Mordfall für Tallulah Bankhead
- Haffmans
- Erschienen: Januar 1993
- 1
- New York: St. Martin’s Press, 1987, Titel: 'The Tallulah Bankhead Murder Case', Seiten: 228, Originalsprache
- Zürich: Haffmans, 1993, Seiten: 263, Übersetzt: Gertraude Krüger
- München: Heyne, 1994, Seiten: 263
Ein historischer Krimi mit Tragik <i>und</i> Witz
New York, 1952: Die Hexenjagd des paranoiden US-Senators Joseph McCarthy ist auf ihrem Höhepunkt. Sie richtet sich gegen "Kommunisten", echte oder mögliche, die sich vor dem "House Committee on Unamerican Activities" (HUAC) zu ihren möglicherweise "unamerikanischen Aktivitäten" äußern müssen. Befindet sie dieses Tribunal "kommunistischer Umtriebe" für schuldig, werden sie bestraft, finden sich auf einer Schwarzen Liste wieder und erhalten praktisch Berufsverbot.
Die Künstlerwelt ist dem HUAC schon lange ein Dorn im Auge. Sie gilt als Hort allzu freidenkerischer "Salon-Kommunisten", den es endlich auszumisten gilt. Um ihre Pfründen bangend, schlagen sich die großen Filmstudios in Hollywood, aber auch Radiostationen, Theater und sogar Nachtclubs im ganzen Land auf die Seite der Hexenjäger. Diese zwingen ihre Opfer unter Androhung hoher Strafen dazu, Namen von "Kommunisten" zu nennen. Die Folge: ein blühendes Denunziantentum.
Unschuldige Schauspieler, Autoren, Sänger stehen vor dem Nichts, geraten in tiefe Not, begehen verzweifelt Selbstmord. Ihre Verräter entgehen dem Ruin, aber sie werden von den Kollegen und Freunden geächtet. Wer sich dem Terror widersetzt, gerät sofort selbst in die HUAC-Mühlen. Das muss sogar die große Tallulah Bankhead lernen. Die exzentrische Schauspielerin hasst die McCarthy-Clique aus tiefstem Herzen. Weil sie immer wieder versucht, die Schwarze Liste zu unterlaufen, ist sie selbst ins Visier der Hexenjäger geraten. Trotzdem kuscht sie nicht und hilft sogar der Polizei, als ein Unbekannter damit beginnt, McCarthy-Knechte und Denunzianten umzubringen. Jacob Singer von der Mordkommission zeigt zwar wenig Begeisterung über den Feuereifer seiner selbst ernannten Assistentin, aber gegen Tallulah kommt er nicht an. Das bringt die prominente Hobby-Detektivin nicht nur einmal in Lebensgefahr, als sie dem Mörder zu nahe kommt ...
Ungewohnt ernste Töne schlägt die dritte Episode der "### Murder Case"/"Jacob Singer"-Serie an. Zwar wimmelt es wieder vor skurrilen und überzeichneten Figuren, die in der Kunst des flotten Wortwitzes wohl bewandert sind. Aber Autor Baxt erzählt seinen schnurrigen Krimi vor ernstem Hintergrund. In kurzen, intensiven Episoden schildert er Durchschnittsmenschen, die von der HUAC in den Tod getrieben werden. Das ist tatsächlich geschehen, wie überhaupt die McCarthy-Ära zu den großen Schandflecken der modernen US-Geschichte gehört.
Baxt kennt sich aus; in diesem Roman tritt er sogar persönlich auf. In den 1950er arbeitete er als Theateragent in New York. Dass er weiß, über wen und was er schreibt, merkt man seinem Buch an. Es wird deutlicher als sonst, dass die Baxt-Thriller gar nicht die eindimensionale Unterhaltung sind, für die man sie zunächst hält. Der Verfasser veranschaulicht immer wieder, was die McCarthy-Hexenjagden bedeuteten: die Zerstörung von Leben - und zwar für Opfer und Denunzianten. (Wer glaubt, dies sei längst Schnee von Gestern, informiere sich über den Wirbel, der 1999 losbrach, als dem Meisterregisseur und "freundlichen Zeugen" Elia Kazan der Ehrenoscar verliehen wurde.)
Mordgedanken mögen in dieser düsteren Zeit vielen Betroffenen durch den Kopf gegangen sein. Sie blieben unverwirklicht. Erst Baxt greift sie nachträglich auf formt daraus einen Plot, der nicht besonders originell gerät, aber durch die fabelhaft gelungene Verklammerung mit der historischen Realität und die beachtliche Figurenzeichnung seine Wirkung nicht verfehlt.
Tallaluh Bankhead (1902-1968): eine vielleicht nicht begnadete, aber außerordentlich vielseitige Künstlerin vor der Kamera, auf der Bühne, hinter dem Mikrofon, vor allem jedoch eine Selbstdarstellerin, deren Privatleben weitaus Aufsehen erregender war als ihre Karriere. In Deutschland kennt sie kaum jemand, was schade ist. Selbst wenn man nicht der Tallulah-Interpretation von George Baxt trauen möchte, verrät der Blick auf die wahre Biografie, dass er wohl nicht übertrieben hat.
Diese Frau hat die Kerze wahrlich an beiden Enden angezündet und ist trotzdem relativ alt geworden. Kompromisse hat sie niemals schließen wollen, über gesellschaftliche Konventionen setzte sie sich elegant hinweg, und sie hatte ihr Leben dennoch so gut im Griff, dass sie viel betrauert und anders als viele ihrer Weggenossinnen als reiche Frau starb. (Tallulahs "Kodein! Bourbon!"-Schlachtruf auf dem Totenbett fehlt in keiner Sammlung berühmter letzter Worte.)
George Baxt schreibt vorsichtshalber über die mittelalte Tallulah, die noch im Vollbesitz ihrer Kräfte ist. Die Schicksalsschläge in dieser Geschichte treffen nicht die Hauptdarstellerin, sondern Unglückswürmer wie Dorothy Parker oder die zahlreichen echten und tragischen Schurken dieses Spiels. Jacob Singer ist mehr denn je der "Kriminalbeamte der Stars", ein Polizist, der in einem Thriller nun einmal nötig, aber in den "Mordfall für ..."-Krimis eigentlich nur Randfigur ist. Ein bisschen härter als sonst kommt er einmal vor, aber er wird ja auch älter und abgebrühter. (Interessanterweise hält Baxt diese Veränderung durch, obwohl er seine Serie keineswegs in chronologischer Reihenfolge schrieb, sondern wüst zwischen den 1920er bis 1950er Jahren sprang.)
George Baxt, Haffmans
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