Kalte Knochen
- Penguin
- Erschienen: Juni 2021
- 2
- OT: Bone Deep
- aus dem Englischen von Sabine Thiele
- TB, 336 Seiten
Aus den paar Knochen macht man keine markige Suppe mehr
Dr. Margarita Muir hat zehn Bücher geschrieben und galt als Koryphäe der schottischen Volkskunde und der mündlichen Überlieferungen. Jetzt allerdings ist sie nur noch die alte, siebzigjährige Mac, die mit ihren Hunden in einem einsamen Cottage lebt und für die der Alltag immer schwieriger zu bewältigen ist. Sie sucht also ein „Mädchen für alles“ und auf diese Anzeige hat sich die junge Lucie Snow beworben, der die Schrullen der oft eigenwilligen Alten nicht allzu viel auszumachen scheinen. Vielleicht scheinen beide aber auch nur deswegen halbwegs gut zurechtzukommen, weil beide Geheimnisse haben, die sie gerne vor der Welt verbergen möchten. Geheimnisse, die den Vertrauensmissbrauch unter Geschwistern betreffen, die Boshaftigkeiten des Alltags und auch solche die vielleicht lange zurückliegen aber auch noch dunkle Schatten in die Gegenwart werfen.
Sandra Ireland baut ihren neuen Roman auf der Frage der Treue oder – negativ formuliert – auf die Fragen der Missgunst, des Neides und des Betrugs innerhalb der Familie und zwischen Geschwistern auf. Da ist einerseits die alte Mac, die offensichtlich jetzt mit ihren siebzig Jahren mehr oder weniger jenseits von Gut und Böse angekommen ist, und andererseits die widerborstige Lucie, die der alten Dame in Alltagsdingen und auch bei der Fassung ihres neusten Buches unter die Arme greifen will. Beide Frauen berichten abwechselnd als Ich-Erzählerin aus ihrem Leben. Keine der beiden zeichnet sich durch besonders sympathische Züge aus und damit ist dann auch schon die Hauptmöglichkeit verschenkt, nach der ein Leser für einen der beiden Charaktere mitfiebern könnte.
Lang ist’s her und spannend ist es nicht
Wer immerhin schon bei zwei mehr oder weniger unsympathischen Frauen auf eine besonders spannende Handlung hofft oder auf eine sich langsam vergiftende Atmosphäre, sieht sich alsbald auch getäuscht. Sandra Ireland erzählt vielmehr die Geschichte von lang zurückliegenden Untaten – eine davon aus der Sagen- und Legendenwelt Schottlands – und das geschieht so subtil, dass sich der Krimierfahrene (und vermutlich auch der unerfahrene) Leser schon in der Mitte des Buches denken kann, was passiert ist. Nach vielen langatmigen Wendungen und düsteren Andeutungen verdichtet und klärt sich die nichtvorhandene Spannung in einem konstruierten Showdown.
Wer bis jetzt noch halbwegs der Handlung gefolgt ist, der sieht verschiedene Verdachtsmomente erfüllt und kommt zum Ergebnis, dass zumindest eine „Heldin“ noch lebensfremder als ursprünglich angenommen ist. Ehrlich gesagt, war für mich abschnittsweise die spannendste Frage des Romans, warum eine Frau, die mit dem Schreiben von Büchern und nicht mit harter körperlicher Arbeit ihren Lebensunterhalt sicherstellt, mit gerade mal siebzig Jahren schon von so vielen altersbedingten Gebrechen heimgesucht wurde.
Fazit:
Sandra Irelands „Kalte Knochen“ kochen eine alte Geschichte auf, die leider so ein dünnes Süppchen bietet, dass trotz düsterer Mühle, dunklem Geheimnis und Neid unter Schwestern kaum ein halbwegs interessantes Mark aus der Geschichte gezogen zu werden vermag.
Sandra Ireland, Penguin
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