Die Nacht gehört den Schatten
- Independently published
- Erschienen: Juni 2020
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- TB, 280 Seiten
Unterhaltsam erzählte, absolut hanebüchene Geschichte
Offensichtlich scheinen Norwegens freundliche und treusorgende Familienväter serienweise dem Wahnsinn zu verfallen: Verschiedene Ehepaare, die von ihren Freunden und Familien als fröhlich, sorglos und „ganz normal“ empfunden wurden, werden morgens in einem wahren Meer von Blut aufgefunden, und immer hat der Ehemann offensichtlich seine Frau brutal erschlagen, ehe er sich selbst das Leben nahm. Über die Jahre hinweg treten diese rätselhaften Fälle immer wieder auf. Zuletzt werden die Schwiegereltern der ehemaligen Polizistin Runa bestialisch ermordet. Aber dieses Mal finden sich immerhin verwertbare Tatortspuren, die auf einen noch lebenden Täter hinweisen. Als dringend tatverdächtig verhaftet wird Torben, Runas Mann, und so wie es sich darstellt, waren seine eigenen Eltern nicht seine einzigen Opfer. Runa ist fassungslos und Torben – schweigt.
Logiklücken tun sich auf
Daniela Arnold blickt auf eine lange Erfahrung im Verfassen von Thrillern zurück und hat sich mit diesem Buch für den „Kindle Storyteller Award“ qualifiziert. Bereits beim Einstieg merkt der Leser dann auch, dass die Autorin tatsächlich eine Geschichte gut und spannend zu erzählen vermag: Unvermittelt wird er in die Handlung des Prologs gekickt, wo er die misshandelte Fenna kennenlernt, die nach langen Qualen und Demütigungen endlich beschlossen hat, ihren gewalttätigen Mann Vilhelm zu verlassen. Unglücklicherweise offenbart sich hier auch schon eine der großen Schwächen des Romans, denn nur weil eine Autorin etwas gut und spannend aufzubereiten vermag, heißt das nicht, dass eine Geschichte damit auch stimmig oder etwa logisch sein muss. So scheint Vilhelm niemals das Haus zu verlassen – beispielsweise um einer Arbeit nachzugehen –, und die verzweifelte Fenna muss warten, bis er im gemeinsamen Ehebett eingeschlafen ist, um dann hastig mit dem gepackten Köfferchen in der einen und zwei Kleinkindern an der anderen Hand das Haus zu verlassen. Ob ein solcher eigenartiger Versuch von Erfolg gekrönt wird, das soll hier einmal der Phantasie des Lesers überlassen werden - dennoch wird mit dieser bereits eigenartigen Geschichte das Fundament der weiteren Handlung gelegt.
Im Roman springt die Autorin zwischen verschiedenen brutalen Taten in verschiedenen Jahren und auf verschiedenen Ermittlungsebenen hin und her. Verschiedene bestialische Morde – begangen mit dem guten, alten Hackebeil, das ja immer für ein gruseliges Ergebnis sorgt – werden minutiös geschildert, und aus diesen Schilderungen setzt sich dann auch ein großer Teil des Romans zusammen, ohne dass die ermittelnden Beamten bei ihren Untersuchungen auch nur einen Schritt weiterzukommen scheinen. Allein die weiblichen Ermittlerinnen plagt ein eigenartiges Gefühl; ihre weibliche Intuition sagt ihnen, dass hier etwas nicht stimmt – worin sich dieser Instinkt begründet, bleibt aber weitgehend ungeklärt. Im Kontrast dazu sollen auch die immer wieder in die Handlung eingefügten Kinder nicht unerwähnt bleiben, die mit kleinen Händchen, glockenhellem Lachen und blanken Äuglein offensichtlich auch noch den Nestbautrieb der Leserinnen ansprechen sollten, aber eher dazu neigten, zumindest mich zu irritieren.
Nach diversen abgehackten Köpfen, eingeschlagenen Brustkörben und Beteiligten, die offensichtlich und aus vollkommen unklaren Gründen verängstigt schweigen oder ihre Kinder nicht mehr aus den Augen lassen, präsentiert sich immerhin eine Lösung, die so viele Löcher aufweist, dass mindestens ein gutes Dutzend norwegische Lachse entspannt hier durchschwimmen könnte. Viel zu vieles bleibt unklar - so zum Beispiel allein die Frage danach, warum ein Familienvater, dem klar sein sollte, dass er nach einem vierfachen Mord in eine Zelle verfrachtet und der Schlüssel weggeworfen wird, in eine fast katatonische Starre verfällt.
Fazit
Daniela Arnold kann eine Geschichte spannend erzählen, das steht außer Frage. Aber dennoch sollte ein gut konstruierter Krimi – oder gar der hier etikettierte „Thriller“ – einen halbwegs nachvollziehbaren Plot aufweisen und eine ebensolche Lösung aufzeigen. Die bloße Aufreihung schrecklicher Morde mit einer an den Haaren herbeigezogenen Auflösung – das schafft keinen intelligenten Thriller, sondern ein bloßes Blutbad mit einer zufälligen Lösung.
Daniela Arnold, Independently published
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