Kleine Engel
- Knaur
- Erschienen: Juli 2021
- 2
- TB, 352 Seiten
Der Mörder gibt sich früh zu erkennen
Daniel Kohlhaas kann bereits einige Veröffentlichungen aufweisen, wurde dem breiten Publikum aber erst jetzt durch „Kleine Engel“ bekannt. Der Plot geht auf eine Erarbeitung in der Thrillerschule von Sebastian Fitzek zurück, die Kohlhaas gewann. Scheinbar selbst vom Leben öfters gebeutelt, hat sich der Autor dem sehr kontrovers diskutierten Thema der Sterbehilfe bei Kindern gewidmet.
Selbstmord oder Mord?
Die kleine Lilli ist einen Tag vor ihrem 10.Geburtstag aus dem Fenster ihres Kinderhospizes gestürzt. Alle gehen von Selbstmord aus, doch Kommissar Simon Winter hat seine Zweifel und hofft ermitteln zu dürfen. Zusammen mit Kriminalpsychologin Nadja Bergendahl versucht er dafür einen Ansatz zu finden. Bald stellt sich die Frage, ob Lilli das einzige Opfer in Kinderhospizen ist.
Spannung wird zu schnell aus der Geschichte genommen
Mit der Frage nach der Sterbehilfe für Kinder bohrt Kohlhaas ein ganz dickes Brett. Das in unserer Gesellschaft sehr kontrovers diskutierte Thema ist Grundlage für diesen durchaus spannend angelegten Thriller. Jedoch weiß der Leser schon von der ersten Seite an, was mit Lilli geschah – dass es eben kein Selbstmord war. Damit nimmt der Autor sehr viel Spannung aus dem Geschehen, lediglich die Frage nach der Identität des Täters hält diese noch ein wenig aufrecht. Doch selbst die lüftet sich viel zu schnell und so sind die Annahmen der Kripo für den Leser von Anfang an passé. Die letzte Wendung soll wahrscheinlich noch einmal das Grundthema Sterbehilfe anfeuern und gleichzeitig die Spannung erhöhen, doch eigentlich ist das Gegenteil der Fall – es verkompliziert einen ansonsten handwerklich soliden Krimi.
Charaktere kommen über Stereotype nicht hinaus
Auch die Charaktere kommen über die einfach gestrickte Figurenzeichnung nicht hinaus. Die Motive des Täters werden angedeutet. Doch ganz konkret wird der Autor hier nicht – Anspielungen müssen reichen, was schade ist, denn explizit ausgesprochen wäre das Drama viel intensiver gewesen. Ansonsten ist die Figur des Täters durchaus glaubhaft beschrieben, ebenso, wie die des Kommissars Simon Winter. Auch der schleppt sein Päckchen mit sich herum, was leider, und sehr plakativ, auch mit dem Verlust eines Kindes zu tun hat. Aber auch hier wird wenig Konkretes gesagt.
Vielleicht ist „Kleine Engel“ nur der Testballon für eine Serie? Die Anspielungen könnten es vermuten lassen. Dass viele Thriller mit einer Lovestory gewürzt werden, ist meiner Meinung nach eigentlich völlig unnötig, so auch hier. Es knistert gewaltig zwischen Winter und Nadja Bergendahl, die nur zufällig vor Ort ist, denn eigentlich will sie mit ihrem Kollegen Helge Rennen ihren True Crime Podcast promoten. Prompt wird sie in die aktuellen Fragen mit eingebunden, erhält alle Informationen und ist bis zu ihrer Weiterreise quasi ein Mitglied des Teams – sehr unwahrscheinlich! Auch ihr selbstgefälliger Charakter wird präsentiert aber nicht vertieft. So kratzt der Autor, wie beim Plot, häufig nur an der Oberfläche.
Mal ein anderes Setting als üblich
Viele Thriller sind in den Metropolen dieser Welt angesiedelt. Nicht so dieser! Hier bewegt man sich im Bergischen Land zwischen Gummersbach und Nümbrecht. Frankfurt schafft es gerade noch erwähnt zu werden. Das ist mal ein anderes Setting - und es passt! Die als Provinz verschriene Gegend hat auch eine Kriminalpolizei zu bieten und eine malerische Landschaft noch dazu. Leider lernt der Leser dann doch hauptsächlich die zahlreichen Autobahnen kennen, aber dennoch ist es eine erfrischende Abwechslung zu Hamburg, Berlin oder München.
Fazit
„Kleine Engel“ ist solide und handwerklich einwandfrei geschriebene Thriller-Kost, die sich aber nicht aus der Masse der Mainstream-Lektüre abhebt. Wer auf Raffinessen und Vielschichtigkeit verzichten kann, findet hier eine ansprechende Geschichte, die vielleicht zudem noch zum Nachdenken über ein sehr diffiziles Thema anregt.
Daniel Kohlhaas, Knaur
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