Die Toten ruhen nicht

  • Blanvalet
  • Erschienen: Juli 2021
  • 0

- OT: The Girl Next Door

- aus dem Englischen von Karin Dufner

- HC, 352 Seiten

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Sabine Bongenberg
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2021

Alter schützt vor Torheit nur bedingt

Michael Woody konnte noch nie auf eine besonders glückliche Kindheit zurückblicken: Seine Mutter nahm ihn kaum zur Kenntnis, sein Vater setzte ihn eines Tages kurzerhand und unbegleitet in einen Zug und schickte ihn zu Zoe, seiner nächsten noch lebenden Verwandten. Immerhin – hier fühlte sich der kleine, einsame Michael dann endlich geliebt und angenommen. Aber manchmal fragte er sich doch, was aus seiner Mutter geworden war, verschwand sie doch plötzlich angeblich mit einem Liebhaber.

Dennoch ging das Leben weiter und auch für den ehemals unglücklichen und einsamen kleinen Jungen wurde es ein erfülltes und glückliches Dasein. In dieses platzt plötzlich die Nachricht, dass in einem versteckten Tunnel, in dem Michael und seine Freunde gerne spielten, eine alte Keksdose gefunden wurde. Ihr Inhalt: Zwei Paar skelettierte Hände. Diese Nachricht bringt die alten Freunde, die sich viele Jahre nicht gesehen hatten, dazu, sich wieder einmal anzurufen und setzt Entwicklungen in Gange, die niemand vorher erwartet hätte.

Ein lange zurückliegender Mord wirft einen Schatten

Ruth Rendell, eine der großen, alten Damen des englischen Krimis verstarb 2015. Der vorliegende im Jahr 2014 erstmalig in England veröffentlichte Roman gehört damit zu ihren Alterswerken und so überrascht es dann auch nicht, dass die Autorin der älteren Generation eine besondere Bühne bereitet. Dennoch – so muss ich ehrlich sagen – kam ich mit diesem Roman nicht so ganz zurecht: Die Autorin schildert bereits zu Beginn das Verbrechen, das dem späteren Fund der Leichenteile vorausgeht und somit weiß der Leser schon alles. Ich fragte mich daher die ganze Zeit, aus welchem Grund jetzt noch eine Geschichte erzählt wird, wenn doch Ross, Reiter und das Warum und Woher bekannt sind.

Dieser Roman bezieht sich aber weniger auf die eigentliche Bluttat, sondern vielmehr darauf, wie sich der gruselige Fund auf das Leben einer Gruppe von alten Menschen auswirkt, die zum Zeitpunkt der eigentlichen Tat noch Kinder waren. Es ist aber auch der besonderen Erzählkunst der Autorin geschuldet, dass sie aus einer Erzählung über das Leben einer Gruppe von Senioren, in deren Leben es sicherlich nicht mehr über „Tische und Stühle geht“, dennoch einen unterhaltsamen – wenn auch sicherlich sehr getragenen - Roman erschafft.

Dennoch kam ich nicht umhin mich zu fragen, aus welchem Grund dieser Roman als Kriminalroman eingeordnet wird. Sicher – es gibt mindestens zwei Tote und ein mehr oder weniger grausiges Ritual, aber es ist doch letztendlich eine unbefriedigende Aussage, wenn der hochbetagte Mörder altersbedingte Erinnerungslücken einwendet und man ihm diese Aussage dann auch noch auf der Stelle glaubt! Nicht nachvollziehbar erscheinen mir auch einige Konstruktionen, die zwar der Geschichte Leben einhauchen, aber die ich dennoch nicht so recht glauben konnte. So verwunderte mich, warum man sich offensichtlich – nach knapp 20 bis 30 Jahren des Kontaktabbruchs – wieder blitzschnell in seine alte Jugendliebe verknallt, alle Brücken hinter sich abreißt, aber genauso schnell wieder ernüchtert ist, wenn auch die Jugendsünden der alten/neuen-Flamme zu Tage treten. Diese Handlungsstränge ließen mich manchmal über den alten Spruch „Je oller, je doller“ sinnieren und der Leser mag selbst entscheiden, zu welchem Ergebnis man bei diesen Überlegungen kommen mag.

Fazit:

Ruth Rendells Spätwerk beschreibt die Abenteuer und Torheiten einer Gruppe von Senioren, die in ihrer Kindheit eng befreundet waren, sich nun im Herbst ihres Lebens wiedertreffen und feststellen, dass sich in ihrer damaligen Jugend in der unmittelbaren Nähe ein Verbrechen ereignete, das auch ihre Leben berührte. Rendell hat aus dieser Konstellation einen auf seine ruhige Art unterhaltsamen Roman gemacht. Aber als Krimi, im klassischen Sinne, habe ich ihn nicht empfunden.
 

Die Toten ruhen nicht

Ruth Rendell, Blanvalet

Die Toten ruhen nicht

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