Europa. Als der Autor das Buch geschrieben hat, konnte er noch nicht wissen, wie einige Wahlen in Europa im Jahr 2022 ausgehen würden - aber den populistischen Trend hat er in meinen Augen perfekt aufgegriffen und literarisch verarbeitet.

Silvas große Kunst besteht in meinen Augen darin, die Leserinnen und Leser die ganze Zeit neben seinen Protagonisten herlaufen und so die Handlung hautnah miterleben zu lassen. Gabriel Allon und seine vertraute Crew sind wie eine Familie, deren Mitglieder genau wissen, welche Aufgaben sie zu erledigen haben, um das vorhandene Problem zu lösen. Der Autor nimmt seine Leserinnen und Leser im Plauderton an die Hand, egal wie dramatisch es im Roman gerade wird. Es gibt Krimis und Thriller, durch die man sich hindurch arbeiten muss. Die Thriller von Silva lese ich bevorzugt im Urlaub oder an Wochenenden, weil ich sie ganz einfach “verschlinge”.

Mir gefällt auch, dass Gabriel Allon mit seinen Abenteuern altert - das ist nicht bei allen Protagonisten solcher Buchreihen selbstverständlich. Aber da der Autor die politische Entwicklung in der Welt nachzeichnet, kann der israelische Agent nicht “alterslos” sein. Er ist mittlerweile Chef des Mossad - aber wird von alten Freunden immer wieder, wie auch in diesem Buch, in gefährliche Fälle verstrickt. Dabei zeigt der Autor einiges an Kreativität, um zu begründen, warum der Geheimdienstchef selbst wieder in den Kampf zieht.

Fazit

Es ist wirklich selten, dass so lange Serien um einen Geheimagent die Leserschaft über viele Jahre fesseln und in den Bann schlagen können. Daniel Silva gelingt das mit seinem charismatischen Protagonisten Gabriel Allon ganz hervorragend. Entlang der politischen Entwicklung in Europa und im Nahen Osten lässt der Autor seinen Helden immer wieder krisenhafte Situationen lösen, oder rätselhafte Kriminalfälle aufklären. Der geheimnisvolle Tod von Papst Paul VII. ist so ein Fall - und der Weg zur Auflösung macht beim Lesen mal wieder atemlos. Spannend, süffig zu lesen - es fehlt nur die Verfilmung.