Mord im Sommerpalast

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2002
  • 1
  • Paris: Librairie des Champs-Élysées, 1997, Titel: 'La noyée du palais d´été', Seiten: 191, Originalsprache
  • München: Heyne, 2002, Seiten: 173, Übersetzt: Alexandra von Reinhardt
Mord im Sommerpalast
Mord im Sommerpalast
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Wolfgang Weninger
35°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Minimaler Spannungsaufbau mit noch weniger Handlung

Wir befinden uns gerade im Reich der Mitte. China, im Jahre des Herrn 1896, oder auf chinesisch: bingshen. Die Zügel des Landes hält die Kaiserinwitwe Tseu Hi in der Hand, eine ehemalige Konkubine von Kaiser Xianfeng, die den schwachen Kaiser Guangxu lenkt. Guangxu hat zwei Konkubinen, Zhen und deren Schwester Li. Die rechte Hand von Tseu Hi ist ihr Lieblingseunuch Li Lianying.

Alle diese Personen sind geschichtlich verbürgt und das Buch Mord im Sommerpalast von Taiping Shangdi beginnt mit der Reise des kaiserlichen Trosses in das Sommerquartier an den Kunming See. Mit dabei ist Pfauenauge, die Hofdame der Konkubine Yin und der Nachwuchseunuch Kleiner Brillant, einer von Li Lianyings Gefolgschaft. Zwischen den beiden hat sich eine zarte Liebesgeschichte angebahnt, die nur dadurch erschwert wird, dass sich beide eigentlich nicht treffen dürfen, sondern mehr oder weniger in den Gemächern ihrer Herrschaften aufzuhalten haben und der Tatsache, dass dem Kleinen Brillanten das Zeug zum Familienvater fehlt.

Ergo dessen verbringt Pfauenauge ihre Zeit damit, der fettleibigen und unausstehlichen Konkubine Yin bei der Auswahl der Kleidung und dem Einlassen des Bades behilflich zu sein. In ihrer kärglichen Freizeit stickt Pfauenauge wundervolle Pfingstrosen und macht sich Gedanken. Denn einer von Li Lianyings Eunuchen wurde brutal ermordet. Erschlagen, um genau zu sein. Und zwar mit einem Szepter, dass die heimliche Liebe Kleiner Brillant findet und schnellstens versteckt. Pfauenauge ist um ihren kleinen Eunuchen, den sie oft tagelang nicht zu sehen bekommt ziemlich besorgt und macht sich so ihre Gedanken, die noch schlimmer werden, als ein Mädchen aus dem Hofstaat der Kaiserinwitwe erwürgt aufgefunden wird.

In diesem permanenten Ränkespiel um die Macht in China und die Nähe zum Kaiser ist den Damen und Herren in den prachtvollen Gewändern kein Mittel zu schade, um sich dekadent in den Vordergrund zu stellen. Jeder hat Angst, jeder verdächtigt jeden, aber der Zufall will es, dass Pfauenauge das Geheimnis errät und den Mörder findet.

Taiping Shangdi, was so viel wie "Großer Mann des Friedens" bedeutet, ist ein Pseudonym des französischen Journalisten und Autors Olivier Seigneur, der seine Bücher noch immer brav mit der Hand schreibt und dessen Lieblingsland China ist, was er auch an Hand dieses Kriminalromans beweist.

Der Stoff schleppt sich erst einmal durch die chinesischen Sitten und Gebräuche des ausgehenden 19. Jahrhunderts und zeichnet mehr die Sitten und Unsitten am Kaiserhof. Er führt durch die fast sklavisch anmutende Personalrekrutierung, wobei es für die gezeichneten Frauencharaktere offensichtlich noch erstrebenswert schien, sich so lange von spleenigen Konkubinen schikanieren zu lassen, bis sich ein höherwertiger Beamter erbarmte und eine Ehefrau benötigte. Dasselbe gilt für die Männer, die offensichtlich ein Leben ohne funktionierende Geschlechtsorgane der Armut vorzogen und sich der Auswahl zum Eunuchen stellten. Dass dabei Korruption, Intrigen und Erpressungen zum Tagesgeschäft gehörten, weiß der Autor durchaus authentisch zu schildern, wenn auch diese steten Gedanken, wer mit wem, warum und noch schlimmer, zu ziemlich langweiligen 173 Seiten ausarten.

Dazu kommt, dass die handelnden Personen sich zwar im Dunstkreis eines mörderischen Spiels befinden, aber bis zum zufälligen Ende keine Ahnung haben, worum es eigentlich geht. Und den Leser plagt ein ähnliches Schicksal, weil er zwar die knapp erfährt, warum die Morde passiert sind, aber es findet sich weder ein Kriminalist, der den Täter zur Verantwortung zieht, noch irgendeine andere Lösung, die dem Roman ein halbwegs vernünftiges Ende beschert.

Auch wenn die Serie über die Erlebnisse der kleinen Pfauenauge in Frankreich angeblich sehr beliebt ist, zeitige ich ihr in unserem Lesekreis keinen besonderen Erfolg. Die Idee, Geschehnisse aus dieser Zeit- und Kulturperiode zu einem interessanten Tatort zu verweben, hat durchaus was für sich. Die Ausführung ist jedoch nicht besonders überzeugend, woran meiner Meinung nach nicht die Übersetzung aus dem Französischen von Alexandra von Reinhardt die Schuld trägt, sondern einfach die Ideenlosigkeit, mit der hier nur minimaler Spannungsaufbau mit noch weniger Handlung zum Tragen kommt. Der Autor versäumt es vollständig, eine Identifikation mit der Hauptfigur zu schaffen, so dass diese im gesamten Ablauf weder Sympathieträger, noch das Gegenteil wird.

Mord im Sommerpalast

Taiping Shangdi, Heyne

Mord im Sommerpalast

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