Der Donnerstagsmordclub
- List
- Erschienen: Mai 2021
- 22
- OT: The Thursday Murder Club
- aus dem Englischen von Sabine Roth
- TB, 464 Seiten
- Bd. 1 [Die Mordclub-Serie]
Humorvoll, originell und warmherzig
In ihrer luxuriösen Seniorenresidenz in der idyllischen Grafschaft Kent vertreiben sich die clevere Elisabeth, eine ehemalige Geheimagentin, der aufbrausende Ron, ein früherer Gewerkschaftsführer, der penible und äußerst korrekte Ibrahim, ein einstiger Psychiater, und die ehemalige Krankenschwester Joyce, die neu in Coopers Chase ist, auf recht ungewöhnliche Art ihre Zeit: Sie alle sind Teil eines Clubs, der sich immer donnerstags im Puzzlezimmer trifft, um ungelöste Kriminalfälle aufzuklären. Als dann direkt vor ihrer Haustür ein Mord verübt wird, ist der Ermittlungseifer der vier Senioren natürlich geweckt - und selbst der Chefinspektor der lokalen Polizeidienststelle kann nur über ihren Scharfsinn staunen.
Rüstige Rentner
Der Bauunternehmer Tony Curran, der mit der Seniorenresidenz Coopers Chase reich geworden ist, wird mit einem Schraubenschlüssel erschlagen. Am Tatort hinterlässt der Mörder ein Foto. Darauf zu sehen sind drei ehemalige Freunde. Einer von ihnen ist Jason Ritchie, ein bekannter Boxer und Sohn des Clubmitglieds Ron. Was hat dieser mit dem Opfer zu tun gehabt? Selbstredend kümmert sich der „Mordclub“ um den Fall. Unterstützt werden die Senioren von DCI Chris Hudson und der erst kürzlich aus London zugezogenen PC Donna De Freitas. Das Ermittlerteam hat alle Händen voll zu tun und es dauert nicht lange, bis es das nächste Opfer zu beklagen gibt ...
Erfolgreiches Debüt
Richard Osman ist ein englischer Fernsehmoderator, Produzent und seit Neuestem auch Autor. Die Idee für seinen Kriminalroman kam ihm, als er eine Verwandte in einer luxuriösen Seniorenresidenz besuchte, „die voll war von außergewöhnlichen Menschen mit außergewöhnlichen Geschichten“. Die nötige Ermunterung, um das „Projekt Krimi“ dann aber auch tatsächlich anzugehen, erhielt Osman vom bekannten englischen Krimiautor Mark Billingham (u.a. Tom-Thorne-Reihe). Gleich mit seinem ersten Roman gelang Osman dann das, wovon die meisten Autoren träumen: The Thursday Murder Club sprang mit über einer Millionen verkaufter Exemplare in Großbritannien an die Spitze der Bestsellerlisten. Die britische Presse war voll des Lobs für diesen kleinen, im klassischen Cozy-Stil geschriebenen Roman. Osman hat bei der englischen Penguin-Random-House-Verlagstochter Viking bereits einen Vertrag für zwei weitere Bände unterschrieben; die Mordclub-Serie wird also fortgesetzt werden.
Ungewöhnliches Ermittlerteam
Es gibt spektakulärere und temporeichere Kriminalromane als das Debüt von Richard Osman. Dafür hat Der Donnerstagsmordclub alles, was einen guten Cozy Crime auszeichnet: ein außergewöhnliches Ermittlerteam, einen ländlichen, scheinbar idyllischen Schauplatz und viel (britischen) Humor. Im Mittelpunkt stehen dabei sicherlich die vier Hobbydetektive aus der Seniorenresidenz. Schräger könnte die Zusammensetzung der Gruppe kaum sein: Kopf des „Mordclubs“ ist die ehemalige Agentin Elisabeth, die gerne die aktuellen Fälle mit ihrer im Koma liegenden Freundin und Ex-Polizistin Penny bespricht und darüber hinaus aufgrund ihres früheren „Berufs“ auch international bestens vernetzt ist. Der frühere Gewerkschaftler Ron, der gerne im Fußballtrikot seines Lieblingsvereins West Ham United und in kurzen Hosen auftritt, gibt gerne und jederzeit Kontra; er stellt grundsätzlich erst einmal alles in Frage. Ibrahim bringt seine analytischen und mathematischen Fähigkeiten mit in die Runde ein, während man Joyce als ehemalige Krankenschwester gerne um ihre medizinische Einschätzung bittet.
Typisch für diese Art von Krimi, bei dem es nicht um absolute Korrektheit bei der Ermittlungsarbeit und einen hohen Grad an Authentizität des Geschehens geht, ist auch das eher assistierende Polizei-Duo Hudson/De Freitas, das zwar die offizielle Ermittlungsarbeit übernimmt, dabei aber auch gerne die Hinweise und Tipps der Senioren aufgreift.
Sensible Darstellung
Richard Osman versteht es meisterhaft, die richtige Balance zwischen Spannung, Humor und Warmherzigkeit zu finden, ohne dass sein Roman dabei ins Kitschige und Banale abgleitet. Der Autor macht sich nie lustig über die Senioren, sondern nimmt sie ernst und lässt sie mit den ihnen eigenen Mitteln kämpfen. Dazu gehört gerne auch ein Sitzstreik samt Rollatoren, Klapptischen, Sonnenschirmen und natürlich jeder Menge Tee.
Aber der Roman ist auch deswegen so gut, weil er nicht nur lustig ist. Osman zeigt auf feinfühlige Weise auch die dunklen Seiten des Alters: So kämpft Elisabeth‘ Mann gegen seine Demenz, der ehemalige Professor Bernhard leidet nach Jahren noch unter dem Verlust seiner Frau und John, Pennys Mann, sitzt jeden Tag an ihrem Bett, hält zärtlich ihre Hand und spricht mit ihr - wohl wissend, dass sie ihn nicht hören kann. Während Hudson, De Freitas und anderen noch nach der großen Liebe suchen, zeigen die Senioren auf warmherzige, berührende Weise, dass wahre Liebe nicht mit dem Tod endet.
Cleverer Plot
Keine Sorge: Trotz allem ist für genügend Spannung gesorgt. In diesem klassischen Whodunit-Roman wird man bestens unterhalten. Die Handlung nimmt nicht nur einmal eine überraschende Wende. Verdächtige gibt es ebenso viele wie Motive. Auf ihrer Suche nach dem Mörder verschlägt es Ron und Ibrahim auch schon einmal nach Zypern. Zusätzlich geraten Priester und Drogendealer in den Fokus der Ermittlungen. Dabei zeigen sich die Senioren nicht nur von ihrer kriminalistischen Seite, sondern auch von ihrer menschlichen, wenn sie zum Beispiel Verständnis für den Täter und sein Motiv haben - was sie nur noch sympathischer macht. Darüber hinaus ist Osman ein Meister des britischen Humors, der ebenso trocken wie unverblümt daherkommt.
Fazit
Richard Osman gelingt ein beeindruckendes Debüt. Liebhaber des Cozy Crime werden um diesen Roman nicht herumkommen. Der Donnerstagsmordclub ist clever konstruiert, urkomisch und voller menschlicher Wärme. Elisabeth, Ron, Ibrahim und Joyce erobern mit ihren Eigenarten - und mitunter Verschrobenheiten - schnell die Herzen der Leser. Man wünscht sich, dass es bald wieder Donnerstag ist.
Richard Osman, List
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