Eine bittere Wahrheit

  • C. Bertelsmann
  • Erschienen: November 2020
  • 3

- OT: House of Correction

- aus dem Englischen von Birgit Moosmüller

- Broschur, 512 Seiten

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Sabine Bongenberg
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2020

Gute Idee, aber abschnittsweise sehr zähflüssig

Tabitha Hardy ist eine Außenseiterin in dem kleinen englischen Küstenort. Als dann die Leiche eines Mannes, mit dem sie offensichtlich noch eine alte Rechnung zu begleichen hatte, in ihrem Schuppen gefunden wird, ist das Urteil ihrer Nachbarn und der Polizei schnell gefasst: Es kann nur diese oftmals eigenbrötlerische Frau gewesen sein. Tabitha findet sich alsbald in Untersuchungshaft wieder, eine Perspektive, hier bald rauszukommen, ist nicht in Sicht, und sogar ihre Anwältin rät ihr dazu, sich schuldig zu bekennen und so die zu erwartende Haftstrafe zu reduzieren. Tabitha beschließt zu kämpfen. Aber wie soll das aus dem Gefängnis heraus funktionieren, wenn offensichtlich doch jeder gegen sie ist? Doch Tabitha stellt fest: Hilfe kommt aus unerwarteter Richtung …

Eine schwierige Heldin

Das Autorenduo Nicci French bleibt auch in diesem Buch wieder seinem besonderen Faible für grüblerische und nicht immer charmante Menschen treu; Tabitha macht es dem Leser nicht allzu leicht, sie zu mögen. Die Autoren haben sie so erschaffen, dass sie sich an den Tag des Mordes – aus welchen Gründen auch immer – kaum erinnern kann, dass sie sich ungern von anderen etwas sagen oder vorschreiben lässt und dann auch noch dazu neigt, recht schroff ihren Kopf durchzusetzen. Zudem ist die Handlung des Romans so gestaltet, dass sich die Abläufe im Gefängnis quälend langsam und in einem sehr eigenen Takt dahinziehen. Tabitha stolpert wie im Tran durch ihr neues Leben, legt sich mit jedem, mit dem es machbar ist, an und beschließt zudem, ihren eigenen Fall im komplizierten englischen Justizsystem selbst zu vertreten. Selbst bei einer sympathischen, schwungvollen Heldin wäre das möglicherweise ein schwieriges Unterfangen gewesen; bei dieser manchmal recht harsch auftretenden Frau kam mir gelegentlich der Gedanke, dass es ihr dann eben ganz recht geschähe, wenn ...

Immerhin gelingt es ihr, sich durch ihre Hartnäckigkeit einen gewissen Respekt bei ihren Wächtern und sogar den Beteiligten ihres Prozesses zu erringen. Dennoch hätte ich mir auch bei Tabithas Recherchen nach ihrem Fall ein bisschen mehr Schwung oder vielleicht sogar ein paar (ganz) kleine Fortschritte gewünscht, hatte ich doch oft das Gefühl, dass die überforderte Heldin nur auf der Stelle tritt und sich das Ganze zieht wie ein Kaugummi. Ich hätte mir auch gewünscht, etwas mehr über ihre Mithäftlinge zu erfahren - so wird zum Beispiel ihre Zellengenossin Ingrid zu einer wichtigen Stütze in ihrer Suche nach Wahrheit, leider wird aber nicht geklärt, welche Motive diese Frau zu ihren Handlungen treiben. Auch die letztendlich präsentierte Lösung (wenn auch logisch erklärt und abgewickelt) ließ mich nicht so recht zufrieden zurück. Die eigentliche Auflösung des Buches dürfte auch vielmehr darin zu sehen sein, wie die Heldin nach den Zurückweisungen und Mutmaßungen ihres Dorfes in ihre weitere Zukunft sieht und welche Pläne sie künftig verfolgen will.

Fazit

Eine bittere Wahrheit ist meiner Einschätzung nach nicht unter den besten Büchern von Nicci French einzureihen. Dennoch ist die Heldin neben den ganzen Eigenbrötlerinnen, die regelmäßig ständig am Whisky nippten oder neben denen, die zu keiner nervigen Aktion ihrer Mitmenschen „Nein“ sagen konnten, eine deutliche Verbesserung. Vielleicht können Nicci French doch noch einmal zu der alten Größe finden, wo neben einer spannenden Krimi-Konstruktion eine subtile und leise Trauer von der Handlung ausging, die den Leser weit über den letzten Satz hinaus berührte.

Eine bittere Wahrheit

Nicci French, C. Bertelsmann

Eine bittere Wahrheit

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