Die Knochennadel

  • Goldmann
  • Erschienen: September 2020
  • 7

- Bd. 3

- TB, 608 Seiten

Die Knochennadel
Die Knochennadel
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Thomas Gisbertz
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2020

Mörderjagd durch Frankreich

Eigentlich wollte der Wiener Privatdetektiv Peter Hogart nur einen Kurzurlaub in Paris verbringen. Doch dann verschwinden bei einer exklusiven Auktion in der Opéra Garnier plötzlich seine Freundin, die Kunsthistorikerin Elisabeth, sowie eine mittelalterliche Knochennadel – ein nahezu unbezahlbarer Kunstgegenstand. Wenig später werden zwei Kunstsammler grausam ermordet, und für Hogart beginnt eine fieberhafte Jagd. Denn diese Morde sind nur der Anfang, und dem Privatdetektiv bleibt wenig Zeit, Elisabeths Leben zu retten und das Rätsel um die geheimnisvolle Knochennadel zu lösen ...

Wertvolles Artefakt

Weil ihm die Pariser Polizei nicht glauben mag, dass seine Freundin im Anschluss an eine luxuriöse Auktion entführt wurde, macht sich Hogart zusammen mit seiner 19-jährigen Nichte Tatjana, die ebenfalls mit nach Paris gefahren ist, alleine auf die Suche. Doch schnell müssen beide einsehen, dass mit den Verbrechern nicht zu spaßen ist: Hogart wird brutal zusammengeschlagen und Tatjana entführt. Die Gangster stellen ihm ein Ultimatum: Wenn Hogart die Knochennadel nicht in kürzester Zeit besorgen kann, stirbt seine Nichte. Unterstützung erhält er unerwarteterweise von Chloé, der Tochter eines der Mordopfer. Für beide beginnt eine rasante Jagd quer durch Frankreich …

Fortsetzung einer „alten“ Reihe

Nach den ersten beiden Fällen der Peter-Hogart-Reihe (Die schwarze Dame, 2007; Die Engelsmühle, 2008) wurde es etwas ruhiger um den Wiener Privatdetektiv. In den folgenden Jahren schrieb Andreas Gruber zunächst an der „Rachereihe“ mit Ermittler Walter Pulaski sowie der „Todesreihe“ mit Profiler Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez, deren erster Band 2019 sogar für SAT1 verfilmt wurde. „Trotzdem hatte ich über all die Jahre die Idee der Knochennadel als Hogarts dritten Fall in der Schublade, wo sie lange Zeit geduldig gewartet hat“, so Andreas Gruber im Nachwort seines aktuellen Thrillers.

Eigentlich sollte die Handlung des Romans diesmal in Budapest spielen. Im Rahmen einer gemeinsamen Lesung, bei der Lieder aus dem Film Die fabelhafte Welt der Amélie vorgespielt wurden, entstand bei Gruber jedoch die Idee, Hogart diesmal hauptsächlich in Paris ermitteln zu lassen.

Zeitgleich mit dem dritten Band der Reihe hat der Goldmann-Verlag nun auch die beiden ersten Fälle rund um den Wiener Privatdetektiv neu aufgelegt.

Ein guter Plot ist nicht alles

Peter Hogart ist zurück! Viele Gruber-Fans haben lange auf die Fortsetzung der Reihe warten müssen. Die Reaktionen dürften aber teilweise ambivalent ausfallen - und dies aus gutem Grund. Zunächst entwickelt der Autor einen interessanten Plot: Privatdetektiv Hogart muss sich auf die Suche nach der „Knochenadel“, einem mittelalterlichen Artefakt, machen. Wie sich bald herausstellt, ist diese nur ein Teil des legendären Knochenzyklus des Künstlers Bíro, der im 12. Jahrhundert gelebt hat. Im Rahmen einer Auktion, bei der die Nadel für 7,3 Millionen Euro versteigert wird, entführen Unbekannte Hogarts Freundin Elisabeth. Auch die Knochennadel ist spurlos verschwunden. Dennoch holt Autor Andreas Gruber zu wenig aus diesem vielversprechenden Plot heraus, der atmosphärisch Erinnerungen an den ebenfalls in Paris spielenden Thriller Sakrileg des US-Bestsellerautors Dan Brown weckt.

Warum gerät die Handlung immer wieder ins Stocken? Zum einen kann der Autor das notwendige Tempo nicht halten; dies ist zum Teil selbstverschuldet, da er sich gerade zu Beginn inhaltlich wiederholt, wenn man als Leser immer wieder miterleben muss, wie Hogart bei jedem Antiquitätenhändler und den Kunstsammlern, für die jene um die Knochennadel mitgeboten haben, zu spät kommt und diese bereits tot oder schwerverletzt sind. Zum anderen ist die Handlung mit über 600 Seiten einfach zu lang; dadurch geht immer wieder das Tempo und damit auch die Spannung verloren. Was als großes Blockbuster-Kino vielleicht funktionieren würde, wirkt als Thriller etwas holprig.

Vermeidbare Mordserie

Auch wenn man bei Thrillern nicht immer die Frage nach der Glaubwürdigkeit stellen darf, da diese ansonsten wohl nur aus monatelanger, dröger Ermittlungsarbeit bestehen würden, muss man dennoch zumindest Zweifel an der Qualität der französischen Polizei haben. Warum zum Beispiel ein besonderer Personenschutz für die potentiellen Opfer außer für den Wiener Privatdetektiv keine Relevanz zu besitzen scheint, bleibt ebenso rätselhaft wie die nonchalante Vorgehensweise der Pariser Ermittler.

Wenn man sich aber darauf einlässt, dass es nur einen Helden geben kann - nämlich Hogart -, dann ist dies ebenso zu verschmerzen wie die Tatsache, dass der Wiener Detektiv selber öfters endlos lange Zeit benötigt, um 1 und 1 zusammenzuzählen. So rätselt er zum Beispiel eine gefühlte Ewigkeit, was eine ältere Dame ihm über seine Begleiterin Chloé sagen wollte, bevor jene ermüdet einschlief. Die Frau zu wecken oder zumindest am nächsten Tag anzurufen, scheint für ihn seltsamerweise aber keine Option zu sein. Die größte Überraschung ist aber, dass Hogart bei allem, was ihm an Gewalt und Brutalität widerfährt, am Ende überhaupt noch am Leben ist. Vielleicht muss das bei Superhelden so sein, denn dies macht sie als Charakter derart liebevoll: der Durchschnittstyp, der es mit allen aufnimmt und über sich hinauswächst. Dies hat durchaus seinen Reiz.

Dass der Roman im Ganzen zusätzlich funktioniert, liegt besonders an der gelungenen Figurendarstellung und dem einzigartigen Flair der französischen Hauptstadt, welches Gruber einzufangen versteht. Zusammen mit der guten Grundidee und den zahlreichen Handlungsorten entsteht ein über weite Strecken unterhaltsamer Thriller.

Fazit

Vielleicht hat das Skript zum neuesten Gruber-Roman tatsächlich ein bisschen zu lange in der Schublade gelegen, sodass der Wiener Privatdetektiv Hogart doch etwas Staub angesetzt hat. Die Knochennadel ist ein guter Thriller - mehr aber nicht. Zwar schwächelt die Reihe diesmal etwas, dennoch kann man den neuesten Band durchaus empfehlen - nicht nur für Gruber-Fans.

 

Die Knochennadel

Andreas Gruber, Goldmann

Die Knochennadel

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