Unterm Schinder

  • Knaur
  • Erschienen: Juni 2021
  • 4

- TB, 496 Seiten

- Bd. 9 [Kreuthner & Wallner]

Unterm Schinder
Unterm Schinder
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Thomas Gisbertz
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2021

Föhrs Wallner-Kreuthner-Reihe ist ein Muss für Krimifans

Ein inszenierter nächtlicher Einbruch auf einem abgelegenen Hof in Rottach-Egern, eine kleine fingierte Schießerei mit Platzpatronen, und dann die heldenhafte Rettung der attraktiven neuen Kollegin Lisa - so sah eigentlich der Plan von Polizeiobermeister Leonardt Kreuthner aus, um das Herz der auserwählten jungen Dame zu erobern. Aber es wäre nicht Kreuthner, wenn nicht alles anders kommen würde. Statt auf seinen Freund Sennleitner, der ihm bei seinem Unternehmen helfen sollte, stößt der Polizist auf einen realen Einbrecher - und der schießt mit echten Patronen. Nachdem der Unbekannte verschwunden ist, finden Kreuthner und seine Kollegin im Haus die Unternehmerin Carmen Skriba, die - mit drei Schüssen getötet - in einer Tiefkühltruhe liegt.

Suche nach dem Mörder

Die Tote ist für den ermittelnden Kommissar Wallner keine Unbekannte: Vor zwei Jahren wurde ihr Ehemann in der heimische Küche auf die gleiche Weise erschossen. Damals gestand die Haushaltshilfe Jennifer Wächtersbach den Mord und sitzt seitdem im Gefängnis. Schon damals hatte Wallner aber Zweifel an der Täterschaft der jungen Frau. Hat der tatsächliche Mörder nun erneut zugeschlagen? Trotz des Widerstandes von Staatsanwalt Tischler rollt der Kommissar mit seinem Team der Fall neu auf. Auch Kreuthner ermittelt selbstredend mit seiner ihm typischen Art munter drauf los. Wer kann auch schon ahnen, dass ausgerechnet dessen Vater eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung des Falles spielen wird ...

Erfolgreiche Romanreihe

Der 1958 in Kreuzthal geborene Allgäuer Andreas Föhr ist seit Jahren ein Garant für Kriminalromane auf Spitzenniveau. Nachdem der gelernte Jurist und Anwalt zunächst erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen mit Schwerpunkt im Bereich Krimi verfasste (u.a. für SOKO 5113, Ein Fall für zwei  und Der Bulle von Tölz), widmete er sich vor etwa zehn Jahren nahezu ausschließlich dem Schreiben von Romanen. Seine preisgekrönten Kriminalerzählungen um das Ermittlerduo Wallner und Kreuthner stehen zurecht immer wieder in den Bestsellerlisten. Unterm Schinder  ist der mittlerweile neunte Band dieser Reihe. Zu empfehlen sind auch die beim Audio Media Verlag erschienenen Hörbücher, die durch Sprecher Michael Schwarzmaier ihren ganz eigenen Charme besitzen und einen wirklich besonderen Hörgenuss darstellen.

Bekannte Charaktere

Das Faszinierende an den Romanen von Andreas Föhr ist, dass seine Figuren scheinbar niemals auserzählt sind und man ihrer nicht überdrüssig wird. Auch diesmal muss der Leser nicht auf liebgewonnene Charaktere und deren Eigenheiten verzichten. Dabei stellt unter anderem Kriminalobermeister Leonardt Kreuthner erneut unter Beweis, dass er sich stets am Rande der Legalität bewegt, und diesen ab und an auch überschreitet - selbstredend fast nur zum Zweck der Täterermittlung, oder halt, um sich selbst vor schwerwiegenden Konsequenzen zu schützen. Er lässt selten ein Fettnäpfchen aus, eckt mit seiner ihm eigenen Ermittlungsarbeit an und reizt Kommissar Wallner oftmals bis aufs Blut. Dennoch ist es zumeist er, der auf die Spur des Täters führt.

Auch Wallners Großvater Manfred gehört mit seinen fast 90 Lenzen zum festen Inventar der Reihe. Er scheint an einem Punkt im Leben angelangt zu sein, an dem man so manches nachholen möchte, was man in der Vergangenheit verpasst hat. Hiervon macht er reichlich Gebrauch: sei es der ausgiebige Konsum von Alkohol in der Mangfallmühle, das erstmalige Rauchen eines Joints oder der Genuss halluzinogener Pilze zwecks Erinnerungsauffrischung. Autor Andreas Föhr zieht seine Figuren dabei aber niemals ins Lächerliche, sondern stellt sie trotz ihrer Eigenarten und mitunter auch Naivität immer liebevoll dar - wobei es nicht an der nötigen Prise Witz fehlen darf.

Dass diesmal auch Kommissar Wallner innerhalb seiner Abteilung wiederholt für Lachen sorgt, weil gleich zwei Gefängnisinsassinnen ihm mehr oder weniger einen Heiratsantrag machen und er sich wiederholt gegen deren Avancen zur Wehr setzen muss, sorgt immer wieder für ein Schmunzeln. Eine der beiden Insassinnen ist ausgerechnet Jennifer Wächtersbach, die vor zwei Jahren wegen Mordes an Carmen Skribas Ehemann verurteilt wurde.

Wunderbarer Plot

Der Erzählstil ist gewohnt flüssig und - obwohl Figuren wiederholt im Dialekt sprechen - stets leicht verständlich. Besonders hinsichtlich der Erzählperspektiven gelingt Föhr diesmal ein besonderer Clou, wenn er im letzten Drittel langsam die Handlungsfäden zusammenführt. Die Geschichte wird auf mehreren Zeitebenen erzählt und überzeugt durch einen wendungsreichen, äußerst kurzweiligen Plot. Der Autor ist überhaupt ein Meister darin, trotz Humor und skurriler Figuren nie die Handlung aus den Augen zu verlieren. Dabei wählt er stets bedeutsame Themen, die er in seine Romane einfließen lässt. War es beim letzten Teil der Reihe Tote Hand  noch die Gewalt gegen Frauen, so kreuzen sich auch diesmal die Wege zweier Frauen, die beide auf ihre Weise Leid erlitten haben. Es sind die leisen Untertöne, die Föhr in diesem Zusammenhang anspielt und die den Roman zu mehr werden lassen als einen Regionalkrimi. Besonders diese Fähigkeit, stets den richtigen Ton zu treffen, ist die große Stärke des Autors. 

Fazit

Andreas Föhr ist ein außergewöhnlicher Autor, der es versteht, Lokalkolorit und authentische, mitunter kauzige Charaktere zu verbinden, ohne dass seine Romane zu banalen Regionalkrimis verkommen. Er findet stets das richtige Maß aus Spannung, Humor und einer tiefsinnigen Handlung, wodurch er sich von vielen anderen Autoren abhebt. Vielleicht ist Unterm Schinder  nicht sein bester Roman, aber er ist auf jeden Fall ein „typischer Föhr“ - und somit mehr als lesenswert.

Unterm Schinder

Andreas Föhr, Knaur

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