Kreuzverhör

  • btb
  • Erschienen: August 2021
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- OT: TOP DOGG

- aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann

- TB, 640 Seiten

- Bd. 2 [Stockholm-Reihe]

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Thomas Gisbertz
62°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2021

Langatmiger Schweden-Thriller

Seit Jahren werden junge Mädchen von einem geheimen Täterring missbraucht. Jeder, der droht, die Machenschaften dieses menschenverachtenden Netzwerks aufzudecken, wird gnadenlos eliminiert. Anwältin Emilie Jansson vertritt eines der jungen Opfer. Katja ist schwer traumatisiert, stellt sich aber dennoch den quälenden Fragen der Staatsanwaltschaft, um diese auf die Spur der Peiniger zu bringen. Als Katja brutal getötet wird, setzen Emilie und ihr Freund Teddy - ein Ex-Knacki, der sich in der Stockholmer Unterwelt bestens auskennt - alles daran, den Mörder zu finden. Doch sie werden selbst von Jägern zu Gejagten, die mit aller Macht zum Schweigen gebracht werden sollen.

Sexueller Missbrauch

Die junge Anwältin Emilie Jansson muss sich erneut mit einem erst vor wenigen Monaten abgeschlossenen Fall beschäftigen. Mats Emanuelsson war seinerzeit untergetaucht, da er brisantes Filmmaterial von sexuellen Misshandlungen besaß, die eine Gruppe von Männern an jungen Mädchen vornahm. Da aber sein Sohn Benjamin des Mordes an seinen scheinbar toten Vater beschuldigt wurde, musste sich Mats zu erkennen geben. Im Zuge dessen übergab er der Polizei die Festplatte mit den gefilmten Übergriffen. Letztendlich fanden Emilie und Teddy aber nie die eigentlichen Verantwortlichen. Den Täterkreis gab es noch immer und vielleicht betrieben diese Männer weiterhin ihr perfides Geschäft. Katja scheint nun der Schlüssel dafür zu sein, endlich Zugriff auf die Peiniger zu bekommen. Doch diese Männer schrecken vor nichts zurück, um ihre Identität zu verbergen.

Strafverteidiger als Autor

Der Schwede Jens Lapidus ist laut Verlagsseite nicht nur einer der angesehensten Strafverteidiger des Landes, sondern auch einer der erfolgreichsten Autoren. Bekanntheit erlangte er erstmalig durch seine „Bandenkrieg“-Reihe, die ab 2009 beim Scherz Verlag veröffentlicht wurde und deren erster Teil 2011 unter dem Titel „Easy Money – Spür die Angst“ sogar in den deutschen Kinos lief.

Lapidus‘ „Stockholm-Reihe“ um die junge Anwältin Emilie und den Ex-Knacki Teddy ist ebenfalls nicht neu. Bereits 2014 erschien in Schweden der ersten Band (OT: „VIP-rumset“), der allerdings bis heute nicht ins Deutsche übersetzt wurde. 2019 veröffentlichte btb hierzulande den zweiten Teil Schweigepflicht und legt nun mit "Kreuzverhör" einen Folgeband nach, der inhaltlich an den Vorgängerroman anschließt.

Zusätzlich lief 2020 bei ZDFneo die achtteilige Nordic-Noir-Reihe „Hidden Agenda“, die auf der Stockholm-Romanreihe basiert.

Durchhaltevermögen gefragt

Der btb Verlag sagt über Autor Jens Lapidus: „Durch seine anwaltliche Tätigkeit verfügt er über mannigfaltige Kontakte zu Schwerverbrechern und genuine Einblicke in die schwedische Unterwelt, die Normalsterblichen normalerweise verwehrt bleiben. Die Authentizität, Schnelligkeit und Direktheit seiner Romane suchen ihresgleichen.“

Es mag sein, dass der Autor über „mannigfaltige Kontakte zu Schwerverbrechern“ verfügt und ein guter Strafverteidiger ist. Sein schriftstellerisches Talent stellt er mit "Kreuzverhör" aber nicht unter Beweis. Weder kann man der Darstellung seiner Figuren eine hohe Authentizität zusprechen, noch überzeugt sein aktueller Roman mit Tempo und Unmittelbkarkeit. Im Gegenteil: Lapidus versucht sich unter anderem vergeblich am Ethnolekt und der Sprache der Jugendlichen. Der Autor meint anscheinend, dass das ständige Einwerfen von Anglizismen dafür ausreichend sei. Hinzu kommt, dass man bei der Übersetzung immer wieder versucht, diesen Schreibstil ins Deutsche zu übertragen („Es hätte ein naißer Abend werden können.“). Generell misslingt die Darstellung der Figuren, die überwiegend blutleer und oftmals übersteigert stereotyp wirkt.

Des Weiteren ist die Handlung über weite Strecken zu langatmig und spannungsarm, was an einem zu nüchternen Erzählstil und einer mitunter zu einfachen Sprache liegen mag. Die Lektüre wird dadurch zu einer zähen Angelegenheit und man wägt nicht selten ab, ob man den Rest der über 630 Seiten wirklich lesen möchte. Wer aber durchhält, wird am Ende tatsächlich dafür belohnt. Denn der Schluss des Thrillers entschädigt für einiges. Man muss sich aber fragen, warum Lapidus inhaltlich derart viel Anlauf nehmen muss und erst spät beweist, dass er es versteht, Spannung und Tempo zu erzeugen.

Dennoch gilt: Ein guter Strafverteidiger muss nicht unbedingt ein ebenso guter Thrillerautor sein. Zumindest trifft dies auf diesen Band der Stockholm-Reihe zu.

Gute Idee - mäßige Umsetzung

Dabei hat die Serie sicherlich ihre Stärken. So ist die Kombination aus aufstrebender Junganwältin, die aus Prinzipientreue auf die große Karriere in einer der bedeutendsten schwedischen Anwaltskanzleien verzichtet, und dem Ex-Knacki Teddy, der es nach einem jahrelangen Gefängnisaufenthalt nicht schafft, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen, eine vielversprechende, explosive Mischung. Beide werden aber oftmals in einer grenzenlosen Naivität gezeigt, die besonders bei Teddy überhaupt nicht passen mag.

Die Handlung ist ebenfalls durchaus packend, wenn auch nicht neu. Es geht um einen perfiden Kreis von Männern, der auf brutale und widerwärtige Art junge Mädchen missbraucht. Dies ist durchaus schwere Kost, die durch den schwächeren Schreibstil aber an der notwendigen emotionalen Tiefe verliert. Insgesamt macht Jens Lapidus einfach zu wenig aus einem im Grunde guten Plot und einem spannenden „Ermittlerduo“.

Fazit:

Zumindest mit seinem aktuellen Band "Kreuzverhör" ist Autor Jens Lapidus weit entfernt davon, in einem Atemzug mit den großen schwedischen Autoren wie Sjöwall/ Wahlöö, Mankell oder Larsson genannt zu werden, auch wenn Autoren wie der US-amerikanische Krimiautor James Ellroy ihn dort schon beinahe sehen. Wer typischen Nordic Noir erwartet, der liegt hier leider falsch. Für junge Leser mag Jens Lapidus aber vielleicht sogar ein guter Einstieg in die Welt des skandinavischen Thrillers sein, da sein Stil zeitgemäßer erscheint.

 

Kreuzverhör

Jens Lapidus, btb

Kreuzverhör

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