Mordfall für Noel Coward

  • Haffmans
  • Erschienen: Januar 1999
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  • New York: St. Martin’s Press, 1992, Titel: 'The Noel Coward Murder Case', Seiten: 199, Originalsprache
  • Zürich: Haffmans, 1999, Seiten: 283, Übersetzt: Gertraude Krüger
Mordfall für Noel Coward
Mordfall für Noel Coward
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Michael Drewniok
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Spannend-schräger Thriller mit viel Prominenz

New York im Zeitalter der Wirtschaftskrise 1935: Nach diversen künstlerischen Pleiten droht auch Noël Coward, britischer Bühnenautor und Schauspieler, der Ruin. Das Undenkbare wird Realität: Der Vorzeige-Snob muss sich als Nachtclub-Sänger verdingen. Freilich ist das "Cascades" ein feines Etablissement, obwohl es von drei Erzgaunern geführt wird. Sie nennen sich euphemistisch "Vivaldi", "Beethoven" und "Bizet". Tatsächlich heißen sie Brunetti, Goldfarb und O'Shaughnessy, und die Polizei ist schon lange hinter ihnen her, ohne ihnen bisher je etwas nachweisen zu können.

Die kriminalistische "Spezialität" dieses Trio ist seit jeher der Mädchenhandel. Gewisse Anzeichen deuten darauf hin, dass sie diesem auch jetzt wieder frönen und intensiv den Fernen Osten "beliefern": Weit entfernt, in Schanghai, zieht die Polizei die Leiche der Sängerin Maxine Howard aus einem Fluss; sie trägt eine Drahtschlinge um den Hals. Maxine arbeitete undercover für die US-Behörden und hat sich offenbar ein wenig zuviel gewagt. Inspektor Wang eilt aus Schanghai nach New York, um seinem alten Studienkameraden und Freund Detective Jacob Singer bei den Ermittlungen zu unterstützen.

Singer freut sich, bei diesem Fall quasi dienstlich seinem Hang zur Society- und Künstlerwelt New Yorks nachgeben zu können. Er lässt sich geschmeichelt sogar von Coward bei seinen Ermittlungen begleiten. Der Künstler fühlt sich zum Detektiv berufen, doch tatsächlich ist er denkbar ungeeignet, zumal sich bisher unbekannte, sehr gefährliche Gegner zu regen beginnen. Da sind die drei Gangster selbst, da ist Electra Howard, eine praktizierende Voodoo-Priesterin, die den Mördern ihrer Schwester Maxine blutige Rache geschworen hat, da ist Nicholas Benson, ein Schriftsteller mit tragischer Vergangenheit, die er Diana Headman, einer Sängerin, und ihrer Mutter Millicent verdankt, deren genaue Rollen beim Tod ihrer Gatten weiterhin ungeklärt sind.

Sie alle treffen im "Cascades" aufeinander und belauern sich. Den ersten Fehler begeht offensichtlich das allzu wissbegierige Revuemädchen Edna. Es endet mit einem Blasrohr-Pfeil im Hals. Edna wird nicht das letzte Opfer bleiben, und es sieht ganz so aus, als träfe ihr Los auch den allzu unbekümmerten Noël Coward ...

Es gab einen Noël Coward, dem in den 1930er Jahren in den USA eine Karriere im Showbusiness gelang. Da dies in rauen Zeiten geschah, war Coward wahrscheinlich in die eine oder andere kriminelle Affäre verwickelt. Ganz sicher hat er jedoch niemals dabei geholfen, einen Mädchenhändler-Ring zu sprengen: Der "Mordfall für Noël Coward" ist definitiv Fiktion.

Jeder Schriftsteller, der reale Personen in erfundenen Handlungen auftreten lässt, geht ein Risiko ein. Er muss darauf achten, die Wahrheit nicht gar zu sehr zu verbiegen und darf z. B. aus Noël Coward keinen Spion à la James Bond machen. (Coward zog übrigens in späteren Jahren nach Jamaika und wurde Nachbar von - Ian Fleming.) Sogar der historische Laie merkt das und ist (zu Recht) verärgert. George Baxt wagt es und siegt glänzend. Dabei versucht er nicht einmal, sich sklavisch an die Coward- Biografie zu halten, sondern bedient sich geschickt der Maske, die dieser ebenso exzentrische Mensch wie geniale Künstler der Welt präsentierte. Noël Coward à la Baxt ist der liebenswürdig-boshafte Dandy, der in einen ihm angemessen Kriminalfall gerät.

"Mädchenhandel" ist an sich ein ernstes Thema, aber dennoch klingt dieser Begriff heute altmodisch und sogar etwas lächerlich. Genau darauf spekuliert Baxt, denn nur in diesem Klima der Nostalgie gedeiht seine Geschichte, die primär eine Nachschöpfung des klassischen angelsächsischen Kriminalromans ist, wie sie typisch war für die Zeit, in der "Mordfall für Noël Coward" spielt. Leicht ist der Tonfall, und schlimmer als jeder Mord ist es, wenn den Beteiligten im flotten Wortgefecht die Paraden (und die Drinks) ausgehen. Übertreibung geht völlig in Ordnung, so dass problemlos eine leibhaftige Voodoo-Priesterin, ein chinesischer Inspektor, drei Operetten-Gangster oder der monumentalzinkige Komiker Jimmy Durante auftreten können. Als wär's ein Bühnenstück von Noël Coward selbst, so läuft die unterhaltsame Story bis ins furiose (und feurige) Finale logisch, aber leicht und locker vor den Augen des Lesers ab; auch das ist gewollt, und es funktioniert.

Er gilt noch heute als Verkörperung britischer Eleganz in ihrer unnachahmlichen Mischung aus Eleganz, Hochnäsigkeit und boshafter Ironie: Noël Coward (1899-1973). Ein echtes künstlerisches Multitalent war er, der als Schauspieler (Film, Theater) und Sänger in Stücken auftrat, die er oft selbst geschrieben hatte. In der Gesellschaft kultivierte er oben skizziertes Bild, was ihn daheim zum Liebling sogar des Königshofes machte. In den "Kolonien" wartete man in New York und Hollywood neugierig auf diesen Vorzeige-Briten, der deshalb auch die Neue Welt erobern konnte.

Dass Coward homosexuell war, wusste praktisch die gesamte Welt; es spielte nie eine Rolle, denn er war diskret bis zur Selbstverleugnung und erregte deshalb in einer wenig toleranten Ära kein unerfreuliches Aufsehen. George Baxt weiß alle Facetten dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit spielerisch einzusetzen, so dass sogar durchklingt, wie mühsam Coward sein Versteckspiel oft gefallen sein muss. Trotzdem interessiert hier natürlich weniger der wahre Noël Coward (der die vornehme Fassade trotz mancher persönlicher Schicksalsschläge bis zu seinem Tod aufrecht zu erhalten wusste), sondern der von den Medien und dem kollektiven Gedächtnis geschaffene Über-Gentleman.

Jacob Singer ist wie immer liebenswert rampenlichtsüchtig und ansonsten unauffällig - der perfekte Gastgeber für die nur locker nach ihm genannte Krimi-Reihe (s. u.). Nicht der Detektiv (bzw. hier Detective) steht im Mittelpunkt, sondern die prominenten Persönlichkeiten, die Georg Baxt Revue passieren lässt.

Hattie Beavers markiert den schmalen Grat, auf dem Baxt in seiner Rekonstruktion der 1930er Jahre wandelt. Sie tritt in exakt jener Black Mama-Dienstbotinnen-Rolle auf, in die Amerikas schwarze Bürger im Film oder auf der Bühne lange abgedrängt wurden. Baxt spielt hier entweder boshaft mit heute politisch unkorrekten Klischees, um diese noch deutlicher anzuprangern, oder er sah sich im Zwiespalt, seiner Geschichte sonst eine außer der Zeit stehende Figur aufprägen zu müssen: Rassendiskriminierung gehörte in dieser Ära zum US-amerikanischen Alltag. In gewisser Weise sorgt Baxt für Abhilfe, indem er mit Electra Howard einen selbstbewussten schwarzen Geist auftreten lässt. Auch Inspektor Abraham Wang ist alles andere als ein radebrechender, serviler Charlie Chan-Chinese.

Mordfall für Noel Coward

George Baxt, Haffmans

Mordfall für Noel Coward

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