Die App

  • S. Fischer
  • Erschienen: September 2020
  • 6

- Broschur, 368 Seiten

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Thomas Gisbertz
62°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2020

Big Brother is watching you

Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Hamburg-Winterhude, ein Haus mit Smart Home, alles ganz einfach per App steuerbar, jederzeit, von überall - und dazu absolut sicher. Hendrik und Linda sind begeistert, als sie einziehen; genau so haben sie sich ihr gemeinsames Zuhause immer vorgestellt. Aber dann verschwindet Linda eines Nachts. Es gibt keine Nachricht, keinen Hinweis, nicht die geringste Spur. Während die Polizei davon ausgeht, dass Linda Hendrik verlassen hat, befürchtet dieser, dass seine Verlobte entführt wurde. Aber wie ist das möglich? Konnte sich in jener Nacht jemand Zutritt zum Haus verschaffen? Und wenn ja, warum hat die App nicht sofort den Alarm ausgelöst?

Smart-Home-System als Risiko

Während Hendrik verzweifelt alles versucht, um Linda zu finden, meldet sich die Hamburgerin Julia bei ihm. Ihr Partner ist ebenfalls spurlos verschwunden - und auch sie nutzen das Smart-Home-System „Adam“. Kurz nachdem Julia anscheinend einen entscheidenden Hinweis auf den Verbleib ihres Mannes gefunden hat, ist auch sie plötzlich nicht mehr auffindbar. Bei der hartnäckigen Suche nach seiner Verlobten erhält Hendrik Unterstützung von der angehenden Polizeipsychologin Alexandra. Für sie steht zweifelsfrei fest: „Adam“ hat mit dem Verschwinden der Vermissten zu tun. Doch bei der Polizei stößt Hendrik mit dieser Idee auf taube Ohren, und schon bald weiß er nicht mehr, wem er trauen kann ...

Deutscher Bestseller-Autor

Den gebürtigen Saarländer Arno Strobel kann man durchaus als Vielschreiber bezeichnen: In den letzten Jahren hat er zahlreiche Bestseller veröffentlicht, u.a. die Max-Bischoff-Trilogie und erfolgreiche Einzeltitel wie Der Trakt oder Das Dorf. 2019 erschien Offline - Du wolltest nicht erreichbar sein. Jetzt sitzt du in der Falle. In diesem Thriller geht es um „Digital Detox“, also den Wunsch, sich digital zu entgiften, indem man sich wieder von Smartphone und Co. entwöhnt und Verzicht übt. Konkret steht darin eine Gruppe junger Wanderer im Mittelpunkt, die fünf Tage ohne Internet in der Einsamkeit der Berge unterwegs ist; dort aber wartet das Grauen auf sie, und die Wanderung wird zum Horrortrip.

Anscheinend hat Autor Arno Strobel Gefallen an Themen der „digitalen Welt“ gefunden, denn auch diesmal greift er mit dem Smart Home ein System auf, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Allerdings geht es beim aktuellen Thriller natürlich weniger um die Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität, sondern vielmehr um die versteckten Gefahren, die damit verbunden sind.

Zu berechenbare Handlung

Die Grundidee für Die App ist sicherlich nicht neu. Dennoch gelingt dem Autor zunächst eine spannende Umsetzung des Sujets. Der Romananfang weiß den Leser durchaus zu fesseln, da es viele Ungereimtheiten gibt und die Handlung ein hohes Tempo einschlägt. Strobel versteht es hier geschickt, immer wieder neue Handlungsimpulse zu setzen, die nicht nur für Nervenkitzel, sondern auch für ein kurzweiliges Lesevergnügen sorgen.

Allerdings wird zu schnell deutlich, in welche Richtung es geht und welches Motiv hinter dem Verschwinden der Personen steckt. Dies führt leider auch dazu, dass sich die Zahl der Verdächtigen schnell eingrenzen lässt. Am Ende wartet man dann vergebens auf eine überraschende Wendung; stattdessen entwickelt sich alles so, wie man es erwartet hat. Dies liegt zum Teil daran, dass der Autor mitunter überdeutliche Signale sendet, die der erfahrene Thrillerleser - im Gegensatz zur Hauptfigur des Thrillers - zu deuten weiß. Das große Erstaunen bleibt im Übrigen nicht nur beim Motiv und letztendlich dem Täter aus, sondern auch bei der Darstellung zentraler Figuren des Romans: Deren Geheimnisse und auch die Frage nach Gut und Böse werden früh deutlich und erscheinen bei der Auflösung ebenfalls nicht überraschend.

Schwache Personenzeichnung

Insgesamt ist die Figurenauswahl diesmal zu schablonenhaft und leider auch hinlänglich bekannt: Es gibt den „guten“ Kommissar und den „bösen“; den anonymen Hacker aus dem Darknet; die junge Psychologie-Absolventin, die gerade erst ein Praktikum bei der Hamburger Polizei abgeschlossen hat, aber in ihrem Auftreten wie eine erfahrene Kommissarin erscheint, die bereits 30 Dienstjahre auf dem Buckel hat.

Besonders die beiden Ermittler Sprang und Kanstein werden doch arg hölzern und uninspiriert dargestellt. Ihr Handeln und Vorgehen scheint vom Autor lediglich darauf angelegt, die Verunsicherung der Hauptfigur zu steigern. Hendrik selber wird dagegen in seinem Wechsel zwischen Wahn, depressiven Phasen, Wut und Momenten der Euphorie vom Autor sehr gut gezeichnet, da sein Handeln menschlich und damit glaubwürdig erscheint.

Man dreht sich im Kreis

Die Hauptfrage des Romans ist wie so oft: Wer sagt die Wahrheit? Schnell hat man eine Anzahl von Verdächtigen, die abwechselnd mal mehr, mal weniger in den Fokus geraten. Dies wirkt irgendwann zu zäh und der Thriller tritt wiederholt auf der Stelle. Spätestens am Ende wird auch für den ungeübten Leser deutlich, dass Strobel gleich zwei Themen zum Gegenstand seines Romans gemacht hat, wobei der Autor im Nachwort darum bittet, das zweite Thema (neben den Gefahren der Smart-Home-Systeme) in Rezensionen nicht zu nennen - ein überflüssiger Hinweis, denn dies ist ein wichtiges Grundprinzip von Buchbesprechungen. Darüber hinaus wird das Motiv, wie beschrieben, auch so früh klar.

Fazit

Strobels neuester Roman wirkt irgendwie unrund und schnell heruntergeschrieben. Spannung zieht Die App weniger aus dem Motiv und dem gut eingrenzbaren Täterkreis, sondern mehr aus dem Wunsch des Lesers, doch noch überrascht zu werden - was aber leider nicht geschieht. Die Auflösung am Ende bestätigt ihn in seinen Vermutungen. Dies ist deswegen enttäuschend, da Autor Arno Strobel eigentlich für gute Spannungsliteratur steht.

Die App

Arno Strobel, S. Fischer

Die App

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