Der Gejagte
- HarperCollins
- Erschienen: August 2021
- 3
- OT: Slaktaren
- aus dem Schwedischen von Stefanie Werner
- TB, 352 Seiten
- Bd. 4 [Kommissar Johan Rokka]
Grausame Morde in der schwedischen Provinz
Mit „Der Gejagte“ setzt Gabriella Ullberg Westin ihre Johan-Rokka-Reihe fort. Bereits zum vierten Mal lässt sie ihn und Kollegin Janna in Hudiksvall ermitteln. Auch wenn es nicht unbedingt notwendig ist, die Vorgänger zu kennen, würde es für das Verständnis von Personen und Handlung mit Sicherheit nicht schaden.
Eine Jagdgesellschaft wir dezimiert
Es ist Herbst – Jagdsaison für Elche in Schweden. Doch nicht nur die erlegten Tiere findet man im Schlachthaus, auch die aufgehängte Leiche eines Jagdteilnehmers. Auf seinem Bein ist die Ziffer 6 geschrieben. Als noch ein grausam zugerichteter Jagdteilnehmer mit der Zahl 5 versehen auftaucht, gerät Rokka unter Druck. Kann er den Mörder fassen, bevor es noch mehr Tote gibt?
Drei Handlungsstränge bilden das Gerüst
Wieder einmal sind Johan und Janna gefragt. Sie müssen den Täter ermitteln und zwar schnell, denn er mordet in extrem kurzen Zeitabständen. Daneben begleiten wir Eddie, der schon in „Der Läufer“ eine wichtige Rolle spielte. Jetzt befindet er sich in einer Einrichtung für Jugendliche mit Problemen. Hier geht nicht alles mit rechten Dingen zu und Eddie gerät mächtig unter Druck. Der dritte Handlungsstrang dreht sich um Kent und seine Freundin Stina. Er hat sich auf dubiose Geschäfte eingelassen, die ihm jetzt das Leben schwer machen und sie arbeitet als Journalistin an einer ganz großen Story, die ihre Beziehung zu Kent gefährdet. Lange Zeit existieren diese drei Stränge ohne Berührungspunkte nebenher. Erst in einer weit fortgeschrittenen Phase der Geschichte verknüpfen sie sich um dann ganz schnell zum Ende zu kommen. Das ist wenig logisch und noch weniger realistisch, schließt aber die Handlungen ab, lässt jedoch den Leser relativ enttäuscht zurück.
Sind das wirklich Rokka und Janna?
Diese Frage wird sich unausweichlich jeder stellen, der die ersten drei Bände der Reihe gelesen hat. Rokka, der Mann, der auch die andere Seite kennt, der selbst fast in die Kriminalität abgerutscht wäre und gerade noch so die Kurve gekriegt hat, ist ein unkonventioneller muskelbepackter cooler Typ, der Harley fährt und eher einem Rocker gleicht als einem Polizisten. Eigentlich - denn auf einmal braucht er seinen Schlaf, stört sich an dreckigen Autos und ist unglücklich verliebt, wie ein bedauernswerter Teenager.
Der Hartgesottene mutiert zum Softie – das passt gar nicht, hat doch gerade sein Charakter viel vom Charme der Serie ausgemacht. Doch nicht genug, auch Janna legt eine radikale Wendung von der sympathisch scheuen lesbischen Frau zu einer triebgesteuerten Willenlosen hin, die ihren Liebhaber gleich auf dem Küchentisch vernascht und danach nicht mehr klar denken kann. Manchmal hat man den Eindruck einen Romantic-Schmöker zu lesen als einen Thriller. Wenigstens Eddie bleibt Eddie – harte Schale, weicher Kern. Doch durch die schwachen Charaktere der beiden Protagonisten wird nicht nur das Lesevergnügen minimiert, es wird auch viel Spannung aus der Handlung genommen, die dazu noch an manch anderem krankt.
Eine geraffte Handlung hätte der Spannung gedient
Spannend ist der Thriller, keine Frage, aber es wäre noch mehr möglich gewesen. Immer wiederkehrende Passagen, die die Handlung nicht vorantreiben und wenig informative Dialoge verhindern das, wie auch die Erzählung im Präsenz. Warum die Autorin, wie schon im dritten Band, auf diese Zeit zurückgreift, ist mir schleierhaft. Dadurch wird die Geschichte weniger angenehm zu lesen und manchmal stolpert sie fast vor sich hin.
Doch die Suche nach dem Täter ist trotzdem nicht langweilig. Ullberg Westin konzentriert sich dabei allerdings mehr auf die Kriminaltechnikerin Janna als auf den Ermittler Rokka. Zwar dürfen wir auch ihn in voller Aktion erleben, doch die meiste Zeit sind wir bei Janna und ihren Problemen in Sachen Beziehung und langsamer Mitarbeiter. Eine Raffung der Ereignisse, eine Konzentration auf das Wesentliche, hätte aus der teilweise träge dahin fließenden Story einen extrem packenden Thriller gemacht. Doch so dümpelt die Spannung zwischen einzelnen Hochphasen etwas dahin und hinterlässt wenig Willen den Nachfolger zu lesen.
Fazit
„Der Gejagte“ ist eine ziemlich schwache Fortsetzung der Serie. Die Charakteränderungen der Protagonisten tragen dazu ebenso bei, wie der aufgeblähte Plot. Doch die Geschichte ist nicht spannungslos, auch wenn man nach den Vorgängern mehr erwartet hat. Bleibt zu hoffen, dass Ullberg Westin es im nächsten Thriller besser macht und den Leser wieder mehr an das Geschehen fesseln kann.
Gabriella Ullberg Westin, HarperCollins
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