Trauma
- btb
- Erschienen: April 2021
- 1
- TB, 352 Seiten
Der Alltag in der Psychiatrie macht alleine keinen runden Krimi
Laila weiß nicht mehr, was Realität und Wirklichkeit ist. Sie wollte mit ihrem Liebhaber Marius ein neues Leben beginnen. Jetzt liegt Marius in einem Meer von Blut und neben ihm sitzt eine sprechende Taube. Eine sprechende Taube? Wie ist das …
Und schon erwacht Laila. In ihrem Badezimmerschrank liegt eine blutige Waffe, und als die Polizei immer drängendere Fragen stellt und sie keinen Ausweg mehr sieht, findet sie sich als nächstes in der Psychiatrie wieder. Angeblich will man ihr hier helfen. Aber stimmt das wirklich? Braucht man nicht nur einen Sündenbock? Warum erhält sie Morddrohungen? Kann sie überhaupt noch jemandem vertrauen – einschließlich sich selbst?
Spannende Szenen aus der Psychiatrie – Blasse Protagonisten
Angelique Mundt weiß, wovon sie schreibt, wenn sie über den psychiatrischen Alltag berichtet. Nach ihrem Studium in der Psychiatrie arbeitete sie lange in diesem Metier und kennt daher die kleinen und großen Katastrophen, die den Klinikalltag heimsuchen können. Sie sagt über sich selbst: „Nur, weil ich die Abgründe kenne, kann ich darüber schreiben“. Das trifft sicherlich zu, um die Szenen in der geschlossenen Psychiatrie klar und schlüssig zu beschreiben - wenn mich auch ein wenig überraschte, wie einfach es offensichtlich ist, hier etwas hereinzuschmuggeln oder möglicherweise mal fix abzuhauen. Dennoch ist die Kenntnis einer psychiatrischen Klinik nicht unbedingt ein Garant dafür, einen schlüssigen und spannenden Krimi zu konstruieren. So wird der Leser zwar anschaulich in die Welt der Heldin Laila eingeführt, die beschuldigt wird, ihren Liebhaber Marius ermordet zu haben, aber dennoch bleiben ihr Umfeld - und damit auch ihre Motive - relativ blass. Dem Leser erschließt sich daher nicht, aus welchem Grund sich Lailas Liebesheirat irgendwann veränderte, warum sie begann, ihr Leben als goldenen Käfig zu empfinden, und wie sie sich letztendlich ein ernsthaftes Leben in London vorstellte. Damit fällt es aber dann auch schwer, sich auf die Seite der Heldin zu schlagen und für ihre Sache mitzufiebern.
Befreit man die Handlung von den verschiedenen Entwicklungen, Visionen und Wahnvorstellungen, die die Heldin meiner Einschätzung nach teilweise einfach aus dem Grund heimsuchen, um die Spannungskurve zu halten, bleibt unterm Stricht ein recht konventioneller Krimi, bei dem ich schon alsbald ahnte, wer denn hier die Strippen zog. Aber diesen Verdacht, wer denn der eigentliche Übeltäter sei, nahm ich mehr oder weniger schulterzuckend hin, denn auch diese Person konnte weder durch besonders böse Taten glänzen noch Mitleid für eine möglicherweise verzweifelte Situation erwecken.
Fazit
Angélique Munds vierter Roman liefert genaue Schilderungen der Routine in der Psychiatrie und auch den damit verbundenen Nickligkeiten und Machtkämpfen. Leider reicht ein solcher Tatsachenbericht aber nicht aus, um einen spannenden Krimi oder sogar einen Thriller zu konstruieren, und so bleibt das Interesse der Leser am Schicksal der Heldin Laila ein eher kühles. Hier hätte ich mir gewünscht, dass den Protagonisten doch einfach ein wenig mehr Leben eingehaucht würde, denn klinisches Interesse ist die eine, aber richtiges Mitfiebern oder -leiden eine vollkommen andere Sache.
Angélique Mundt, btb
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