Der Fall des Präsidenten
- Blanvalet
- Erschienen: März 2021
- 5
- HC, 608 Seiten
David gegen Goliath
Die Geschichte beginnt mit einem handfesten Skandal: Der Ex-Präsident der USA, Douglas Turner, wird bei der Einreise nach Griechenland verhaftet! Der internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag hat sich doch tatsächlich erdreistet, einen Haftbefehl wegen angeblich begangener Kriegsverbrechen auszustellen, und die griechische Justiz besitzt die Unverfrorenheit, sich zum Erfüllungsgehilfen des ICC zu machen. Das löst ein Beben aus, das die gesamte politische Welt in ihren Grundfesten erschüttert.
Was folgt, ist ein Kampf David gegen Goliath. Der amtierende US-Präsident, Arthur Jones, ist nämlich sowas von „not amused“. Immerhin befindet er sich in der Hochphase des Wahlkampfs, und diese Angelegenheit könnte ihn die Wiederwahl kosten. Also wird aus allen Rohren geschossen: Er entsendet Derek Endvor, einen seiner engsten Mitarbeiter, nach Athen - zusammen mit einem ganzen Team aus Juristen, Außenpolitikern, Kommunikationsberatern, Geheimdienstmitarbeitern und Militär. Sie sollen Turner schnellstmöglich aus dem Gefängnis holen - egal wie. Und so wird nicht nur auf juristischer Ebene gekämpft: Das Team verbreitet gezielt Falschinformationen über führende Mitglieder des ICC in den sozialen Medien, um die ganze Aktion in Misskredit zu bringen. Zudem merken sie recht schnell, dass der ICC tatsächlich Beweise zu haben scheint, die ihnen nur ein Verräter oder - freundlicher ausgedrückt - ein Whistleblower zugespielt haben kann. Eine Hetzjagd beginnt. Jones selber versucht derweilen, die griechische Regierung, die EU und den ICC zu erpressen – pardon, er droht natürlich lediglich mit Sanktionen, die nach und nach gesteigert werden, sollte seinem Befehl - pardon, natürlich seinem Anliegen nicht entsprochen werden. Außerdem besteht immer noch die Möglichkeit, Turner im Rahmen einer militärischen Operation gewaltsam zu befreien. Damit wäre die Rolle des Goliaths geklärt.
Die Rolle des Davids fällt somit dem ICC zu. Er hat selber kaum Befugnisse, sondern ist auf die Amtshilfe seiner Mitgliedsstaaten angewiesen. Er verfügt auch nicht über das Personal und schon gar nicht über die Finanzen oder die politische Macht der USA. Als seine Vertreterin hat er die junge Juristin Dana Marin entsandt, die sich eigentlich im Hintergrund halten sollte, deren Bild und Name aber nach einem veröffentlichten Video der Verhaftung die ganze Welt kennt. Sie steht der Abordnung aus den USA mehr oder minder alleine gegenüber, unterstützt zunächst nur von einem griechischen Anwalt. In einem Gerichtsverfahren in Griechenland sollte nämlich zuerst lediglich geklärt werden, ob die Verhaftung rechtlich sauber abgelaufen ist, die Rechte des Verhafteten gewahrt wurden und die Vorwürfe des ICC auch eine Überstellung nach Den Haag rechtfertigen. Doch das Gericht überschreitet seine Kompetenzen deutlich, fordert immer mehr Beweise und nimmt schon fast den eigentlichen Prozess vorweg - eine Situation, auf die Dana nicht vorbereitet ist.
Gekonnte Kombination aus Spannung und Information
Der Fall des Präsidenten ist ein echter Elsberg: rasant, spannend und informativ. Dabei siedelt der Autor seine Geschichte (wie schon in seinen vorherigen Romanen) an der Grenzlinie an, an der Realität und Fiktion verschwimmen - zum einen nachvollziehbar und glaubhaft, aber eben nicht ganz; ein bisschen bleibt es doch jenseits der Vorstellungskraft. Diesen schmalen Grat wandelt Elsberg gekonnt, und das macht einen Teil des Reizes aus. Es ist schon ein wenig gruselig, was man da so liest, aber man kann sich doch noch an die Resthoffnung klammern, dass es soweit nicht kommen wird. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Elsberg in seine wirklich spannende Geschichte viele Informationen über das internationale Strafrecht, den ICC und Kriegsverbrechen packt. Was sind überhaupt Kriegsverbrechen? Wann sind Opfer in der Zivilbevölkerung noch akzeptable Kollateralschäden und wann nicht? Wie kann man einen Krieg, eine kriegerische Auseinandersetzung überhaupt gewinnen, wenn man an die Genfer Konventionen gebunden ist, die Gegenseite aber nicht? Die Lektüre und die aufgeworfenen Fragen regen auf jeden Fall zum Nachdenken an.
Nicht ganz perfekt
Bei aller Spannung gibt es jedoch auch zwei Kritikpunkte: Zum einen ist das Ende etwas zu furios und an einigen Stellen auch zu pathetisch geraten. Hier wird der Bogen, vor allem was die Glaubwürdigkeit angeht, dann doch überspannt. Zum anderen gibt es einige ärgerliche Fehler: Da wird ein stellvertretender Außenminister wenige Zeilen später zum Außenminister, eine zurückgetretene Justizministerin plötzlich zu einer Innenministerin, aus Sean wird Jean, aus Lilian Catherine; und eine verhaftete Person wird zum Alibi, da sie angeblich noch nie mit den Behörden in Kontakt kam. Dem Autor sind da nur bedingt Vorwürfe zu machen, schließlich wird jeder beim eigenen Text betriebsblind. Nur stellt sich die Frage, ob der Sparkurs auch bei renommierten Verlagen mittlerweile so weit geht, dass sogar bei bekannten Autoren am Lektorat gespart wird?
Fazit
Der Fall des Präsidenten ist ein rasanter und spannender Thriller - wie man es von Elsberg gewohnt ist. Unterhaltsame Stunden sind garantiert!
Marc Elsberg, Blanvalet
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