Katakomben

  • Knaur
  • Erschienen: Mai 2021
  • 0

- TB, 320 Seiten

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Sabine Bongenberg
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2021

Die TKKG und der Gruselkeller

Es sollte DAS Party-Ereignis des Jahres werden …

Max Mahler, Sohn der einflussreichen Münchener Stadtbaurätin, veranstaltet mit ein paar Freunden einen Rave in einer absolut gruseligen und verrückten Location: in den Katakomben unter dem Münchener Hauptbahnhof. Die Party sprengt im wahrsten Sinne des Wortes mit Abstand alles bisher Gekannte: dröhnende Musik, wummernde Bässe, sich im Takt windende Leiber, und das alles im düsteren Untergrund. Doch unvermittelt fällt der Strom aus, Flammen lodern, die Gänge verlieren sich im Nichts, und der Ausgang an die Oberfläche ist nicht mehr zu finden. Max und seine Freunde sind plötzlich tief unter dem Bahnhof in einer Bedrängnis, die nicht nur von dem plötzlichen Feuer ausgeht: Hier, ein paar Stockwerke unter der Erde, scheinen noch andere Bewohner zu leben, die das Licht mehr oder weniger scheuen und nicht gerne gestört werden - gar nicht gerne gestört werden….

Was wären mit dieser Konstellation für Möglichkeiten offen gewesen: Rich Kids, die sich im Dickicht von unterirdischen Katakomben verzweifelt versuchen, nach oben zu kämpfen, gnadenlos gejagt von Mitgliedern einer gesellschaftlichen Gegenbewegung, die – enttäuscht von „denen da oben“ – im Untergrund eine eigene Nische geschaffen hat und diese mit allen Kräften verteidigt. Sicher: Realistisch wäre so ein Szenario vermutlich auch nicht gewesen, aber immerhin spannend.

Alexander Schuller stellt dem alsbald gelangweilten Leser aber vielmehr eine Gruppe von stereotypen Figuren vor: Da ist die angepasste und liebe Nellie Mahler, Tochter der Stadtbaurätin, die der Mama und der Familie so ein liebevolles Frühstück selbst zubereitet hat und erleben muss, dass keiner am Tisch Platz nimmt. All das zärtliche Rühreierrühren für die Katz‘, und die Mama streicht dem zweiundzwanzigjährigen Töchterchen nur noch schnell zart über das Köpfchen, bevor sie davoneilt. Der drogenabhängige Bruder Max räumt ein paar Teller ab und schleicht mit seiner neuen Freundin, die sich gerade die Brust hat vergrößern lassen, wieder ins Bett und guckt sich dort vermutlich das heimlich gedrehte Video an, wo er Lisa, die Tochter des Bauunternehmers, vernascht, die ihm die Katakomben als neues Bauprojekt ihres Unternehmens präsentierte. Der natürlich schwule, charmante und (hahahaha) so geistreiche und freche Freund Janosch kann auch nicht weiterhelfen, und so nimmt dann tatsächlich eine Entwicklung ihren Lauf, die zwar für Zerstörung und Chaos sorgt, aber meiner Einschätzung nach kaum für den „verheerenden Beginn“ eines Thrillers geeignet ist.

Flache Charaktere und hanebüchene Motive

Vielmehr zeigen die Katakomben stereotype Bilder einer verwirrenden Vielzahl von Personen, die in der Ich-Form aus ihrem Leben berichten und im Prinzip austauschbar sind, dient jede doch nur ihren eigenen Interessen und nicht eine ist gewillt, auch nur einen Blick über ihren eigenen Tellerrand zu werfen. Die ermittelnden Staatsdiener machen die Sache nicht besser: Dominik, zuständiger Staatsanwalt, ist zugunsten eines „Onesies“ mit einer ermittelnden Beamtin, die aus privaten Gründen permanent ihre Kompetenzen überschreitet, mehr als bereit, deren Verhalten zu decken, und besagte Polizistin macht aus Sorge um ihre Tochter sowieso, was sie will. Sollten so die Gesetzeshüter in der bayrischen Hauptstadt tatsächlich arbeiten, wäre München vermutlich mittlerweile das Mordor der Bundesrepublik.

Neben dieser platten Ansammlung von flachen Personen behält der laut Klappentext „hochspannende Thriller, der gleichzeitig ein Spiegel der Gesellschaft ist“ letztendlich für sich, wer denn jetzt eigentlich für das den in den Katakomben vermissten Grafensohn und die „Oberweitenvergrößerung“ verantwortlich ist, wie das Schicksal der Polizistentochter zu erklären ist, warum sich die Unternehmertochter plötzlich gegen ihren vorher vielgeliebten Vater wendet und vieles mehr. Am Ende des Buches fragte ich mich immer noch, welche Gesellschaft – mit Ausnahme von daherschwurbelnden Influencern, wohlstandsverwahrlosten Twens, korrupten und wetterwendischen Politikern und unfähigen Ordnungshütern – denn gespiegelt werden sollte. Es bleibt nur zu hoffen, dass die gleichnamige TV-Serie besser funktioniert.

Fazit

Alexander Schuller präsentiert eine unlogische und konturenlose Geschichte über die vermeintlichen Geheimnisse des Münchner Hauptbahnhofs, und manchmal denkt man sich fast, dass der dort ansässige McDonalds mit spannenderen Geschichten aufwarten kann. Immerhin dürfte sich dessen Personal mit einer gewissen Vernunft und Authentizität bewegen – und allein das ist schon mehr, als man den von den Katakomben erwarten kann.
 

Katakomben

Alexander Schuller, Knaur

Katakomben

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