Tod auf der Warteliste
- Zsolnay
- Erschienen: Januar 2003
- 14
- Wien: Zsolnay, 2003, Seiten: 336, Originalsprache
- München: dtv, 2004, Seiten: 333, Originalsprache
- München: dtv, 2011, Seiten: 333
Garantiert ohne Weichspüler
Wer schön sein will, muss leiden. Doch in der Schönheitsklinik La Salvia müssen nicht nur die leiden, die sich kosmetischen Eingriffen unterziehen, sondern auch andere. Unter dem Deckmäntelchen der Schönheitschirurgie werden nämlich auch illegale Organtransplantationen vorgenommen, bei denen den osteuropäischen Spendern zunächst eine fürstliche Entlohnung versprochen wird, diese die Organentnahme aber in einigen Fällen nicht überleben, weil gleich alle lebenswichtigen Organe auf einmal entfernt werden oder diese ohne Geld in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Der junge Rumäne Vasile zieht im letzten Augenblick die Reißleine und flieht im OP-Hemd aus der Klinik, doch er landet direkt unter dem Auto des deutschen Bundeskanzlers, der zu einem Staatsbesuch in Italien weilt. Für Vize-Questore Proteo Laurenti ist schon die Identifizierung des Opfers ein schwieriges Unterfangen.
Als kurz darauf ein angesehener Arzt der Klinik La Salvia in seinem Haus überfallen und entmannt wird und an den Folgen dieser Verstümmelung stirbt, vermutet der alte Gerichtsmediziner Galvano, den man gerade mit seinen 82 Jahren endgültig in Pension geschickt hat (seiner Meinung nach zu unrecht), einen Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen.
Der Fall hat es in sich, obwohl Veit Heinichen eigentlich recht früh fast alle Karten auf den Tisch legt. Als Leser weiß man weit mehr als die Polizei und verfolgt die ganze Geschichte nicht nur aus ihrem Blickwinkel, sondern blickt ebenfalls hinter die Kulissen der Schönheitsklinik und deren Machenschaften. Ein interessantes Phänomen, dass trotz dieser Tatsache keinerlei Langeweile aufkommt und die Spannung auf einem hohen Niveau gehalten werden kann. Heinichen knüpft mehrere Handlungsstränge gekonnt und nimmt auch Fäden aus seinem ersten Buch wieder auf, so dass auch das Erzähltempo zwar nicht rasant, aber doch zufriedenstellend ist.
So nebenbei nimmt der Autor noch die deutsch-italienischen Beziehungen aufs Korn, man erinnere sich an die Kanzler-storniert-seinen-Urlaub-in-Italien-Affäre. Und außerdem muss Berlusconis Politik nicht nur einen verbalen Seitenhieb ertragen. Man verspürt vielleicht nach der Lektüre dieses Romans nicht mehr Lust als vorher, Triest einen Besuch abzustatten, aber man sieht Italien in einem anderen Licht.
Insbesondere die Hauptfigur Proteo Laurenti gefällt mir ausnehmend gut. Ich finde es zwar recht schwach, dass er eine Affäre mit einer kroatischen Staatsanwältin unterhält, aber das macht ihn menschlich. Zudem gerät er im vorliegenden Roman in den Verdacht, in unlautere Geschäfte verwickelt zu sein. Der Vergleich mit der vielleicht bekanntesten Serienfigur eines italienischen Polizisten drängt sich auf, aber Laurenti kann sich sehr gut gegen Guido Brunetti absetzen. Donna Leons Protagonist wirkt auf mich gegen den Triester Vize-Questore fast wie weichgespült, obwohl sich beide mit Mord und Totschlag herumschlagen müssen. Aber auch den anderen Charakteren mangelt es nicht an Kontur, wie z.B. dem Gerichtsmediziner Galvano, der trotz seiner Pensionierung noch kräftig mitmischt.
Einzig das offene Ende der Geschichte ist vielleicht nicht ganz so befriedigend, aber dennoch ist "Tod auf der Warteliste" ein Roman der Spitzenklasse, der alles hat, was man sich wünschen kann. Die Attribute politisch, scharfzüngig, humorvoll, unterhaltsam und spannend passen allesamt.
Veit Heinichen, Zsolnay
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