Hagebuttenblut

  • Penguin
  • Erschienen: Juli 2020
  • 3

Sabine Thiele (Übersetzung)

Hagebuttenblut
Hagebuttenblut
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Carola Krauße-Reim
78°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2020

Private Probleme überlagern den Fall

Vor 30 Jahren verschwand die 16-jährige Francesca Mild aus dem Sommerhaus ihrer Familie in Gullspång. Ihr Fall lockt die Stockholmer Kommissarin Charlie Lager einmal mehr in ihre Heimatstadt, in die sie eigentlich nie wieder zurückkehren wollte. Bald merkt Charlie, dass der Fall sehr persönlich für sie wird, denn Erinnerungen an das Sommerhaus der Familie Mild kehren zurück und sie fragt sich, welche Rolle ihre Mutter damals spielte.

Kein lebensfroher Mensch weit und breit

Bei der Lektüre des Buches kann man auf die Idee kommen, Schweden wäre nur von depressiven Menschen bevölkert. Hier haben alle einen mehr oder weniger ausgeprägten Knacks. Charlie kann mit den Vorkommnissen ihres ersten Falles in Gullspång nicht abschließen, was dazu führt, dass sie noch mehr Alkohol trinkt und noch mehr Tabletten schluckt.

Ihr Kollege Anders hat mit privaten Problemen zu kämpfen, die sein Leben umkrempeln werden und in Gullspång gibt es sowieso nur verkrachte Existenzen, die mehr Geld für Schnaps als für feste Nahrung ausgeben. Am schlimmsten aber hat es Francesca erwischt. Die 16-Jährige Internatsschülerin muss nicht nur mit Problemen in ihrer reichen Familie kämpfen, sie gilt zudem als Sonderling und Außenseiterin.

Als ihr bester Freund Paul stirbt, glaubt sie an Mord, doch keiner will ihr zuhören oder gar ermitteln. Sie kämpft mit dem Verlust von Paul und der Ignoranz ihrer Umwelt – bis sie spurlos verschwindet.

Alle Charaktere sind glaubhaft, aber wenig sympathisch oder emotional aufbauend. Der Alkohol- und Drogenmissbrauch wird - für meine Begriffe - als zu selbstverständlich und alltäglich abgetan und die marode Kulisse der heruntergekommenen Stadt hellt die düstere Grundstimmung auch nicht gerade auf. Wer nicht eine positive Einstellung zum Leben mitbringt, sollte dieses Buch nicht lesen, denn es ist Nordic-Noir in Reinkultur.

Charlie ermittelt privat

Offiziell ist Charlie im Urlaub, aber Francescas Verschwinden lässt sie nicht los. Auch Journalist Johan ist an dem Fall dran, was ihn wieder mit Charlie zusammen führt. Die Autorin hat das Geschehen in zwei Erzählstränge gegliedert: Francesca gibt die Vorkommnisse vor 30 Jahren aus ihrer Perspektive wieder. Sie lässt den Leser teilhaben an ihrer Verzweiflung, ihren familiären Schwierigkeiten und der Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben. Dagegen begleitet ein auktorialer Erzähler die Ermittlungen im heutigen Gullspång.  Durch diesen Perspektivwechsel wird die Geschichte nie langweilig, obwohl sie weit davon entfernt ist, ein Thriller zu sein. Zu sehr konzentriert sich das Geschehen auf Charlies Vergangenheit und die Verstrickung ihrer unkonventionellen Mutter in die Angelegenheit. Wie schon im Vorgänger „Löwenzahnkind“ hat man den Eindruck, der eigentliche Kriminalfall dient nur als Aufhänger für Charlies verkorkste Familiengeschichte.

Die Spannung wird weniger aus der Frage nach dem Verbleib Fancescas generiert, als viel mehr aus der Frage nach der Schuld und der Rolle von Betty und Charlie selbst. Was dann als Lösung kommt, kann ein aufmerksamer Leser erahnen. und man fragt sich, warum nicht vor 30 Jahren die gleichen Schlussfolgerungen gezogen wurden, lagen doch damals schon alle Hinweise auf dem Tisch.

So endet das Buch so abrupt, dass man fast den Eindruck hat, die Autorin hatte keine Lust mehr. Für den dritten Band erhoffe ich mir mehr Konzentration auf das ermittlungstechnische Geschehen, die eigentliche Polizeiarbeit, denn, dass Gullspång den Bach runter geht und Charlie eine sehr ungewöhnliche Mutter hatte, wissen wir ja nun zur Genüge. Auch sollte der Verlag nicht auf den Bezug zu Pflanzen im Titel beharren, denn der schwedische Originaltitel „Francesca“ wäre wesentlich plausibler gewesen, werden Hagebutten doch nur am Rande mal erwähnt.

Fazit:

Es ist zwar nicht zwingend notwendig den Vorgänger zu kennen, aber zum besseren Verständnis von „Hagebuttenblut“ kann es durchaus hilfreich sein, trifft man doch auf viel alte Bekannte. Lina Bengtsdotter hat mit diesem zweiten Band der Charlie-Lager-Reihe wieder eine spannende Geschichte abgeliefert, die allerdings weniger ein Thriller, als vielmehr ein weiteres intensiveres Eintauchen in Charlies Familiengeschichte ist.

Hagebuttenblut

Lina Bengstdotter, Penguin

Hagebuttenblut

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